Annegret Gehrmann, Dirk Schumann (Hg.)
Dorfkirchen in der Niederlausitz
Geschichte – Architektur – Denkmalpflege
Welches
Interesse die Dorfkirchen Mittel- und Ostdeutschlands finden, ist nicht zuletzt
an der Buchreihe »Kirchen im ländlichen Raum« ablesbar, die Bernd Janowski und
Dirk Schumann seit 2001 im Berliner Lukas Verlag herausbringen. Mittlerweile
liegt Band 6 vor (eigentlich Band 5, denn der 2. Band ist nie erschienen),
der 21 Beiträge zur Geschichte, vor allem aber zur Architektur und Ausstattung,
Archäologie und Denkmalpflege von Dorfkirchen in der Niederlausitz enthält und
deshalb aus benachbarter sächsischer Perspektive von besonderem Interesse sein
dürfte, weil diese Landschaft bis zur Reformation kirchlich zum Bistum Meißen gehörte…
Beiträge »zur Geschichte einer Landschaft« – so die Überschrift der ersten
Themengruppe – sollen drei Aufsätze bieten, von denen im engeren Sinne
historisch aber nur die Ausführungen Karlheinz Blaschkes
über »Kirchenpatrozinien und Kirchenorganisation in der Niederlausitz« sind, die freilich dadurch auffallen, dass sie die gesamte neuere
Forschung zum Niederkirchenwesen komplett ausblenden. Ernst Badstübner skizziert dann »Die Niederlausitz als
Kunst- und Kulturlandschaft«, wobei er kontrastiv den
Blick vor allem auf die wenigen größeren Stadt- und Klosterkirchen in der
Region lenkt. Ein tristes Kapitel stellt »Die Devastierung von Kirchen im
Lausitzer Braunkohlengebiet« dar, über die Bernd Janowski handelt. Seit 1962 sind
insgesamt 27 Kirchen (mitsamt den Dörfern) abgebaggert worden, und
weitere sollen folgen. Der Verlust an heimischen Lebensräumen und historischer
Bausubstanz wird schwerlich durch die Translozierung von Kirchengebäuden und
die Finanzierung umfassender bauarchäologischer Untersuchungen aufgewogen.
Mit »Dorfkirchen der Niederlausitz« ist die zweite Themensequenz überschrieben,
in der zunächst Dirk Schumann (»Backstein, Feldstein und Rasenstein«) seine
Überlegungen zu ausgewählten ländlichen Kirchenbauten der Niederlausitz
vorstellt, die vorwiegend in das 13. Jahrhundert gehören, zum Teil aber
auch spätmittelalterliche Ausbauphasen aufweisen. Einzigartig ist eine
Inschrift in der Kirche von Frankena, die nicht nur die Turmerhöhung 1480
dokumentiert, sondern auch das Kirchenpatrozinium (St. Pankratius) nennt, denn
dieses ist für die meisten Kirchen in der Niederlausitz nicht bekannt. Wie die
Ausführungen von Ulrich Waack (»Verstärkte
Religiosität oder wirtschaftliche Faktoren«) zeigen, erfolgte in der
Niederlausitz die Ablösung der Holzkirchen aus der Siedlungszeit vielfach erst
im 14. oder 15. Jahrhundert. Einzelstudien gelten der Baugeschichte
der Dorfkirche Walddrehna durch Thomas Krause und der (vorwiegend nach-reformatorischen) Geschichte von Kirche und Pfarre Langengrassau durch Annegret Gehrmann.
Ein dritter Themenblock vereinigt Studien zur »Archäologie und Funde an Lausitzer
Dorfkirchen«. Zunächst werden von Markus Agthe Kleinfunde
und Fundmünzen aus Kirchen in der Niederlausitz vorgestellt, denn »Mittelalterliches
und neuzeitliches Fundgut auf Kirchenfußböden« verrät nicht nur etwas über die
Kirchgangtracht (verlorene Stecknadeln), sondern auch über die Spendenpraxis (verlorene
Münzen). Weitere Beiträge gelten lokalen Einzelfunden, nämlich einem Rauchfass
und Reliquiengefäß = Altarsepulcrum aus der
Dorfkirche zu Rückersdorf, Landkreis Elbe-Elster (Eberhard Kirsch), den
ergrabenen Holzkirchen von Horno und Pritzen (Eberhard
Bönisch) sowie einer Eichenbohle mit
spätmittelalterlicher Bemalung aus der Kirche von Würdenhain, Landkreis
Elbe-Elster (Markus Agthe/Peter Knüvener), die mit
Weihekreuz und anderen Bemalungsresten womöglich auf eine spätmittelalterliche
Ausbauphase der Holzkirche verweist.
