Peter Walther (Hg.)

Kindheitsbilder

Alltagsfotografie in Brandenburg seit 1848

 

…Das Buch ist wichtig, weil relativ wenige Fotos zu diesem Thema in den öffentlichen Sammlungen vor­handen sind. Die dünne Überliefe­rung hängt mit dem sich spät ent­wickelnden Sammlungsinteresse zusammen, denn Alltagsmotive wurden nur in Privathaushalten aufbewahrt: Kinderbilder sind eher aus Erinnerungsgründen und kaum aus ästhetischer Wirkungs­absicht aufgenommen worden. Viele Fotos werden dadurch inte­ressant, dass auf ihnen das vorder­gründig Abgebildete durch eine scheinbare Beiläufigkeit akzentu­iert wird, die sich beim zweiten Hinsehen als Hauptsache ent­puppt. Andere spiegeln den Einfluss des wechselnden Zeitgesche­hens auf das Alltagsleben der He­ranwachsenden.
Immer wieder wurden diesel­ben Sujets im Bild festgehalten: Kinder beim Spielen, beim Posie­ren mit Freunden und der Familie, Kinder in der Schule oder am Was­ser. Immer illustrieren sie auch den Wandel von Haltung, Mode und Technik. Bei den Porträts wir­ken die Kinder unverstellt, selbst wenn sie posieren. »Zur Inszenie­rung fehlt ihnen zwar nicht die Ab­sicht, aber es fehlen die Mittel«, stellt der Herausgeber Peter Walt­her fest. »In der Regel blicken Kin­der nicht von außen auf sich. Sie können kein Bild von sich geben, weil sie noch keins von sich haben. Nicht zuletzt die Erinnerung an diesen Zustand des Vorbewussten und der Zeitlosigkeit macht uns für die Wirkung der Fotos emp­fänglich. Vor allem an den Portraits wird der melancholische Reiz der Aufnahmen deutlich: In der absichtslosen Offenheit der kindlichen Gesichter, wie sie vor 100 oder 50 Jahren in einem flüch­tigen Moment abgebildet wurden, begegnen wir der eigenen Zeitlich­keit.«
Der Augenarzt und Publizist Bernhard von Barsewisch aus Groß Pankow ist einer von vier Au­toren, die das Buch mit Kindheits­erinnerungen bereichert haben. Der 1935 Geborene schreibt über die Jahre 1940 bis 1945. Er schil­dert seine Erlebnisse in der Perle­berger Schule und seine Eindrü­cke vom Leben im Familiengut sei­ner Mutter in Groß Pankow, wohin er häufig am Wochenende fuhr. Sein Text bietet dem Leser Einbli­cke in eine vergangene, unterge­gangene Welt…
Wolfram Hennies, in: Prignitz-Kurier (MAZ), am 09.08.2013

 

Der Mediziner und Publizist Bernhard von Barsewisch ist einer der vier Autoren der Erinnerungstexte und literarischen Essays, die dem Buch »Kindheitsbilder. Alltagsfotografie in Brandenburg seit 1848« vorangestellt sind. Dieser prächtige Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte enthält genau die Auswahl von insgesamt fast 350 Fotografien, die dort zu besichtigen … Kindheitserinnerungen [von Klaus Büstrin und Martin Ahrends sind] ebenfalls in dem Band zu lesen … Auch in ihren Texten ist das Politische im Alltag häufig präsent, dringt durch die geschilderten Erlebnisse oder Naturbeobachtungen immer wieder auch die Zeitgeschichte. Klaus Büstrin etwa, der seinen elegant erzählten Text auch bestens vorzulesen versteht, erinnert sich darin nicht nur gern an seinen ersten Besuch auf der Pfaueninsel oder daran, wie seine Liebe zur Musik geweckt wurde, nachdem er als Junge auf seltsame Weise in den Genuss eines Privatkonzertes des berühmten Pianisten Wilhelm Kempff gekommen war. Auch die Ausweiskontrollen auf der Glienicker Brücke und die gehörige Standpauke, die eine Volkspolizistin seiner Mutter hielt, beschreibt er ebenso anekdotisch … In einem poetisch verdichteten Prosatext wiederum erinnert sich Martin Ahrends an seine Kindheit in Kleinmachnow. Da sind die Abenteuerspiele eines elfjährigen Jungen mitten im plötzlichen Grenzgebiet, das verbotene Spähen vom Dachboden aus nach den nur zehn Meter entfernten »Westhäusern«, aber auch die Bootstouren mit den Eltern auf der Havel und die »schiere Ereignislosigkeit« der flachen schweigenden Landschaft. Vielleicht mehr noch als viele Fotografien in dem Begleitband spiegeln all diese Erinnerungstexte den Einfluss, den das wechselnde Zeitgeschehen auf das Alltagsleben der Heranwachsenden nahm.
Daniel Flügel, in: Potsdamer Neueste Nachrichten, am 09.08.2013
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