Ernst Badstübner, Peter Knüvener, Adam S. Labuda, Dirk Schumann (Hg.)

Die Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg

Tradition – Transformation – Innovation

 

Die unbedingte Notwendigkeit des vorliegenden Bandes, der die Ergebnisse einer wissenschaftli­chen Tagung bündelt, die 2005 in Berlin stattfand, liegt auf der Hand, muss doch die Mark Bran­denburg noch immer, wie die Herausgeber im Vorwort schreiben, »zu den kunsthistorisch weniger erforschten Regionen gezählt werden, und vor allem der Wissenstand über die mittelalterliche Kunst ist alles andere als befriedigend.« Das mit zahlreichen überwiegend farbigen Abbildungen hervorragend ausgestattete Buch arbeitet gegen dieses Wissensdefizit an und zwar sowohl durch die Vielfalt der versammelten methodischen Perspektiven als auch der beschriebenen Einzelwerke der mittelalterlichen Kunst und Architektur in der Mark. Dabei fließen immer wieder neueste Erkenntnisse und Entdeckungen mit ein, die durch Restaurierungsarbeiten in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewonnen werden konnten.
Der erste Teil des Buches betrachtet aus der Makroperspektive die Mark Brandenburg als mittelalterliche Kunst- und Kulturlandschaft. Diese Herangehensweise hat in den jüngsten Forschun­gen zur mitteleuropäischen Kunstgeschichte eine Renaissance erfahren, nachdem das Modell der Kunstlandschaft aufgrund seiner Instrumentalisierung im Zeitalter des Nationalsozialismus lange in Misskredit stand und bis heute in seinen methodischen Prämissen umstritten bleibt. Mit dem Blick des Landeshistorikers beschreibt Winfried Schich Aspekte von Landesherrschaft und dieEntwicklungen der Kulturlandschaft im Bereich der Mark Brandenburg vom 13. bis zum 16. Jh. Er gibt damit nicht nur einen unverzichtbaren Überblick über die historischen Rahmenbedingungen für die Entfaltung von Kunst und Architektur in der Mark im Untersuchungszeitraum, sondern legt auch ein nützliches Fundament für die stärker monographisch ausgerichteten Beiträge in den nachfolgenden Teilen des Buches. Mit bewährter kunstgeographischer Methodik wendet sich Ernst Badstübner der Sakralarchitektur als einem wesentlichen Charakteristikum der mittelalter­lichen Architekturgeschichte der Mark zu. Ausgehend von den topographischen Besonderheiten der eiszeitlichen Moränenlandschaft und ihrem spezifischen Angebot an Baustoffen beschreibt Badstübner den Backstein als prägnantes Element der märkischen Architekturlandschaft des Spät­mittelalters. Daran schließt sich ein umfangreicher Aufsatz von Peter Knüvener an. In einem weit­gespannten Bogen gibt er einen umfassenden Überblick über die wesentlichen Entwicklungslinien und Werke der bildenden Künste des Mittelalters in der Mark. Gleichzeitig referiert Knüvener die wichtigste Forschungsliteratur und formuliert eine Reihe von Fragen für eine zukünftige vertie­fende Bearbeitung, die zum Teil von den Autoren der nachfolgenden Aufsätze auch schon auf­gegriffen werden. Enger geführt ist der Beitrag von Dirk Schumann, der sich dem bauplastischen Dekor in der märkischen Backsteinarchitektur des 13. und 14. Jh. zuwendet. Der Autor leistet eine mustergültige Bestandsaufnahme eines markanten Themas der märkischen Architekturgeschichte, dessen Reflexionen sich vielfach auch in benachbarten Landschaften, wie Sachsen, Schlesien oder den Lausitzen finden lassen.
Der zweite Teil des Buches thematisiert die Anfänge einer märkischen Kunst im Mittelalter. Mit der Dynastie der Askanier wird dabei der Fokus auf die Kunst am landesherrlichen Hof und in seinem Umfeld gesetzt. So betrachtet Beate Braun-Niebuhr das Brandenburger Evangelistar, ein um 1200 entstandenes Werk der Buchmalerei aus dem Bestand des Brandenburger Domschatzes, und untersucht dessen Verbindungen zur zeitgleichen Buchmalerei in anderen Teilen Europas. Mit ähnlicher Perspektive untersucht Christina Müther in ihrem Beitrag einen völlig anderen Gegenstand: die spätromanischen Kapitellplastik in der Mark Brandenburg. Die darauf folgenden Beiträge von Zofia Krzymunska-Fafius und Mara Maroske widmen sich jeweils bedeutenden frü­hen Denkmälern der figürlichen Backsteinkunst. Tilo Schöfbeck und Karl-Uwe Heussner liefern mit ihrem Beitrag über dendrochronologische Untersuchungen an Holzbildwerken des 13. und 14. Jh. neue Erkenntnisse zu deren zeitlicher Stellung. Das ist bedeutsam, da einige der nun mit naturwissenschaftlicher Methode datierten Werke zur genaueren zeitlichen Einordnung anderer bisher mit stilkritischer Methodik datierter Bildwerke dienen können. Wie wichtig solche zeitlichen Einordnungen angesichts oftmals verlorengegangener Informationen zur Entstehungsgeschichte von Kunstwerken sind, zeigt der sich anschließende Beitrag von Annett Alvers über eine Drei­königsgruppe aus der St. Marienkirche zu Stendal. Aufgrund motivischer wie stilgeschichtlicher Vergleiche unternimmt die Autorin eine Neubestimmung des Entstehungszeitraums dieser beacht­lichen Werkgruppe, die bisher auf etwa 1420 datiert wurde, in das zweite Viertel des 14. Jh.
Der dritte Teil des Buches geht einem Thema nach, das die mittelalterliche Kunst in Brandenburg wie ein roter Faden durchzieht die vielfältigen Beziehungen zur Kunst im Königreich Böhmen. Hatten die Askanier bereits im 13. und 14. Jh. dynastische Verbindungen zum böh­mischen Herrscherhaus der Pfemysliden angeknüpft, durch die unter anderem die Nieder- und Oberlausitz zeitweise in den Einflussbereich Brandenburgs gelangten, so intensivierten sich die Bindungen zwischen beiden Ländern, nachdem Karl IV. die Macht in der Mark Brandenburg übernommen hatte. Noch heute sind zahlreiche Kunstwerke beredte Zeugnisse dieser politischen Verbindungen zwischen den beiden Ländern. Einen profunden Überblick darüber gibt Jiri Fajt in seinem Beitrag. In dem mit »Brandenburg wird böhmisch. Kunst als Herrschaftsinstrument« überschriebenen Aufsatz geht er der Frage nach, in welchem Maße die Künste als Mittel der Manifestation und Durchsetzung von Herrschaft fungierten. Dies bindet Fajt immer wieder an konkrete Kunstwerke aus Böhmen und Brandenburg, deren jeweilige Abhängigkeit voneinanderbzw. deren Entstehungsumstände er beleuchtet. Daran schließen sich die Beiträge von Eva Fitz über neue Erkenntnisse zur Werkstatt der Glasmalereien der Marienkirche in Frankfurt/Oder, von Jan Raue über böhmische bzw. böhmisch beeinflusste Wandmalereien in Brandenburg und von Werner Ziems über kunsttechnologische Bobachtungen am Jüterboger Retabel an. Maria Deiters geht in ihrem kenntnisreichen Aufsatz der Bedeutung Magdeburgs als Kunstzentrum für die Mark nach und stellt so den böhmischen Verbindungslinien eine weitere Einflussrichtung auf die mittelalterliche Kunst Brandenburgs zur Seite.
Im dritten Teil des Buches wechselt die Perspektive von den überregionalen Verbindungswegen der Künste hin zu ihren Funktionalisierungen. Überschrieben mit »Landesherrliche und bischöf­liche Stiftungen im Spätmittelalter. Residenzorte und ihre kulturelle Ausstrahlung« versammelt er vier monographisch angelegte Beiträge über Kunstwerke in mittelalterlichen Zentren der Mark. Monika Böning rekonstruiert eine Glasmalereistiftung Kurfürst Friedrich II. in der Johanniskirche zu Werben. Birgit Malter wendet sich den bei Sanierungsarbeiten vor wenigen Jahren entdeckten Wandmalereien in der ehemaligen Bibliothek des Domklosters in Brandenburg zu. Agnieszka Gasior geht in ihrem Beitrag der Frage nach, ob es sich bei dem heute in der Frankfurter Gertrau­denkirche aufgestellten, ursprünglich jedoch aus der dortigen Marienkirche stammenden Hochal­tarretabel um eine kurfürstliche Stiftung handelt. Matthias Müller schließlich widmet sich einem Altarretabel in der Stadtkirche von Mittenwalde, dass ursprünglich seinen Standort vermutlich in der Berliner Dominikanerklosterkirche hatte, und dessen Programm Müller vor dem Hintergrund des Spannungsfeldes von Fürstenmemoria und Ordenslehre analysiert.
Im fünften Teil des Buches löst sich die den vorangegangenen Teilen jeweils eingeschriebene Fokussierung etwas auf. Unter der Überschrift »Spätmittelalterliche Kunst in der Mark: Form, Funktion und Produktion« wurden acht monographisch angelegte Beiträge versammelt, die Werke der Kunst und Architektur aus verschiedenen brandenburgischen Städten beschreiben. Heraus­gehoben sei an dieser Stelle der Aufsatz von Benjamin Sommer, der der Funktionsgeschichte des 1471 vollendeten Marienretabels in der Stendaler Stadtpfarrkirche St. Marien gewidmet ist, sowie der Beitrag von Jenny Hüttenrauch, der um 1520 aus Terrakotta gefertigten Konsolfiguren in der Kapelle des Berliner Heilig-Geist-Spitals untersucht.
Der sechste Teil des Buches gibt einen knappen, zwei Beiträge von Christa-Maria Jeitner und Mechthild Modersohn umfassenden Ausblick auf den Umgang mit mittelalterlichen Kunstwerken in der Mark Brandenburg nach der Reformation.
Insgesamt darf das Buch als ein gelungenes Projekt bezeichnet werden, das als wichtiges Referenzwerk zur Kunstgeschichte der Mark Brandenburg nicht mehr wegzudenken sein wird. In seiner Anlage könnte es darüber hinaus vorbildhaft werden für ähnliche Publikationsprojekte zur mittelalterlichen Kunst in weiteren Landschaften Mitteleuropas nicht zuletzt in den beiden Lausitzen.