Mit der Kirchenausstattung befassen sich mehrere Beiträge, die unter der Überschrift
»Schätze der bildenden Kunst in Dorfkirchen der Niederlausitz« stehen: Peter Knüvener stellt
»Hochmittelalterliche Skulpturen aus Dorfkirchen der Niederlausitz und ihre Rezeption« dar, wobei der qualitätvolle Schrein mit dem
hl. Pankratius von ca. 1300 aus der Pfarrkirche Lübben-Steinkirchen,
der sich heute im Bode-Museum zu Berlin befindet,
erahnen lässt, wie viel an Ausstattungsstücken noch im 19. Jahrhundert
nicht nur verkauft, sondern einfach beseitigt wurde. Vor Ort erhalten blieben
aber zahlreiche Altarretabel wie beispielsweise der spätgotische Flügelaltar in
der Dorfkirche von Lindena, dessen zeitliche Stellung, Ikonografie
und Technologie umsichtig von Bernadette Freysoldt behandelt werden.
Hans Burger geht auf die
Farbgestaltungen mittelalterlicher Dorfkirchen um Luckau ein, und eines der
behandelten Beispiele, die Wandmalereien in der Dorfkirche von Riedebeck, wird anschließend von Judith Kauffeldt und Hans Burger noch ausführlicher
behandelt. In das 17. und 18. Jahrhundert führt dann der Beitrag von Werner
Ziems über Taufengel in der Niederlausitz.
Unter der schlichten Überschrift »Denkmalpflege« steht die letzte Themengruppe
mit Ausführungen von Albrecht Bönisch über »Die
Orgellandschaft der Niederlausitz« sowie über die Sanierung von
Sandsteingrabmalen auf dem Kirchhof Altgolßen (Mathias Koch) und die
Hüllensanierung der Dorfkirche Langengrassau (Achim
Munzinger). Eigens hingewiesen sei noch auf den
Tafelteil mit farbigen Bildern, Karten und Grundrissen. Leider wird der
vielfältige Inhalt nicht durch Register erschlossen. Auch ein
Autorenverzeichnis fehlt.
Die Beiträge dieses Bandes zeigen, welche Erkenntnismöglichkeiten moderne baugeschichtliche
und archäologische Untersuchungen von Dorfkirchen bieten. Zumindest in
Einzelfällen lassen sich auch interessante Aufschlüsse über die Ausstattung und
Innenraumgestaltung (Wandmalereien) der Dorfkirche gewinnen. Viele Aspekte sind
auch für die Neuzeit relevant, stellt doch die Pfarrei eine Institution von
langer Dauer dar. Freilich ist es dafür auch unabdingbar, die Fragestellungen
und Methoden der Landes- und Kirchengeschichte einzubeziehen, was im
vorliegenden Sammelband leider nur punktuell geschehen ist.
Enno Bünz, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 83 (2012)
Dass
auch Dorfkirchen ihre Schätze haben und auf ihre Weise
zur Gottesdienstgeschichte beitragen, macht dieses Buch deutlich. Es geht um
das Gebiet Niederlausitz, das von seiner Kirchengeschichte und von der Kunst-
und Kulturlandschaft her erschlossen wird. Es werden einzelne Kirchen
vorgestellt, um anschließend Funde darzulegen, die auf das Leben in den Kirchen
schließen lassen: Münzen, Rauchfass und Reliquiengefäß, Bemalungen. Nun werden
Schätze der bildenden Kunst vorgestellt: Skulpturen, Altäre, Wandmalereien und
Taufengel. Hinsichtlich der Denkmalpflege wird die Orgellandschaft ebenso
gewürdigt wie die Grabsteinpflege. Zahlreiche Fotografien veranschaulichen das
Beschriebene.
In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie
2012
Die Niederlausitz kann sich
bezüglich der Erforschung ihrer Geschichte sowie der
Bewahrung entsprechender Zeugnisse außerordentlich glücklich schätzen. Mehr als
in anderen Regionen gibt es Initiativen, die sich den Schlössern und
Parkanlagen, den Kirchen und anderen Zeugen der spannenden Geschichte widmen.
