Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches
Landesmuseum (Hg.)
Das
Zisterzienserkloster Neuzelle
Neuzelle ist das einzige Kloster des heutigen Landes
Brandenburg, das die Reformation überdauern und bis 1817, dem
Jahr der Säkularisierung, fortbestehen konnte. Da das Kloster zugleich
Zentrum einer ausgedehnten Herrschaft war, erfüllte es stets auch die
Funktionen einer Residenz, was nach dem Dreißigjährigen Krieg einen glanzvollen
Ausbau der Klosteranlage rechtfertigte, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
seinen Höhepunkt fand. Die Ergebnisse dieser beachtlichen barocken Bautätigkeit
sind heute als Resultat umfangreicher Restaurierungsmaßnahmen im Innen-
und vor allem im Außenbereich wieder sichtbarer geworden. Das
gilt zum Beispiel für den barocken Klostergarten, der in den letzten Jahren
rekonstruiert wurde, wie für die neue Farbgestaltung der
Klosterkirche, die den Betrachter bereits seit etwas längerer
Zeit erfreut. Herrschaftliche Repräsentation hat somit ein Ensemble erzwungen,
das bei den Besuchern früherer Tage sicherlich Erstaunen und
Bewunderung hervorrief, und denkmalpflegerische Aktivität
konnte diese Empfindungen in die Gegenwart retten. Sowohl damals wie
heute mag das Erstaunen aber auch dem für hiesige Gefilde fremd anmutenden
Baustil gegolten haben, der mehr an Böhmen und Süddeutschland erinnert und noch
heute an diesem Ort unerwartet fremd wirkt.
Einen Überblick über die zahlreichen Ergebnisse der hier in den letzten
Jahren praktizierten Denkmalpflege gibt der nun vorliegende Band
des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und
Archäologischen Landesmuseums. In einem einführenden Beitrag geht Ernst Wipprecht
ausführlich auf die Aufgaben und Ergebnisse der
praktischen Denkmalpflege am Beispiel Neuzelles ein. Nach einer kurzen
Einleitung, in der er die herausgehobene Stellung des
Klosters Neuzelle für die Kultur- und Kunstlandschaft Brandenburgs aufgrund der
Zugehörigkeit zum böhmisch-schlesischen Kunstkreis und der überlieferten
Vollständigkeit und Originalität des Baus betont, folgt im ersten Teil
des Beitrages eine Übersicht zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Klosters.
Wipprecht diskutiert kurz die Entstehungsgeschichte Neuzelles, das ursprünglich
an einem bis heute nicht identifizierten Ort entstehen sollte, schließlich aber
von den Mönchen an den heutigen Standort verlegt wurde, und skizziert
dann vor allem mithilfe der vorhandenen Literatur und
der Ergebnisse der Denkmalpflege die weiteren Bauabschnitte
der Gebäude und einzelner Inneneinrichtungen. Er beschränkt sich dabei nicht
auf die Wiedergabe bereits bekannter Fakten, sondern erörtert das
vorhandene Material kontrovers. Aufgrund des vorhandenen schriftlichen
Quellenmaterials musste bisher z.B. angenommen
werden, dass bei der Heimsuchung Neuzelles durch die Hussiten im Jahr 1429 das
Kloster mitsamt dem Dachstuhl ein Opfer der Flammen wurde, doch zeigen neue
dendrochronologische und dendrologische Untersuchungen an
Holzproben des originalen Dachstuhls, dass dieser um 1414 entstanden sein muss.
Die Ergebnisse widersprechen also dem schriftlichen Quellenmaterial. Das zeigt
deutlich, wie wesentlich denkmalpflegerische Ergebnisse die Arbeit des Historikers
beeinflussen können. Im zweiten Teil des Aufsatzes werden dann ausführlich die Restaurierungsleistungen
im Innenraum der Kloster- und der Kreuzkirche sowie die Instandsetzungen
und Restaurierungen der Josephskapelle, des Amtshauses und des Galeriegebäudes gewürdigt. Ausführlich
wird hierbei natürlich auf die gestalterische Leistung unter Abt Martinus Graff eingegangen, in
dessen Herrschaftszeit aus Böhmen und Süddeutschland stammende Künstler und Handwerkerfamilien die heute noch
präsente Ausstattung der Klosterkirche schufen. Wipprecht schließt seine Ausführungen mit einigen Bemerkungen zu dem
in der Restaurierungsphase stehenden
Konventgebäudes, dessen Wiederherstellung den Klosterkomplex Neuzelles noch stärker zu einem Glanzpunkt über
die Grenzen Brandenburgs hinaus erheben werde, zumal die Absicht bestehe, hier in Zukunft über die wechselvolle
Klostergeschichte »im authentischen
Rahmen und anhand von originalem Kunstgut« zu informieren.