Kai Wenzel, in: Neues Lausitzisches Magazin, 13/2010

 

 

Die mittelalterliche Kunst der Mark Brandenburg ist einer breiteren Öffentlichkeit bis heute weitgehend unbekannt geblieben, aber auch in der Fachwelt als Forschungsthema kaum präsent. Diese Lücke bot den Anlass für ein internationales Forschungskolloquium, das vom 23. bis 26. Juni 2005 an der Humboldt-Universität in Berlin auf Initiative des dortigen Lehrstuhls für Osteuropäische Kunstgeschichte und der Stiftung Stadtmuseum Berlin ausgerichtet wurde. Mit dem vorliegenden Band wurden nun drei Jahre später 26 der 30 gehaltenen Tagungsbeiträge einschließlich drei neuer veröffentlicht.
Das vorbildlich edierte Buch ist reich und in guter Qualität bebildert und mit zwei Karten und einem Register versehen, die dem mit der Geographie und dem Denkmälerbestand weniger vertrauten Leser die Benutzung erleichtern. Eine Beilage mit der »Konkordanz der Inventarnennungen vorreformatorischer Textilien im Brandenburger Dom« hingegen dürfte nur für einen kleinen Kreis von Fachleuten interessant sein. Die Beiträge gliedern sich in sechs Gruppen, die von einem ausführlichen Literaturverzeichnis und knappen Biographien der Autoren abgeschlossen werden, die ein breites Spektrum der mit dem Thema beschäftigen Berufssparten offenbaren. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die einzelnen Texte gestaltet, die sich gleichermaßen ergänzend und widersprechend interessante Einblicke in den Stand der aktuellen Forschung erlauben.
Im einleitenden Kapitel wird »Die Mark als Kunst- und Kulturlandschaft« umrissen und damit gleichzeitig ein in der Forschungsgeschichte vielfach problematisierter Begriff angesprochen. Die Geschichte der Mark ist vergleichsweise jung, bis in das 12. Jahrhundert war die Region zwischen Elbe und Oder noch heidnisch und wurde erst mit dem Aufbau der Landesherrschaft ab 1157 systematisch durch die Markgrafen von Brandenburg christianisiert. Die politische Struktur entwickelte sich unabhängig von einer naturräumlichen Einheit, so dass die einer ordnenden Übersicht geschuldeten Beiträge ihre historischen Prämissen begründen müssen. Der Historiker Winfried Schich bietet einen knappen, aber gut strukturierten Überblick über »Die Landesherrschaft und die Entwicklung der Kulturlandschaft vom 13. bis zum 16. Jahrhundert«. Dabei zeichnen sich drei Phasen ab: die Gründung bis in die Zeit um 1300, das Erstarken der Städte im 14. und die zunehmende Einschränkung ihrer Autonomie unter den Hohenzollern seit dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts. Die Mark wird als Kunstlandschaft nur innerhalb eines wechselnden »raum-zeitlichen Bezugssystems« erkennbar, was sich deutlich an den folgenden Beiträgen zum kunsthistorischen Denkmälerbestand ablesen lässt. Ernst Badstübners Darstellung der »Kunstlandschaftlichen Prozesse am Beispiel der architekturgeschichtlichen Entwicklung« entspricht der von Schich benannten Abfolge historischer Phasen. Die frühesten Großbauten unter askanischer Herrschaft, die wohl in der Mitte des 12. Jahrhunderts begonnenen Kirchen der Prämonstratenserstifte Leitzkau und Jerichow, orientieren sich an Vorbildern des nördlichen Harzvorlandes, einer Region, aus der die neuen Herren stammten. Gleichzeitig markiert das verwendete Baumaterial aber auch eine deutliche Abkehr vom Althergebrachten. Zusammen mit dem spätestens 1165 begonnenem Brandenburger Dom gehört die Jerichower Kirche zu den ältesten Backsteinbauten nördlich der Alpen. Das Material wurde zum charakteristi­schen Baustoff der Mark, war bezeichnenderweise aber auf Bauten der Landesherrschaft und (mit wenigen Ausnahmen) auf die von ihr protegierten Dome und Klöster beschränkt. Für die Architektur der Stadt- und Landkirchen wurde hingegen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts noch Granit verwendet. Ein Wechsel zeichnet sich erst mit dem Aussterben der Askanier 1319 ab, mit dem die Städte größere Bedeutung gewinnen, wo der Backstein erst jetzt als durchgängig verwendetes Baumaterial nachweisbar ist. Etwa gleichzeitig verschwinden auch baugeschichtliche Leitmotive. Das Fehlen der von Badstübner als »Zeichen gewonnener Landesherrschaft« interpretierten West-Querbauten an Stadtkirchen bildet eine der historischen Entwicklung entsprechende Zäsur der Kunstgeschichte. Erst jetzt lässt sich die Mark Brandenburg als Kunstlandschaft der norddeutschen Backsteingotik zurechnen. Ihre regionalen Wurzeln finden sich bereits an den Zisterzienserbauten des 13. Jahrhunderts in Lehnin und Chorin, an denen sich noch herrschaftliche Architekturzitate nachweisen lassen. Hier wurde bereits eine an den Materialeigenschaften orientierte Fertigungstechnik entwickelt, bei der man in zunehmend rationalisierter Weise die üblichen Hausteinteile an konstruktiv betonten Stellen durch Nachbildungen in Terrakotta ersetzte. Die Technik blieb in dieser Zeit jedoch auf die Mark beschränkt, da die großen Kalkvor­kommen im norddeutschen Küstenraum die Entwicklung der dort verbreiteten Stuckskulptur begünstigten. Die Beschränkung scheint aber auch politische Gründe gehabt zu haben, da sich die Technik fast ausschließlich an Bauten nachweisen lässt, die durch die Askanier gefördert wurden, wie Dirk Schumann in seinem Beitrag zum »Bauplastischen Dekor in der märkischen Backsteinarchitektur des 13. und 14. Jahrhunderts« zeigen kann. Hier wären als Vorgriff auf das folgende Kapitel ergänzend die Aufsätze von Christina Müther (»Die spätromanische Kapitellplastik in der Mark Brandenburg«), Zofia Krzymuska-Fafius (»Das Backsteinrelief in der Pfarrkirche zu Arnswalde (Choszczno) in der Neumark«) und Mara Maroske (»Die Westportale der Maria-Magdalena-Kirche in Eberswalde«) zu nennen.