Eine davon ist der »Förderkreis Alte Kirchen der Luckauer
Niederlausitz e.V.« unter ihrer engagierten
Vorsitzenden Annegret Gehrmann. Und wenn es dann noch
gelingt, renommierte Experten wie den Bauforscher Dirk Schumann zu begeistern,
so kommen großartige Ergebnisse zustande, wie der anzuzeigende Sammelband, der
aus einer Tagung erwachsen ist.
Nach einer kurzen Einführung der Herausgeber Annegret Gehrmann
und Dirk Schumann kommen die beiden Nestoren der Landesgeschichte bzw. der
Landeskunstgeschichte, Karlheinz Blaschke und Ernst Badstübner, zu Wort. Blaschke
stellt in einer sehr knappen Skizze »Kirchenpatrozinien
und Kirchenorganisation in der Niederlausitz« vor…
Ebenso kann Ernst Badstübner in seinem Beitrag »Die
Niederlausitz als Kunst- und Kulturlandschaft« allenfalls einige Strukturen und
Probleme anreißen. Er geht chronologisch anhand der politischen Zugehörigkeit
der Niederlausitz vor, angefangen bei den frühen Grundherrschaften und speziell
den Klosterherrschaften, in deren Umfeld es häufig bereits zu Backsteinbauten kam…
Nachdenklich stimmt der Beitrag von Bernd Janowski zur »Devastierung von
Kirchen im Lausitzer Braunkohlengebiet«. Er hat entsprechend seinem Titel das
Nieder- und Oberlausitzer Gebiet grenzüberschreitend in den Blick genommen und
zeigt, welche landschaftszerstörende Wirkung damit einhergeht. Die menschlichen
Tragödien, die sich hinter diesem Kulturverlust abspielen, lassen sich kaum
adäquat beschreiben.
Die von Blaschke und Badstübner
eingangs skizzierten Bahnen und Themen werden dann von anderen Beiträgen wieder
aufgegriffen und vertieft, wie von Peter Knüvener,
der die »Hochmittelalterlichen Skulpturen aus Dorfkirchen der Niederlausitz«
heranzieht »und ihre Rezeption« befragt oder zu den
»Taufengeln in der Niederlausitz« von Werner Ziems. In medias res geht insbesondere der Beitrag von Dirk Schumann,
der gleichsam einen Katalog zum mittelalterlichen ländlichen Kirchenbau in der
Niederlausitz erstellt. Sein Beitrag geht auf ein »Projekt zur Erfassung der
mittelalterlichen Wandmalereien im Land Brandenburg« zurück, dessen Ergebnisse
teilweise bereits 2010 vorgestellt werden konnten. Auch Schumann ordnet die
Entwicklungen und (möglichen) Abhängigkeitsverhältnisse
bzw. Übernahmen in die (grund-)herrschaftlichen Strukturen ein. Zur weiteren
Forschung laden dann in Nebensätze verpackte Aussagen ein, wie diese zur
unbekannten Nutzung der südlichen Vorhalle an der Dorfkirche von Leuthen, die
aufgrund ihrer Gestalt »möglicherweise innerhalb einer
Stationsliturgie als Heilig-Grab-Anlage« diente. Derartige Vermutungen und
Andeutungen erzeugen beim Leser Spannungsmomente, da man rasch mehr darüber
wissen möchte.
Ulrich Waack, der in den letzten Jahren durch eine Reihe von Beiträgen auf die
ökonomischen Voraussetzungen für den Kirchenbau aufmerksam gemacht hat, weist
unter dem Titel »Verstärkte Religiosität oder wirtschaftliche Faktoren?«
abermals auf diese Einflussfaktoren für den Kirchenbau hin, wobei entgegen dem
Untertitel »Späte Ablösung von Holzkirchen durch Steinbauten in der
Niederlausitz …« mit Wolkenberg tatsächlich nur ein Niederlausitzer Exemplar
zwischen ansonsten sämtlich Südberliner Beispielen
herangezogen wird. Chronologische Abrisse zu den Kirchen von Walddrehna (Thomas
Krause) und Langengrassau (Annegret Gehrmann) – vor
allem mit dem Fokus auf die Baugeschichte und hervorragender Bebilderung –
runden den Komplex »Dorfkirchen der Niederlausitz« ab. Allerdings wäre an den
Beitrag zur Kirche von Langengrassau der letzte Beitrag des Bandes zur
»Hüllensanierung der Dorfkirche Langengrassau« von Achim Munziger
besser hintangestellt worden, da so diverse Redundanzen hätten vermieden werden
können und dem Leser das lästige Hin- und Herblättern
erspart geblieben wäre.