Ausführlich und chronologisch geht
Alexander Niemann anschließend auf die
Entwicklung des barocken Klostergartens und dessen Wiederherstellung ein und
kann sich dabei auf archivalische Quellen stützen, die zum großen Teil bereits
vor einigen Jahren von Winfried Töpler benannt wurden. Die eigentliche Gartenanlage, aus
funktionalen Gründen in Abt- und Konventgarten
unterteilt und jeweils in sich abgeschlossen, war ein Resultat der barocken
Umgestaltung des Klosters unter Abt Martinus Graff im 18. Jahrhundert. Seit wann ein gestalteter Ziergarten
in Neuzelle existierte, lässt sich nicht mehr ermitteln, doch spätestens in der
Aufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg
muss ein Lustgarten, der ausschließlich der Repräsentation gewidmet war,
angelegt worden sein. Ein einfacher Klostergarten freilich ist bereits früher nachweisbar. Nach einem detaillierten und vor
allem materialreichen Gang durch die Gartengeschichte widmet sich Niemann der Wiederherstellung
beider Gärten und bietet als Abschluss seiner Ausfühaingen
eine nützliche Zusammenstellung der für die Gartengeschichte relevanten
archivalischen Quellen.
Die nachfolgenden Aufsätze sind im
Umfang deutlich kürzer, doch kaum weniger interessant. Dirk Schumann behandelt in seinem Beitrag die
mittelalterliche Baugeschichte der Klausur
und kann mithilfe neuer Erkenntnisse der
Denkmalpflege ältere Ergebnisse der baugeschichtlichen Literatur korrigieren. Weitere Beiträge beschäftigen sich
mit der mittelalterlichen Oberflächenbehandlung
und den historischen Raumfassungsprogrammen in der Klausur, der barocken Sakristei und dem Dachwerk der
Klosterkirche sowie dem bekannten Passionstheater des »Heiligen Grabes« von
Neuzelle.
Alle Aufsätze sind hervorragend
bebildert, und die Kombination aus Fotografien, Bauphasenkartierungen und historischen Ansichten und
Karten unterstützt stets das Verständnis der vorgelegten Texte. So kann der
Band aufgrund des Inhalts und der Ausstattung nur überzeugen, und man bleibt
gespannt auf weitere Ergebnisse denkmalpflegerischer Arbeit und deren Präsentation.
Matthias Hoffeins in: »Jahrbuch
für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands« Bd. 54 (2008)
Bestandsforschung und
Denkmalpflege
Das ehemalige Zisterzienserkloster Neuzelle an der Oder findet in
letzter Zeit viel Interesse, was sicherlich auch mit den seit Jahren hier
stattfindenden denkmalpflegerischen Aktivitäten zusammenhängt. Als »Perle des
Barock« beworben, entstand sein heutiges Erscheinungsbild aus der
qualitätvollen Überformung des gotischen Kirchenbaus und der zugehörigen
Klausuranlage im 17./18. Jahrhundert. In den letzten Jahren hat vor allem
W. Töpler zu Neuzelle publiziert, dem 2003 auch eine
Monographie zur Klostergeschichte zu verdanken ist. Den gültigen
Forschungsstand zur Kirche hingegen markiert ein schon 1982 erschienener
Aufsatz von H. Magirius; die barocke Umgestaltung
wurde 2005 in der Dissertation von M. von Engelberg mitbehandelt. Als
selbständige Publikation widmete das Denkmalamt dem barocken Heiligen Grab 2004
sein 12. Arbeitsheft.
Der hier zu besprechende Band behandelt im
Schwerpunkt die Klausurgebäude und den Garten. Inhaltlich enthält er zudem
recht heterogene Beiträge, die von dem Abdruck eines Textes in der Art einer
Festrede, einer Zusammenfassung der 2004 publizierten Ergebnisse zum
Heiligen Grab, über eine Liste der denkmalpflegerischen Tätigkeiten seit
dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu einer Vorstellung des weitgehend im
Originalbestand erhaltenen Kirchendachstuhls von 1414 sowie einer
Vorstellung der barocken Sakristei und ihrer Malerei unter restauratorischem
Blickwinkel reichen.