Während die Brandenburger Kapitelle mit ihrem direkten Magdeburger Bezug als Spitzenwerke der älteren Hausteinplastik auch einem größeren Publikum bekannt sein dürften, hat die architektonische Bekrönung des Dreisitzes in Arnswalde so gut wie keinen Eingang in die bisherige Forschungsliteratur gefunden. Die Nische, in die der Sitz eingelassen ist, zeigt in ihrem Bogenfeld eine aus Terrakottaformsteinen zu­sammengesetzte Darstellung der Wurzel Jesse, deren Zentrum eine dreiteilige Kreu­zigungsgruppe einnimmt. Die Ausnahmestellung dieses Werkes wird angesichts der etwas hilflos wirkenden Argumentation der Autorin mehr als deutlich. Die zeitliche Stellung, der ursprüngliche Kontext der offensichtlich veränderten Anlage und ihre ikonografische Funktion in Bezug auf den Dreisitz müssen als völlig ungeklärt gelten. Das ungewöhnlich anspruchsvolle Programm findet sein Gegenstück in der Portalplastik von Eberswalde, zu der sich auch stilistische Bezüge herstellen lassen, soweit dies angesichts der relativ rohen Ausführung überhaupt zu beurteilen ist. Diese Diskrepanz zwischen inhaltlichem Anspruch und formaler Ausführung scheint als charakteristisches Merkmal an die Technik gebunden zu sein. Die freie Formbarkeit des Materials, das offensichtlich nicht von gelernten Plastikern bearbeitet wurde, scheint die Entwicklung unkonventioneller Programme begünstigt zu haben, auch wenn Maroske die inhaltliche Bedeutung der Eberswalder Portalkonzeption etwas überstrapaziert.
Die mittelalterliche Architekturgeschichte der Mark zeigt eine Entwicklung, die in großen Zügen den historischen Gegebenheiten folgt. Für die Ausstattung der Kirchen gilt dies hingegen nicht. Aus dem meist geringeren finanziellen Aufwand und der größeren Flexibilität der Werkstätten ergibt sich ein komplexes System von künstlerischen Beziehungen, dem Peter Knüvener in seiner Einführung zur »Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg« nachgeht. Während sich für die Frühzeit noch ähnlich wie in der Architektur hauptsächlich die westlich angrenzenden Gebiete, ins­besondere Magdeburg, als einflussreich erweisen, verlagert sich diese Orientierung im Laufe des 14. Jahrhunderts in Richtung Böhmen. Mit der Internationalen Gotik lassen sich dann um 1400 am Brandenburger Denkmälerbestand vielfältigste Bezüge aufzeigen, die sich bis zur Reformation zu keinem einheitlichen Bild mehr fügen. Konsequenter Weise verzichtet Knüvener darauf, die Mark als einheitliche Kunst­landschaft zu beschreiben. Der Begriff wäre für »die verschiedenen Zeitabschnitte« und (das sei hinzugefügt) Regionen und Gattungen jeweils neu zu stellen.
Dieser Sichtweise entspricht die weitere Kapiteleinteilung, die anfangs eher historisch orientierte Zeiträume absteckt, bei den spätgotischen Werken dagegen mehr und mehr auf einzelne Subzentren und die Bedeutung der Stifter abhebt. In den hauptsächlich auf Einzelwerke konzentrierten Beiträgen bilden sich gleichzeitig die Möglichkeiten und Grenzen des Forschungsgebietes wie auch der einzelnen Fachdis­ziplinen ab. Das zeigt sich bereits an dem Beitrag von Beate Braun-Niehr über das Brandenburger Evangeliar, der für Buchmalereispezialisten sicherlich von Interesse, aber abgesehen von der Herkunft der Handschrift ohne jeden Anschluss an das Thema gestaltet ist. Neben den bereits erwähnten architekturgeschichtlichen Beiträgen sind die Ergebnisse der von Tilo Schöfbeck und Karl-Uwe Heussner durchgeführten »Dendrochronologischen Untersuchungen« von besonderem Interesse. Mit naturwissenschaftlicher Nüchternheit werden hier einige kunsthistorische Datierungen nach hinten verschoben, die damit gerade für die Frühzeit ein überraschend konservativ geprägtes Kunstschaffen offenbaren. Obwohl sich die u. a. genannten Beispiele mit dem in Schönhausen/Elbe befindlichen Triumphkreuz und der Sitzmadonna in Laase bei Bützow eher an der Peripherie bzw. außerhalb der Mark befinden, dürfte der Befund auch auf die provinziellen Regionen in Brandenburg übertragbar sein. Damit stellt sich gleichzeitig die Frage, ob die stilkritische Einordnung der »Dreikönigsgrup­pe aus St. Marien zu Stendal«, die Annett Alvers im folgenden Beitrag vorstellt, haltbar ist. Die wohl ursprünglich in einem Retabel aufgestellten Figuren aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts wirken stilistisch uneinheitlich, da bei dem jüngsten König auf die für die Zeit typischen Faltengehänge völlig verzichtet wird. Er unterscheidet sich auch durch seine vollplastische Ausführung vom Rest der Gruppe. Alvers nimmt das als Beleg für eine Entstehung um 1300 und sieht darin den Rest einer älteren Figurengruppe, die eine Generation später ergänzt worden wäre. Der postulierte Zusammenhang mit der um den Ebstorfer Mauritius versammelten Figuren will nicht recht überzeugen. Die Stendaler Figur zeigt die für das frühe 14. Jahrhundert typisch kindlichen Körperproportionen, während an der Braunschweiger (?) Figurengruppe durchweg normal gebildete Erwachsenenkörper dargestellt werden. Die vollplastische Ausführung dürfte eher der ursprünglichen Aufstellungssituation geschuldet gewesen sein. Wie beim Brandenburger Retabel ist ein an den Seiten offener Schrein zu vermuten, da die rechts außen platzierte Madonnenfigur nur an der Außenseite eine aufwendige plastische Verzierung des Thronstuhls zeigt. Dem würde die Allansichtigkeit der links außen aufgestellten Figur des jüngsten Königs entsprechen, der wohl gleichzeitig mit dem Rest der Gruppe angefertigt worden sein dürfte. Leider sind die Materialangaben in dem Artikel durcheinander geraten, so dass nicht klar wird, ob einheitliche Hölzer verwendet wurden. Schöfbeck und Heussner konnten anhand der Herkunft des verwendeten Materials für das wohl etwas früher entstandene Retabel in Rossow, das sich ursprünglich wohl auf dem Hochaltar des Havelberger Doms befand, eindrucksvoll das Vorhandensein leistungsfähiger Werkstätten in der Region nachweisen. Auch für Stendal ist die Tätigkeit einer lokalen Werkstatt wahrscheinlich. Stilistisch eng mit der Anbetungsgruppe verwandt sind die Figuren vom Lettner der Petrikirche, die sich mit Blick auf die Skulp­turen am Nordportal der Frankfurter Marienkirche letztlich wohl am ehesten über die Hofkunst Kaiser Ludwigs IV. des Bayern erklären lässt. Zu der hauptsächlich in Norddeutschland tätigen Werkstatt des Magdeburger Chorgestühls, die Alvers zur Erklärung der Stillage anführt, ergeben sich dagegen keine deutlichen Bezüge.