Dem schließt sich der Komplex »Archäologie und Funde an Lausitzer
Dorfkirchen« an, den Markus Agthe mit der Beschreibung
von Kleinfunden und Fundmünzen in Kirchen einleitet. Aufschlussreich ist
die Verhältnisrechnung, die der Autor am Ende aufmacht, indem er den Einnahmen
durch die Kollekte die Verlustrate gegenüberstellt … Mehrere
Einzelfalluntersuchungen bzw. -beschreibungen schließen sich an, wie zu
»Rauchfass und Reliquiengefäß aus der Dorfkirche zu Rückersdorf« (Eberhard
Kirch), zu den »Holzkirchen von Horno und Pritzen«
(Eberhard Bönisch) oder zu einer »Eichenholzbohle mit
spätmittelalterlicher Bemalung aus der Kirche von Würdenhain« (Markus Agthe/Peter Knüvener), zum
»spätmittelalterlichen Flügelaltar der Dorfkirche in Lindena« (Bernadett Freysoldt),
zur »Farbgestaltung mittelalterlicher Dorfkirchen um Luckau« (Hans
Burger), zu »spätgotischen Wandmalereien der Dorfkirche in Riedebeck«
(Judith Kauffeldt) und zur »Konservatorischen
Bearbeitung der Kreuzigungsdarstellung in Riedebeck«
(Hans Burger).
Die Strukturierung des Bandes scheint etwas unglücklich gewählt zu sein, denn
insbesondere die Beiträge der Abteilung »Denkmalpflege« – neben dem oben genannten »Langengrassauer«
Beitrag einer zur »Orgellandschaft der Niederlausitz« von Abrecht Bönisch und der Bericht zur »Restaurierung von fünfzehn
Sandsteingrabmalen auf dem Kirchhof Altgolßen« von Mathias Koch – wären an anderer Stelle besser aufgehoben
gewesen. Aber diese subjektiv gefärbte Anmerkung ändert nichts an den
außerordentlich luziden Inhalten der einzelnen Beiträge, die den Schatz der
Dorfkirchen der Niederlausitz dem interessierten Leser facettenreich erschließen,
der sich nun gut informiert selbst ein Bild von den Gotteshäusern auf dem Land
machen kann.
Lars-Arne Dannenberg, in: Jahrbuch
für brandenburgische Landesgeschichte, Bd. 63 (2012)
Die Niederlausitz mit ihren angrenzenden
einstmals besonderen Herrschaftsgebieten wie Beeskow-Storkow gehört heute
nicht zum Erzbistum Berlin, ist aber leicht von dort aus zu erreichen. Während
sich nördlich und südlich des Raumes größere Landesherrschaften bildeten, blieb
die Niederlausitz unter wechselnder Oberherrschaft stets Nebenland.
Karl-Heinz Blaschke: »Kirchenpatrozinien und
Kirchenorganisation in der Niederlausitz« behandelt für den im Mittelalter zum
Bistum Meißen gehörenden Raum Zusammenhänge zwischen den frühen Pfarreien und
der Heiligenverehrung. Bemerkenswerte Bauten und Ausstattungen sowie deren denkmal-pflegerische Betreuung bis in jüngste Zeit stellt
Ernst Badstübner: »Die Niederlausitz als Kunst und
Kulturlandschaft« vor. Nicht nur die Landschaft, auch Siedlungen mit ihren Dorfkirchen mussten dem Kohleabbau weichen. Bernd
Janowski: »Die Devastierung von Kirchen im Lausitzer Braunkohlengebiet« geht
dem Schicksal der 27 abgerissenen Kirchen nach.