Der erste Hauptbeitrag von E. Wipprecht fungiert als Einleitung und stellt eine
insgesamt gelungene Mischung aus Forschungsbericht, offenen Fragen, Bau- und
Denkmal(pflege)geschichte des Klosters mit
Überlegungen zu allgemeinen Fragen der Denkmalpflege vor. An ihn schließt sich
der materialreiche Aufsatz zur Geschichte und Wiederherstellung des bedeutenden
Barockgartens von dem zuständigen Gebietsreferenten A. Niemann an. Es folgen die
Untersuchungen der Klausur, wobei D. Schumann
die Architektur und der von M. Noll-Minor, der Leiterin der
Restaurierungsabteilung des Amtes, eingeleitete Doppelbeitrag der Restauratoren
L. Böwe und
D. Schmidt-Breitung die
Farbbefunde behandelt.
Das Zisterzienserkloster Neuzelle wurde 1268 durch
Markgraf Heinrich den Erlauchten gestiftet. 1281 kamen Mönche aus der
Wettinergründung Altzella, die sich anfänglich an
einem anderen Ort niederließen, bevor sie um 1300 den heutigen Platz besetzten.
1309 wurde ein Ablass für die Kirche ausgegeben, 1429 das Kloster von den
Hussiten heimgesucht und teilweise zerstört. Das nach der Reformation als
katholische Insel in der protestantischen Lausitz verbleibende Kloster wurde im
Dreißigjährigen Krieg erneut beschädigt. Als 1650 der Konvent zurückkehrte, begann
in mehreren Wellen die Barockisierung von Kirche und
Kloster, die vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stattfand.
Die Baugeschichte wirft Fragen auf. So wurde der
erhaltene Dachstuhl der siebenjochigen Hallenkirche
im Jahre 1414 aufgeschlagen (s. Beitrag T.
Schönbeck) - also vor den Hussitenstürmen und deutlich nach der
Gründung. Die bisherige Forschung ging hingegen – gestützt auch auf Vergleiche
der Kirche mit Kloster Marienstern – von einer Errichtung der Kirche und weiter
Teile der Klausur nach 1281 aus. D.
Schumann modifiziert jetzt die Chronologie, indem er im Nordflügel den
ältesten Teil der Klausur erkennt, der noch ohne Kreuzgang angelegt worden sei.
Ein Kreuzgang soll erst mit dem Ostflügel entstanden sein, der in einem Zuge
mit der Hallenkirche errichtet wurde und in die zweite Jahrhunderthälfte bis um
1414 datiere. Die 1309 bezeugte Kirche muss demnach nach etwa zwei Generationen
durch den Hallenbau ersetzt worden sein. Insgesamt überzeugen die aus der
Befundanalyse vorgetragenen Überlegungen, auch wenn die abschließende Klärung
eine Diskussion auch kunsthistorischer Argumente erfordert. Wie sehr die Thesen
noch im Fluss sind, verdeutlicht die Baualterkartierung
des Brunnenhauses, wo das laut Text um 1515/20 aufgesetzte Obergeschoss mit der
gesamten Außenhaut noch um 1435 datiert wird.
Der andere Beitrag zur Klausur behandelt die Raumfassungen unter der
Überschrift »Frühmittelalterliche [!, so auch mehrfach in der Einleitung von M. Noll-Minor] Oberflächenbehandlungen
und Raumfassungsprogramme (…)« Der betreffende Beitrag von L. Böwe, der
sich mit den Befunden des 14. Jahrhunderts beschäftigt, spricht hingegen
zutreffend von den »frühen mittelalterlichen« Fassungen in Abgrenzung zu den im
Beitrag von D. Schmidt-Breitung behandelten
»späten« nach 1429. Ungeachtet der in einer Publikation eines Denkmalamtes sehr
verwundernden Fehlbetitelung sind die reichen Beobachtungen, die hier
vorgestellt werden, von großem Interesse und verdienen Beachtung. Die
figürliche Wandmalerei wird hingegen nur angesprochen, eine angemessene
Behandlung bleibt einer Untersuchung nach Abschluss der laufenden
Restaurierungen vorbehalten.
Insgesamt liefert der Band einige wichtige Beiträge.
Desiderat der Forschungen zur mittelalterlichen Anlage bleibt eine bauarchäologische
und aktuelle kunsthistorische Untersuchung der Kirche, von der auch eine
Klärung der kontroversen Datierungen zu erwarten wäre. Die Beiträge zum Barock
runden das Bild ab und dokumentieren die denkmalpflegerischen Maßnahmen hierzu,
wobei die auch hier auffallende Umgehung der Kirche und ihrer Ausstattung auf
ein weiteres Arbeitsheft zu diesem Thema hoffen lässt.