Mit den sich in Frankfurt abzeichnenden dynastischen Zusammenhängen ist eines der Hauptkapitel des Bandes angesprochen, »Brandenburg und Böhmen. Die Epoche Karls IV. und ihre Nachwirkungen«. Hier wäre in erster Linie der komplexe Artikel von Jifi Fajt zu nennen, der »Kunst [vorwiegend] als Herrschaftsinstrument« interpretiert. Der starke böhmische Einfluss auf das märkische Kunstschaffen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist seit langem bekannt. Hauptwerke, wie die Retabel im Brandenburger Dom und Pechüle, letzteres ursprünglich wohl aus der Klosterkirche in Zinna stammend, sind durch Schöfbeck und Heussner jetzt eindeutig als Importe bestimmt worden. Fajt geht aber einen entscheidenden Schritt weiter. Eingebunden in einen breiten Überblick über die wechselnden Herrschaftsverhältnisse der Mark in ihrem Verhältnis zum Reich wird ein Großteil der erhaltenen Hauptwerke in direkte Beziehung zur jeweiligen Regierungsmacht gesetzt. Damit grenzt sich Fajt in differenzierter Weise gegen kunsthistorische Allgemeinbegriffe wie »Schöner« oder »Weicher Stil« bzw. »Internationale Gotik« ab. Ausgehend von einer einleitenden Darstellung der aufeinander aufbauenden Stillagen der Prager Hofkunst wird ihr zeitlich versetztes Auftreten in Brandenburg verfolgt. Eines der in dieser Hinsicht bedeutendsten dynastischen Denkmäler, die Ausstattung der Tangermünder Burg, ist leider nur durch eine Beschreibung von 1564 überliefert worden. In deutlicher Anlehnung an die Ausstattung auf Burg Karlstein wurden die Wände der Burgkapelle aufs prächtigste mit Edelsteinen verkleidet und der große Saal mit einem gemalten Herrscherzyklus verziert. Man darf hier wohl mit der Tätigkeit von böhmischen Künstlern rechnen, die nach der Fertigstellung des Auftrages im Lande geblieben sein könnten. Damit ist gleichzeitig aber auch eines der hauptsächlichen Probleme angesprochen, direkte Belege dafür gibt es nämlich keine, wie auch die Identifizierung herrschaftlicher Stiftungen oft mehr als fraglich bleibt. Aufbauend auf der These, dass die Heirat zwischen Markgraf Otto von Wittelsbach und Katharina, der Tochter Karls IV., den Anlass für den Neubau des Hallenchors der Rathenower Stadtkirche geboten habe, wird die Markgräfin als Stifterin des dort erhaltenen Retabels identifiziert, wobei der »Auftrag an eine Malerwerkstatt erging, die zuvor die Aufträge ihres Vaters in Tangermünde ausführte«. Fajts Thesen sind sicherlich Überdenkenswert, lassen sich aber angesichts der großen Lücken im Denkmälerbestand durch nichts beweisen. Dass es sich in Rathenow um eine einheimische, vielleicht in Magdeburg ansässige Werkstatt gehandelt haben muss, zeigt der eindrucksvolle Vergleich zu den Sandsteinskulpturen in Groß Ammensieben.
Während diese Werke ihre stilistischen Wurzeln in der Prager Kunst der 60er Jahre finden, zeigt die Ausstattung der Frankfurter Marienkirche ein weniger einheitliches Bild. Die Stadt an der Oder gehörte zu den zentralen Orten kaiserlicher Politik in der Mark. Hier zwang Karl IV. 1373 den Wittelsbacher Markgrafen zur Übergabe der Landesherrschaft. Das äußere Zeichen dieses Regierungswechsels markiert der Neubau des Nordportals der Marienkirche mit seinen markanten Wappendarstellungen. (Ergänzend sei auf den Artikel von Jan Raue verwiesen, der die »Böhmische und böhmisch beeinflusste Wandmalerei« in der mit dem Portal verbundenen Vorhalle zusammen mit dem Zyklus der Gewölbemalereien in der Marienkirche von Herzberg/Elster vorstellt). Fajt kann die Anlage jedoch überzeugend als Umbau eines älteren Vorgängers erklären. Das wohl aus unterschiedlichen Zusammenhängen stam­mende Skulpturenprogramm lässt sich stilistisch von der Hofkunst Kaiser Ludwigs IV. des Bayern ableiten, so dass zumindest in Frankfurt der Wittelsbacher Otto als Stifter wahrscheinlich gemacht werden kann. Der historische Kontext der berühmten Glasfenster dagegen bleibt unklar. Von der Forschung üblicherweise in Zusammenhang mit der Weihe des Kreuzaltars 1367 in das Ende der sechziger Jahre datiert, macht Fajt stilistische und ikonografische Aspekte geltend, die für eine etwas spätere Datierung in den siebziger Jahren und damit in die Zeit des Regierungswechsels sprechen würden. Trotz der zentralen Stellung der Stadt stellt sich allerdings die Frage, ob man in Frankfurt den Stil der Malereien, der sich deutlich an der höfischen Prager Kunst der Generation vor Meister Theoderich orientiert, noch so dezidiert als kaiserlich verstanden hat, dass ein derartiger Auftrag unter den Wittelsbachern nicht vergeben worden wäre. Fajts historisch bedingte Stilkritik erfordert eine Umdatierung, die hier auch angesichts des ikonographisch ungewöhnlichen Antichristzyklus überlegenswert bleibt. Ob die auch sonst gehäuft auftretenden Neudatierungen je­doch alle berechtigt sind, oder hier nicht erst die Grundlage für die Hauptthese ge­schaffen wird, bleibt fraglich. Der Artikel bietet viele Anregungen für ein erneutes Durchdenken von Stilbegriffen und der Entstehung einer Formenvielfalt, die ohne eine kaiserliche Kunstpolitik sicherlich kaum denkbar ist. Verglichen mit Böhmen war Brandenburg jedoch Provinz, wie sich eindrücklich an dem zeitlich versetzten Auftreten der Stillagen ablesen lässt. Es muss als deutliches Manko angesprochen werden, dass keiner der anderen Autoren dieses Kapitels Fajts Thesen aufgreift. Eine Diskussionsgrundlage würde sich allein schon aus dem kurzen Beitrag von Eva Fitz über die »Glasmalereien aus der Marienkirche« ergeben. So lassen sich an einigen nur noch als Graphitabreibungen überlieferten Ritzzeichnungen einer inschriftlich 1371 datierten Kirchenglocke Kompositionsschemata nachweisen, die auch bei den Glasmalereien zur Anwendung kamen – die Glasmaler müssten damals also bereits tätig gewesen sein.