Systematische Überlegungen zum Kirchenbau und dem Verhältnis von Dorf, Kirche
und Herrschaft und deren spezifische Ausprägung in der Niederlausitz stellt
Dirk Schumann: »Backstein, Feldstein und
Raseneisenstein. Überlegungen zum ländlichen Kirchenbau in der Niederlausitz
anhand ausgewählter Beispiele« an. Den Ursachen des im
Vergleich zu den zuvor von Waack in der Mittelmark
untersuchten Dorfkirchen in der Niederlausitz erst sehr spät einsetzenden
Überganges vom Holz- zum Steinkirchenbau widmet Ulrich Waack: »Verstärkte Religiosität oder wirtschaftliche Faktoren?
Späte Ablösung von Holzkirchen durch Steinbauten in der Niederlausitz des
15. Jahrhunderts« seinen Beitrag. Auch hier sieht
er primär ökonomische Gründe, die für den Übergang entscheidend sind.
Baugeschichtliche und archäologische Untersuchungen im Zusammenhang mit dem
Abriss der Kirchen von Horno und Pritzen liefern
Thomas Krause: »Dorfkirche Walddrehna. Die
Baugeschichte eines einzigartigen Baudenkmals« und
Eberhard Bönisch: »Die Holzkirchen von Horno und Pritzen«. Annegret Gehrmann: »Die
Geschichte der Kirche und Pfarre Langengrassau«
behandelt die Kirchengeschichte des bei Luckau gelegenen Dorfes mit dem
Schwerpunkt in der Zeit nach der Reformation bis in die Gegenwart.
Funde, die frühere reichere Ausstattung vermuten lassen, behandeln Markus Agthe: »Mittelalterliches und
neuzeitliches Fundgut auf Kirchfußböden. Kleinfunde und Fundmünzen aus Kirchen
in der Niederlausitz« und Eberhard Kirsch: »Rauchfass
und Reliquiengefäß aus der Dorfkirche zu Rückersdorf, Landkreis Elbe-Elster«,
Markus Agthe und Peter Knüvener:
»Eine Eichenholzbohle mit spätmittelalterlicher Bemalung aus der Kirche von Würdenhain,
Landkreis Elbe-Elster, Land Brandenburg«. Den kunstgeschichtlichen Überblick
zur Ausstattung gibt Peter Knüvener: »Hochmittelalterliche
Skulpturen aus Dorfkirchen der Niederlausitz und ihre
Rezeption«. Ein besonderes Objekt dazu behandelt Bernadett
Freysoldt: »Der spätmittelalterliche Flügelaltar in
der Dorfkirche in Lindena«.
In den weiteren Aufsätzen liegt der Schwerpunkt in der Denkmalpflege: Hans
Burger: »Veränderliche Konstanten - die
Farbgestaltungen mittelalterlicher Dorfkirchen um Luckau«, Judith Kauffeldt: »Die spätgotischen Wandmalereien der Dorfkirche
in Riedebeck. Bestandsaufnahme und technologische
Untersuchungen«, Achim Munzinger: »Die
Hüllensanierung der Dorfkirche Langengrassau« und Mathias
Koch: »Restaurierung von 15 Sandsteingrabmalen auf dem Kirchhof von Altgolßen. Die Bedeutung der außergewöhnlichen
Grabskulpturen im regionalen Kontext«.
Werner Ziems: »Taufengel in der Niederlausitz«
behandelt bemerkenswerte Ausstattungstücke der nachreformatorischen Zeit. Dies
gilt auch für die Kirchenmusik, der sich Albrecht Bönisch:
»Die Orgellandschaft der Niederlausitz« widmet.
Felix Escher, in: Wichmann-Jahrbuch
des Diözesangeschichtsvereins Berlin, Neue Folge
11/50./51. Jg. 2010/2011
Die Kirche ist Aushängeschild des Ortes, nicht nur auf
Postkarten. Doch gerade über die dörflichen Kirchen ist oft wenig bekannt. Doch
warum ist die eine Kirche aus Feldsteinen, die andere aus Ziegeln? Woher stammt
die teilweise noch erhaltene Kunst in den Kirchen? Gibt es regionale
Besonderheiten? Wer mehr über die Entstehungsgeschichte, Hintergründe und
Besonderheiten der Kirchen in der Niederlausitz erfahren will, den führt
»Dorfkirchen in der Niederlausitz« in das Thema ein.
Die Texte stammen überwiegend von
den jährlichen Tagungen des Förderkreises Alte Kirchen der Luckauer
Niederlausitz. Das setzt einen Schwerpunkt, ist Stärke und Schwäche des Buches
zugleich. Dort und weiter westlich nahm mit der deutschen Kolonisation auch der
Kirchenbau seinen Anfang und wurde entlang der Handelswege fortgesetzt.