Klaus Gereon Beuckers
in: RottenburgerJahrbuch für Kirchengeschichte, 2008
Das
Zisterzienserkloster Neuzelle überlebte als einziges Kloster im heutigen Land
Brandenburg die Reformationszeit. Nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen
Krieges und unter dem Einfluss der Gegenreformation wurde es prachtvoll
ausgebaut. Die Arbeiten wurden bis zum 18. Jahrhundert fortgesetzt u.a. mit der
Anlage eines aufwendig gestalteten Barockgartens. Die jüngst erschienene
Publikation widmet sich eingehend der Geschichte des Klosters, insbesondere den
Ergebnissen der Bauforschung und den Restaurierungskonzepten der Gebäude und
Freiflächen. Die einzelnen Beiträge seien hier kurz aufgelistet.
Ernst Wipprecht diskutiert Aufgaben und Ergebnisse praktischer Denkmalpflege am
Beispiel des ehemaligen Zisterzienserklosters Neuzelle, während Alexander Niemann sich dem barocken Klostergarten und seiner
Herstellung widmet. Walter Ederer befasst sich mit
Neuzeller Visionen und dem Neuzeller Alltag. Dirk Schumann analysiert unter dem
Aspekt von Tradition und Modernität erste Ergebnisse der Bauforschung zur
mittelalterlichen Baugeschichte des Klosters. Lukas Böwe,
Mechthild Noll-Minor und Dorothee Schmidt-Breitung
erörtern die frühmittelalterlichen Oberflächenbehandlungen und
Raumfassungsprogramme der verschiedenen Jahrhunderte in der Klausur des
Klosters Neuzelle. Die barocke Sakristei des Klosters und die Restaurierung ihrer
Ausmalung wählt Sonia Cárdenas als Thema, Tilo Schöfbeck das Dachwerk der Klosterkirche. Mechthild Noll-Minor stellt das »Heilige Grab« von Neuzelle vor, eine
in Mitteldeutschland einzigartige Prozessionsdarstellung mit wechselnden
Bühnenbildern. Ernst Wipprecht beschließt den Band mit einer Chronologie
wichtiger Ereignisse und denkmalpflegerischer Hauptaktivitäten von 1945 bis
2006 zum gesamten Denkmalensemble des Klosters. Das informations- und
ergebnisreiche Buch profiliert das Kloster Neuzelle zu Recht als einzigartiges
geistiges und kulturhistorisches Zentrum in der Oderregion.
Fritz Wagner in
der »Cistercienser Chronik«, 114. Jg. (2007), H. 3
Das
Zisterzienserkloster Neuzelle bei Eisenhüttenstadt ist etwas Besonderes. Als
einziges Kloster im heutigen Land Brandenburg überdauerte es zunächst die
Reformation und wurde erst später abgeschafft, als die Niederlausitz nach den
Napoleonischen Befreiungskriegen von Sachsen abgetrennt wurde und an Preußen
fiel. Ein neues Buch über das Zisterzienserkloster widmet sich der
Denkmalpflege.
Für den Laien aufschlussreich sind vor allem die ersten beiden langen Aufsätze
über das Kloster und seinen Garten. Die anderen Beiträge widmen sich sehr
speziellen Fragen, etwa »frühmittelalterlichen Oberflächenbehandlungen und
historischen Raumfassungsprogrammen in der Klausur«.
Die prächtige Klosterkirche überrascht wahrscheinlich jeden, der sie zum ersten
Mal betritt. Nicht umsonst gilt Neuzelle als das Barockwunder der Mark. Dass
sich die Kirche heute so schön präsentiert, verdankt sie einer schrittweisen
Restaurierung, die 1969 begann und 1991/92 kurz vor der Vollendung abgebrochen
werden musste, weil nun die Gelder dafür fehlten. Einige Jahre ruhten die
Baumaßnahmen zur denkmalgerechten Sanierung der Klosteranlage. Die Arbeit der
Restauratoren zähle zu den bemerkenswertesten Leistungen dieser Art »während
der DDR-Zeit«, heißt es im Buch.
Ein Ende 1986 gegründetes Parkaktiv hatte sich um den alten Klostergarten
gekümmert, von dessen barocken Strukturen kaum noch etwas zu sehen war. Aber
erst in den Jahren 2000 bis 2004 konnte in einem ersten Bauabschnitt ein
größerer Teil des Gartens wiederhergestellt werden. Die Bausubstanz und der
Garten des Klosters litten vor allem unter der unsensiblen Verwendung als
Lehrerseminar im 19. Jahrhundert. […]
Andreas Fritsche im »Neuen Deutschland«
vom 24. Juli 2007