Infolge des Todes von Karl IV. 1378 wächst die Bedeutung regionaler Mächte, insbesondere der Bischofssitze, wie sich in Havelberg etwa an der durch die Wilsnacker Wallfahrt finanzierten Lettnerverkleidung ablesen lässt. Sie stammt von einer Bildhauerwerkstatt, die, wohl vermittelt durch den Kontakt der Bischöfe, auch im Dom von Brandenburg tätig war. Die stilistischen Wurzeln sind hier bereits nicht mehr eindeutig benennbar. Bezüge zum Erfurter Severi-Meister wie zur Portalplastik der Prager Teynkirche werden angeführt, ein deutliches Zeichen für die zunehmende Verbreitung des »Schönen Stils«, so zeithistorisch dieser Begriff auch immer behaftet sein mag. Das Ende dieser Epoche wird konsequenterweise von einer Werkgruppe beschlossen, mit der Maria Deiters die »Bedeutung Magdeburgs als Kunstzentrum im frühen 15. Jahrhundert« vorstellt. Ausgehend von dem hoch bedeutenden, leider nur noch in Resten erhaltenen Retabel der Jüterboger St. Nikolai-Kirche wird ein umfangreicher Bestand von damit zusammenhängenden Werken in der Mark und der Niederlausitz vorgestellt. Neben böhmischen Voraussetzungen lassen sich hier auch deutliche Bezüge zur niedersächsischen und norddeutschen Skulptur des frühen 15. Jahrhunderts nachweisen. Eine völlig eigenständige Entwicklung zeigt sich dagegen bei der Konstruktion der Retabelgehäuse, die durchweg breite auf die Rahmenzargen aufgedübelte Spiegel mit z. T. aufwendiger Verzierung tragen. Die hohe handwerkliche Qualität wird durch die »Kunsttechnologischen Beobachtungen am Jüterborger Retabel« bestätigt, mit denen Werner Ziems der Werkgruppe weitere Arbeiten zuordnen kann. Hier vermisst man allerdings eine Abbildung des 1999 rekons­truierten Gesamtaufbaus in Jüterbog. Bei aller wissenschaftlichen Genauigkeit bietet die Stahlkonstruktion des Gehäuses doch einen mehr als ernüchternden Anblick (ähnlich wie auch beim Retabel der Prenzlauer Marienkirche) und gerade von denkmalpflegerischer Seite wäre hier eine erneute Diskussion über das weitere Vorgehen bei ähnlichen Projekten angebracht.
Mit dem Ende dieser Epoche lässt sich die Mark Brandenburg nicht mehr als einheitliche Kunstlandschaft beschreiben. Dementsprechend sind die beiden folgenden Kapitel historisch herausragenden Einzelstiftungen und Spezialforschungen gewidmet. Monika Böning stellt eine »Glasmalereistiftung in der Johanniskirche zu Werben« vor, die heraldisch als Auftrag Kurfürst Friedrichs II. ausgewiesen und in­schriftlich 1467 datiert ist. Als Rahmung der Wappen dient die Darstellung einer Kette mit dem Schwanenorden, Kennzeichen der Gesellschaft Unserer Lieben Frau, die der Kurfürst bereits 1440 gegründet hatte. Böning interpretiert die Stiftung deswegen primär mariologisch und verbindet die Wappen mit zwei weiteren Scheiben, die Darstellungen des Marientodes und der -krönung zeigen. In der heutigen Montage sind die Scheiben jedoch voneinander getrennt und die Marienszenen inschriftlich allein auf dasselbe Jahr datiert. Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, ob die Auswahl der Szenen aber durch die religiöse Orientierung der Bruderschaft motiviert wurde, bleibt fraglich. Innerhalb der Wappendarstellung nimmt der Orden, der in der Abbildung nur stark vergrößert zur Geltung kommen kann, keine hervorgehobene Stellung ein und die Szenen gehören zum gängigen Repertoire des Marienlebens. Auch muss die in dieser Zeit noch eher ungewöhnliche Form der trinitarischen Krönung nicht zwangsläufig auf das Baseler Konzil zurückgeführt werden. In Werben wurde bereits 1422 ein der »Heiligen Dreifaltigkeit« geweihter Altar gestiftet, das Thema war vor Ort also durchaus präsent. Auffallend ist hier wiederum die konservative Stilhaltung, die ihre Wurzeln bereits im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts findet. Peter Knüvener weist in einem weiteren Artikel (»Von einer einheimischen stadtbranden-burgischen Kunst«) im nächsten Kapitel enge Bezüge zu einer in Brandenburg tätigen Malerwerkstatt nach, in deren engerem Umkreis die Werbener Glasmalereien ent­standen sein dürften. Derselbe konservative Stil findet sich auch an den Skulpturen der Retabel, was umso auffälliger ist, als von der Werkstatt (oder den mit ihr kooperierenden Bildschnitzern) in gleichem Maße niederländische Tonfiguren als Vorlagen kopiert wurden. Gemessen an der vorher besprochenen Epoche ließe sich diese höchst eigenwillige Stilmischung nur als Zeichen einer ungewohnten Provinzialität erklären. Dem steht auf der anderen Seite die außergewöhnlich anspruchsvolle Aus­malung der »ehemaligen Bibliothek des Domklosters in Brandenburg« gegenüber. Die von Birgit Malter durchgeführte Restaurierung der in großen Teilen zerstörten Wandmalereien führte zu einem mit Fug und Recht als spektakulär zu bezeichnenden Ergebnis. In den 1460er Jahren beschrieb der Nürnberger Humanist Hartmann Schedel die künstlerische Ausstattung einer Brandenburger Bibliothek, die man auf dem im 18. Jahrhundert zerstörten Stift auf dem Harlunger Berg vermutet hat. Anhand der in großen Teilen erhaltenen Inschriften kann sie jetzt jedoch mit der Dombibliothek identifiziert werden. Das mit den Darstellungen von Trivium und Quadrivium, der Handwerkskünste, Theologie und Medizin hochgelehrte Programm lässt sich auf den zwischen 1422-59 amtierenden Bischof Stephan Bodecker zurückführen. Aber auch unabhängig von ihrem Inhalt zeigen die Malereireste eine hohe Qualität. Auch hier lassen sich Querverbindungen zu der von Knüvener vorgestellten Werkstatt nach­weisen, die vielleicht mit dem Auftrag für die Dombibliothek ihre Tätigkeit am Ort aufgenommen haben könnte. Die Wandmalereien müssen aufgrund von Schedels Beschreibung vor 1456-62 entstanden sein. Eine künstlerische Entwicklung lässt sich auch an den späteren der von Knüvener vorgestellten Werken nicht mehr feststellen, eher der Hang zu einer, man könnte fast sagen, gewissen Bequemlichkeit, wie das Kopieren der niederländischen Figuren zeigt.
Die beiden letzten Beiträge dieses Kapitels widmen sich zwei der prächtigsten Altarstiftungen, die im ausgehenden Mittelalter in der Mark in Auftrag gegeben wurden. Bei dem von Agnieszka Gasior behandelten »Hochaltarretabel der St. Marienkirche in Frankfurt«, das sich heute in der Gertraudenkirche befindet, handelte es sich ursprünglich um ein mit Standflügeln versehenes Pentaptychon, das auf seinen Flü­geln einen von innen nach außen verlaufenden Zyklus von Malereien der Kindheitsgeschichte und Passion Christi zeigt. Der plastische Anteil ist allein auf den Schrein beschränkt und offenbart damit eine ausgesprochen hohe Wertschätzung von Male­rei. Das durch eine überlieferte Inschrift 1489 datierte Retabel zeigt deutliche Züge einer Nürnberger Entstehung, wobei die Flügel aber wohl im Umkreis des in Breslau tätigen Meisters von 1486 angefertigt wurden. Umstritten bleibt die Frage nach dem Stifter. Die Darstellung der Bistumspatrone im Schrein könnte auf einen bischöflichen Auftrag deuten, andererseits betont Gasior mit Recht die fränkische Herkunft der Bildwerke, die im Stammland der Hohenzollern angefertigt wurden. Wenig überzeu­gend wirkt dagegen der Verweis auf die von den Kurfürsten geplante Universitätsgründung, mit der die Autorin das auf eine Thronbank reduzierte Interieur der Verkündigungsszene erklären will. Überlegenswert bleibt jedoch die ungewöhnliche, an einen Kurhut erinnernde Kopfbedeckung der Heiligen Elisabeth, der Herzogin von Schlesien, mit der vielleicht auf den kurfürstlichen Herrschaftsanspruch auf dieses Gebiet angespielt werden soll. Möglicherweise erklärt sich das seltsame Fehlen eines deutlicheren Hinweises auf den Stifter durch den Verlust der Standflügel, auf denen ein Wappen oder eine Inschrift den heute nur schwer zu deutenden Auftraggeber ausgezeichnet haben könnten.