Besiedlung und Kirchenbau standen in engem Zusammenhang mit der Struktur der
kirchlichen Institutionen, auf die Karl-Heinz Blaschke
hinweist.
Aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
Patronatsherrn schlug sich im Kirchenbau nieder, wie Ulrich Waack für
die Übergangsphase der meist ursprünglichen Holzkirchen zu Steinkirchen
herausarbeitet.
Scheinbar eine Selbstverständlichkeit – allerdings eine, die zahlreiche
Alterseinschätzungen von Kirchen anhand des Baustils infrage
stellen kann. Dass wir mittlerweile mehr von den Übergängen von Holz- zu
Steinkirchen wissen, liegt auch an der Erforschung von Kirchen wie in Horno,
die der Braunkohle weichen mussten. Diesen verschwundenen Kirchen widmet Bernd
Janowski ein eigenes Kapitel, während Eberhard Bönisch
die längst verschwundenen Holzkirchen von Horno und Pritzen
beschreibt.
Vieles ist durch bereits publizierte Erkenntnisse der vergangenen Jahre nicht
neu. Aber mit den 20 Beiträgen von nahezu ebenso vielen verschiedenen Autoren
wird ein breites Spektrum an Wissen versammelt, das einen aktuellen Überblick
verschafft und einen Einstieg vereinfacht.
Diese Vielfalt birgt aber auch zugleich eine, wenn auch verzeihbare, Schwäche.
Die Schreibstile variieren fast ebenso, wie der Anspruch der Text an den Leser.
Die Überarbeitung hin zu einem einheitlichen Stil hätte wahrscheinlich die
Grenzen des Möglichen gesprengt. Auch wären farbige Illustrationen direkt in
den Beiträgen wesentlich aufschlussreicher gewesen als in Schwarz-Weiß.
Besonders, wenn es um die Farbgestaltung mittelalterlicher Dorfkirchen um
Luckau geht, die Hans Burger beschreibt. Oder wenn Judith Kauffeldt
anhand der spätgotischen Wandmalereien der Dorfkirche Riedebeck
im Vergleich mit denen in Beesdau (beide Dahme-Spreewald)
und Briesen (Spree-Neiße) die These einer gemeinsamen Werkstatt anführt. Mit
farbigen Bildern und Grafiken im Mittelteil wird
versucht, dieses Manko aufzufangen.
Die Breite der Themen macht diesen Nachteil aber mehr als wett. Übersichten zur
Orgellandschaft in der Niederlausitz von Albrecht Bönisch
oder zu Tauf-Engeln von Werner Ziems gehören dazu, wie
der Beitrag von Peter Knüvener zu den
hochmittelalterlichen Skulpturen aus den Dorfkirchen. Wobei Knüvener
den Bestand als bislang nur lückenhaft untersucht und
publiziert einschätzt und ein eigenes Forschungsprojekt zur Erfassung und
Bewertung fordert.
Kirchen sind mehr als Gebäude, ihr Gemeindeleben wird
vor allem von den Pfarrern geprägt. Dass diese keineswegs in Saus und Braus
lebten, beschreibt Mitherausgeberin Annegret Gehrmann
am Beispiel von Langengrassau. Den Pfarrern standen zwar gewisse Einnahmen zu,
aber diese einzutreiben, blieb ebenfalls Problem des Geistlichen. Ihr Beitrag
zeigt, wie schwierig es für die Gemeinden war, Kirche und Pfarrhaus mit
Nebengebäuden zu erhalten.
»Dorfkirchen in der Niederlausitz« ist als mehr als eine Beschreibung von
Gebäuden. Das Buch zeigt, was die Dorfkirchen noch beherbergen und wie sie mit der Umgebung verwoben waren. Vielleicht sollte es
mehr Gruppen wie diesen Förderkreis geben, der mit eigenen Konzertreihen und
Radtouren für seine Ziele wirbt und mit diesem Band weit über »seine« 28 Kirchen hinausgegangen ist.
Fazit: Wer über den eigenen Kirchturm hinausblicken will, wird nach der
Lektüre dieses Buches auch die eigene Kirche mit ganz anderen Augen sehen.
Jürgen Scholz, in: Lausitzer Rundschau am
18.05.2011