An dem inschriftlich 1514 datierten Hochaltarretabel der Mittenwalder Stadtkirche dagegen befinden sich die Wappen der kurfürstlichen Stifter unübersehbar im Schrein. Das von Matthias Müller unter den Gesichtspunkten von »Ordenslehre und Fürstenmemoria« interpretierte Werk dürfte ursprünglich aus der Berliner Dominikanerkirche stammen und wohl von einer vor Ort tätigen Werkstatt angefertigt worden sein. Im Zentrum steht die Kreuzabnahme Christi, ein sekundär wiederverwendetes Relief Antwerpener Provenienz, umgeben von repräsentativen Heiligendarstellungen in Schrein und Flügeln. Der geschlossene Zustand des Triptychons zeigt eine gemalte, von weiteren Heiligen flankierte Verkündigung an Maria, die auf Kenntnisse italienischer Vorbilder schließen lässt, was Müller mit den verwandtschaftlichen Beziehungen der Kurfürsten erklärt. Das Programm ist verständlicherweise stark dominikanisch geprägt, bietet aber abgesehen von der Wiederverwendung des Beweinungsreliefs und der von Putten getragenen Wappenfolge nichts Ungewöhnliches. Mit Rückgriff auf Thomas von Aquin und Heinrich Seuse entwirft Müller hingegen ein komplexes Gefüge von Sinnebenen, bei dem »ganz bewusst die stilistischen Differenzen benutzt [wurden], um sie in den Dienst einer medialen Inszenierung der semantischen Aussage des Altarretabels« zu stellen. Als Beleg werden Andrea Mantegna und Giotto angeführt und dementsprechend die ornamentale Flügelrahmung als »italianisierendes Rankenwerk« beschrieben. Angesichts dieses an mitteldeutschen Retabeln weit verbreiteten Motivs wird die Berechtigung des Forschungskolloquiums mehr als deutlich. Sicherlich sind gerade in der Malerei des Mit-tenwalder Retabels italienische Bezüge nicht zu übersehen, aber eine etwas mehr am regionalen Denkmälerbestand orientierte Sichtweise wäre hier doch wünschenswert. Die Ikonographie des Retabels dürfte sich primär als Erweiterung eines etwas älteren Vorgängers erklären lassen. Das Antwerpener Relief stammt, anders als Müller anführt, nicht aus einem Kreuzigungsretabel ähnlich demjenigen des Brüsseler Bildschnitzers Jan (nicht »Jost«!) Bormann in Güstrow, sondern bildete ursprünglich das Zentrum eines kleinen Andachtsretabels, wie die heute noch beidseits an der Rah­mung erkennbaren Abdrücke der Scharnierbeschläge beweisen. Vielleicht gehörte das Retabel noch zu den aus Dänemark stammenden Besitztümern Elisabeths von Brandenburg. Deren Mutter stiftete gleichzeitig in Odense eines der größten und ikonographisch komplexesten Retabel des Nordens. Hierin kann man vielleicht die Motivation für das aufwendige Programm in Mittenwalde suchen, kaum jedoch in Italien.
Auch das folgende Kapitel, das mehr an formalen Aspekten einzelner Werke ausgerichtet ist, wird von einem weit ausgreifenden Artikel eingeleitet, in dem Tobias Kunz eine »Steinfigur des Dominikus in der Neuruppiner Klosterkirche« behandelt. Die eigenwillige Standfigur mit dem auffallend lebendig wirkenden Gesicht steht in ihrer Zeit ziemlich isoliert und wird bezeichnenderweise meistens als Portrait des ersten Klosterpriors Wichmann von Arnstein bezeichnet. Kunz deutet die Figur dagegen überzeugend als eine Darstellung des Heiligen Dominikus. Hier macht es Sinn den Darstellungstyp bis zu seinen Wurzeln nach Italien zu verfolgen. Unklar bleibt der Aufstellungsort und damit die ursprüngliche Funktion der Figur. Mit den von Kunz angeführten Beispielen ließe sich die Figur überzeugend als ein im Klausurbereich aufgestelltes Werk mit vorbildhafter Funktion interpretieren, das den dort versammelten Mönchen den Heiligen als menschliches »Idealbild in einer alltäglichen Situation« zeigen würde. Als problematisch erweist sich jedoch eine heute leere Aushöhlung auf der Brust der Figur. Sie befindet sich an der Stelle der Mantelschließe, könnte aber auch ursprünglich als Sepulchrum gedient haben. In diesem Fall müsste es sich bei der Figur um den Bestandteil eines Altars gehandelt haben, dessen Aufbau man angesichts der von Kunz plausibel vertretenen Datierung um 1370 gerne kennen würde.
Funktionsgeschichtliche Aspekte verfolgt auch der Artikel von Benjamin Sommer über den 1471 datierten »Stendaler Marienaltar«. Das gewaltige Pentaptychon ist formgeschichtlich aus mehreren Gründen einzigartig. Der geöffnete Zustand zeigt einen plastischen Zyklus der Kindheitsgeschichte Christi bis zur Taufe, der um eine zentrale Szene von Marientod und -krönung angeordnet ist. Die Innenflügel tragen auch im geschlossenen Zustand plastische Darstellungen, Kreuzigung und Jüngstes Gericht, die auf den flankierenden Flügeln von weiteren, hier jedoch gemalten Passionsszenen ergänzt werden. Die mit den plastischen Darstellungen in der ersten Wandlung auffallend repräsentative Gestaltung, für die sich nur sehr wenige, in der Hauptsache schwedische Vergleichsbeispiele anführen ließen, zeigt mit dem Jüngsten Gericht eine deutliche Unterbrechung des Passionszyklus. Lässt sich die direkte Gegenüberstellung mit der Kreuzigung noch überzeugend als eschatologischer Kom­mentar aus dem Johannesevangelium ableiten, so zeigt Sommers Vergleich mit städtischen Eid-Reliquiaren und Schwurblöcken zwar eine ikonografische Parallele, daraus aber dem Retabel eine Funktion bei der Ratswahl zuzusprechen, wirkt angesichts fehlender Vergleichsbeispiele doch sehr spekulativ.
Das Kapitel wird von kurzen Studien abgeschlossen, die zwar die Breite des erhaltenen Denkmälerbestandes offenbaren, aber kaum eine Anbindung an das eigentliche Thema zeigen. Interessant ist hier vielmehr die höchst unterschiedliche Arbeitsweise der Fachdisziplinen. Lothar Lambachers Bericht über den »Pritzwalker Silberfund« verfolgt die Forschungsgeschichte bis hin zur Auflistung von Nummern einzelner Sammlungsvitrinen; drei weitere Aufsätze beschäftigen sich mit den nur spärlich erhaltenen Berliner Werken des späten Mittelalters (Daniela Franz zum »spätgotischen Triumphkreuz des Märkischen Museums«, Jenny Hüttenrauch zur »Konsolskulptur der Berliner Heilig-Geist-Kapelle« und Birgit Neumann-Dietzsch zu »Zwei Wandmalereien des späten Mittelalters«) unter starker Berücksichtigung restauratorischer Befunde; und das von Detlef Witt vorgestellte »Sippenrelief des Hamburgers Helmeke Horneborstel« in Werben öffnet den notwendigen Blick nach Norden. Auch wenn Horneborstel als Maler nicht der Urheber des Schnitzwerkes gewesen sein kann, zeigt das Beispiel doch die in den grenznahen Regionen enge Vermischung der Kunsttraditionen.
Als Ausblick wird das gewichtige Buch von zwei Artikeln beschlossen, die eine Erklärung für die in vielen Fällen gute Erhaltung mittelalterlicher Werke bieten. Christa-Maria Jeitners Überblick zu den »liturgischen Textilien in der Mark Brandenburg« erlaubt einen interessanten Einblick in die nachreformatorische Weiterverwendung von Paramenten. Mechthild Modersohn erklärt die hohe Anzahl mittelalterlicher »Marienaltäre in Dorfkirchen der Altmark« mit einem Toleranzdenken, das sich deutlich an den vielfachen Renovierungen der Retabel abzeichnet.
Trotz der kritischen Anmerkungen bleibt als Fazit festzuhalten: ein lesenswertes Buch über einen zu Unrecht in großen Teilen eher unbekannten Denkmälerbestand und, mit all seinen Stärken und Schwächen, ein Lehrstück moderner Kunstwissenschaft.

Jan Friedrich Richter, in: Journal für Kunstgeschichte, Jg. 13, Heft 3 (2009)

 

 

Der im Deutschen Reich seit dem frühen Mittelalter gewachsene christliche Kulturkreis expandierte nachhaltig erst im 12. Jahrhundert und damit relativ spät ins Gebiet des heutigen Brandenburg. Daraus folgt keineswegs, dass die Mark kulturhistorisch abgehängt und aus Mangel an Tradition aufs Kopieren beschränkt blieb. Vielmehr partizipierte die kulturelle Entwicklung des Landes von den dynamischen und innovativen Aufbauphasen. Schlesische, böhmische und norddeutsche Einflüsse verschmolzen in der Mark zu einer Melange, die Brandenburg zu einer eigenständigen Kulturlandschaft machten.
Davon aber hat die kulturhistorische Forschung bisher kaum Kenntnis genommen. Brandenburg blieb in den Grundlagenwerken zur nord- und mitteldeutschen Kunst nahezu unerwähnt. Besonders vernachlässigt wurde die mittelalterliche Kunst in der Mark. Bisher. Denn nun haben Ernst Badstübner, Peter Knüvener, Adam Labuda und Dirk Schumann einen Sammelband vorgelegt, der die »Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg« – so der Titel – detailliert beleuchtet. Das reich bebilderte, mehr als 500 Seiten starke Buch konzentriert sich auf sakrale Kunst und liefert dazu die derzeit kompetenteste Darstellung. In ihr sind die Ergebnisse einer Tagung zusammengefasst, die von der Humboldt-Universität Berlin und der Stiftung Stadtmuseum Berlin vor drei Jahren initiiert wurde, um die Lücken in der kunsthistorischen Erforschung der Mark zu schließen.
Dieses Land, das sich von der Alt- bis in die Neumark jenseits der Oder erstreckte und das zu großen Teilen unter dem Einfluss markexterner Bistümer (Halberstadt, Kammin und Verden) stand, stellte zunächst keine einheitliche Kulturlandschaft dar. Der Sammelband, der sich nicht in der Analyse von Einzelwerken erschöpft, zeichnet nun die Entstehung einer eigenen bildkünstlerischen Identität Brandenburgs nach. Deren Anfänge weisen, wie die wenigen erhaltenen Zeugnisse der Zeit vor 1300 belegen, nach Magdeburg, Niedersachsen, Westfalen und ins Rheinland. Dazu kommen zum Ende des 14. Jahrhunderts dank der intensiven Kulturpolitik Kaiser Karls IV. böhmische Einflüsse, die bereits auf jene Blüte hinweisen, die die märkische Kunst im Spätmittelalter erreicht. Von ihr zeugen die erst kürzlich wieder entdeckten Wandmalereien in der Brandenburger Domkirche oder das Hochaltarretabel der Frankfurter Marienkirche.
Dass Brandenburg zu einer eigenständigen Kunst fand, ist am besten an den Sakralbauten in Brandenburg/Havel, Wilsnack oder Werben zu beobachten, mit denen das Wirken eigener brandenburgischer Werkstätten belegt werden kann.

Das heißt nicht, dass damit im Land äußere Einflüsse nicht zur Kenntnis genommen wurden. Im Gegenteil lässt das künstlerische Schaffen im 15. Jahrhundert auf ein sehr offenes, innovatives Klima schließen. So haben wahrscheinlich Künstler aus Thüringen das Hochaltarretabel in der Stendaler Marienkirche angefertigt. Mit den Hohenzollern, die 1411 die Mark übernahmen, kamen auch fränkische Einflüsse ins Land, deren Wirkung allerdings auch mit dem aktuellen Sammelband umstritten bleibt. Sie sind beim Frankfurter Retabel, für das es in Nürnberg zahlreiche Vergleiche gibt, oder einigen zum Brandenburger Domschatz gehörender Stickereien erkennbar. In diesen Arbeiten ist aber auch die Rezeption niederländerischer Formensprache zu beobachten.
Wichtig für Brandenburg waren nach 1500 die sächsischen Vorbilder. So schuf eine Berliner Werkstatt, die Künstler aus Kulturzentren Sachsens rekrutierte, an Cranach angelehnte Hochaltarretabeln für Bernau und Mittenwalde. Direkt aus der Werkstatt Lukas Cranachs d.Ä. importiert wurde wahrscheinlich die brillante Gardelegener Tafel der Heiligen Veronika mit einem Christus-Gesicht als Holzrelief.

Diese Bezüge und die Leistungen der brandenburgischen Kultur erklärt der Sammelband nicht allein an den ohnehin bekannten Leuchttürmen der hiesigen Kultur. Es gehört zu den Verdiensten dieses Buches, die Meisterschaft auch bisher weniger beachteter Arbeiten öffentlich gemacht zu haben, von denen eine erstaunlich große Zahl die Reformation überstanden hatte.
Uwe Stiehler, in: Brandenburger Blätter, 19. Dezember 2008.

 

 

Der rund 520 Seiten starke Band ist die publizistische Frucht eines Kolloquiums. Um die fächer- und gattungsübergreifende Vernetzung ihrer wissenschaftlichen Aktivitäten zu befördern, trafen sich im Juni 2005 Protagonisten der Mittelalterforschung, darunter Nestoren wie auch engagierte Nachwuchswissenschaftler, zu einer Tagung in Berlin. Sie fand unter fast demselben Titel statt, den auch das Buch trägt, welches nun 26 der 30 gehaltenen Referate in Aufsatzform enthält. Die Initiative zu dieser Tagung ging vom Lehrstuhl für Osteuropäische Kunstgeschichte am Kunstgeschichtlichen Seminar der Humboldt-Universität Berlin aus sowie von der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Deren Leiter und Mitarbeiter planten und organisierten die ambitionierte Unternehmung, und in ihren Händen lag im Wesentlichen auch die Edition des Bandes.
Mit der umfänglichen Aufsatzsammlung (29 an der Zahl) liegt eine eindrucksvolle (Zwischen-) Bilanz über die Forschungen zur mittelalterlichen Kunstgeschichte der Mark Brandenburg vor. Wie es im Vorwort steht, traten die Referenten, Autoren und Herausgeber gegen das immer noch bestehende Klischee an, Brandenburg sei, gerade was das Mittelalter betrifft, eine eher unterentwickelte Kultur- und Kunstlandschaft gewesen, ein »Kolonialland« in Randlage, wofür das geflügelte Wort von »des Reiches Streusandbüchse« oft genug zitiert wurde und in diesem Sinne auch heute noch in der Öffentlichkeit präsent ist. Dagegen wird im Band generell wie pointiert argumentiert, indem z. B. auf den überraschend großen Fundus an mittelalterlicher Kunst, der sich in der Mark erhalten hat (die Bestände auch in Museen und Depots eingeschlossen), verwiesen wird. Alternativ wird als Ausgangs- und Endthese das historische »Gesamtbild« von einer Region entworfen und postuliert, die zwar relativ spät, das heißt etwa Mitte des 12. Jahrhunderts, eine hochfeudale Infrastruktur erhielt und damit ihre festen christlich-religiösen und kulturellen Grundlagen, aber im Verlauf des 13. Jahrhunderts zum dicht besiedelten Kerngebiet eines der machtvollsten Fürstentümer des Reiches mutierte und im Zuge dieser sich dynamisch vollziehenden Entwicklungsprozesse zu einer eigenständigen, reichen und differenzierten Kunstlandschaft wurde. Als solche war die Mark bzw. die Markgrafschaft Brandenburg für vielerlei äußere Einflüsse und Impulse offen, aufnahmebereit und -fähig, die dann von dort auch in andere Regionen weiter vermittelt wurden. Dazu bildeten sich im Land eine Reihe von Zentren heraus, in denen dieses Aufnehmen künstlerischer Neuerungen, deren Aneignung, regionalspezifische Umsetzung und Weitergabe auf produktive und virtuose Weise vonstattenging.
In der Definition und Charakterisierung Brandenburgs als einer mittelalterlichen Kultur- und Kunstlandschaft besteht ein Hauptanliegen dieser Publikation. Dementsprechend wird hier der ›Kunstlandschaft‹ als wissenschaftlicher Kategorie und methodischem Ansatz eine zentrale Bedeutung zugemessen und breiter Raum gegeben. Sie ist quasi die übergreifende Klammer und das integrierend wirkende Element, das die einzelnen Beiträge des Bandes miteinander verbindet, auf das zudem viele Interpretationen, Argumente und Bewertungen fixiert sind, die dadurch an Prägnanz und Evidenz gewinnen. So widmet sich etwa Winfried Schichs einleitender Beitrag der Landesherrschaft im Zusammenhang mit der »Entwicklung der Kulturlandschaft im Bereich der Mark Brandenburg«, wobei der Autor eingangs dezidiert auf den Begriff 'Kulturlandschaft' eingeht und ihn erläutert. Auch der sich anschließende Aufsatz folgt ähnlichen Prämissen, indem sein Verfasser, Ernst Badstübner, ihn als Versuch bezeichnet, »die Mark Brandenburg als kunstgeographischen Raum im Mittelalter zu beschreiben […]«, wobei er (nach Reiner Hausherr und Erwin Panofsky), die »Kunstlandschaft« als ein »raum-zeitliches Bezugssystem« verstanden wissen will, bei dem die Begrenzungen von Raum und Zeit nicht statisch, sondern Wandlungen unterworfen und damit fließend sind. Gleichermaßen mit Bedacht, dabei Territorial- und Zeitgrenzen als relativierende Faktoren anführend, argumentiert Peter Knüvener bei seinem zwar als »überblickhafte Einführung« deklarierten, aber partiell doch in analytische Tiefen gehenden Beitrag zu den Bildkünsten. Für ihn steht außer Frage, dass die Mark Brandenburg »eine sehr reiche und vielfältige Kunstlandschaft« ist mit einer Blütezeit im Spätmittelalter.

Im vierten »Übersichts-Beitrag« konstatiert Dirk Schumann für das letzte Drittel des 13. Jahrhunderts und für das frühe 14. Jahrhundert ein hohes handwerklich-technisches Niveau bei der seriellen Fertigung von bauplastischem Dekor aus gebranntem Ton, verbunden mit einer großen Variationsbreite, die materialspezifische Gestaltungsmerkmale aufweist. Dieser sowohl schlichte als auch artifizielle Schmuck ist wiederum ein Charakteristikum für bedeutende märkische Backsteinbauten der Früh- und Hochgotik, die eine »Architekturfamilie« bilden und Exponenten einer autonomen »Architekturlandschaft« sind. Stifter, Träger und Förderer dieser Bauten mit dem exklusiven Terrakotta-Dekor (fast ausschließlich Kirchengebäude) sind, so der ausdrückliche Hinweis Schumanns, Angehörige eines Zweigs des brandenburgischen Markgrafen-Geschlechts der Askanier gewesen. Der Autor schlussfolgert daraus, dass »die reich gestaltete Backsteinarchitektur auch als Medium politischer Ansprüche angesehen wurde, denn sie gaben vor allem der in den norddeutschen Raum gerichteten askanischen Politik ein architektonisches Gesicht«. Diese Aussage ist symptomatisch für fast alle Beiträge des Bandes, gehen doch die Erläuterungen, Analysen und Interpretationen der kunstgeschichtlichen Entwicklungsphasen, Stilphänomene, Einzelwerke, Werkgruppen von der Prämisse aus, dass diese im kausalen Zusammenhang stehen mit der Machtpolitik der Landesherrn und des hohen Klerus. Repräsentanten der über die Mark Brandenburg herrschenden Dynastien (der Askanier, Wittelsbacher, Luxemburger und schließlich, seit 1415, der fränkischen Hohenzollern), ihre nächsten Anverwandten und ranghöchsten Verbündeten haben demnach über das ganze Mittelalter hinweg auf die Künste stimulierend und prägend eingewirkt, indem sie diese für ihre Pläne und Absichten in Anspruch und in den Dienst nahmen. Jiří Fait etwa führt dies umfassend aus in seinem profunden Aufsatz über die Architektur und bildenden Künste in der Markgrafschaft Brandenburg unter luxemburgisch-böhmischer Regentschaft. Dessen Untertitel lautet bezeichnenderweise »Kunst als Herrschaftsinstrument«. Gegen Ende seiner Ausführungen, bei denen selbstverständlich die Hofkunst Kaiser Karls IV. ein zentrales Thema ist, hebt Fait resümierend und verallgemeinernd hervor: »Mittelalterliche Kunst ist also am besten verständlich aus ihrer engen Verbindung mit dynastisch-politischen Strukturen«. Die diesem klaren Votum zugrunde liegenden methodischen Herangehensweisen, Deutungs- und Erklärungsmuster sind auch von anderen Autoren des Bandes erfolgreich angewandt worden, können sie doch mit etlichen neuen Erkenntnissen aufwarten. Hinzu kommen interessante, ausbaufähige Hypothesen und Fragestellungen, welche die künftige Forschung voranbringen sollten.
Die betreffenden Gegenstände sind prominente, aber auch neu- bzw. wiederentdeckte Werke der Tafel-, Buch- und Wandmalerei sowie bemerkenswerte plastische Schöpfungen unterschiedlichsten Materials, dazu Raritäten der Textil- und Schatzkunst. Diesbezüglich wird der Band selbst für Leser und Betrachter, die mit dem Kunstbestand der Mark Brandenburg gut vertraut sind, manche Überraschung und anregende Perspektive bieten können, indem dessen Inhalt dazu angetan ist, deren Sicht auf wohlbekannte Bau- und Kunstdenkmale noch zu erweitern und zu schärfen und ihre Aufmerksamkeit auf bisher wissenschaftlich kaum bearbeitete und publizistisch unzureichend gewürdigte künstlerische Zeugnisse zu lenken. Letzteres ist nicht verwunderlich, denn besonders die spätmittelalterliche Plastik, Tafel- und Wandmalerei in der Mark mit ihren komplexen Bezügen zu benachbarten Kunstlandschaften war bis vor rund zwei Jahrzehnten noch wenig erforscht. Hier gab und gibt es noch viele Lücken und Defizite. Um in diesem Bereich den Erkenntnisstand und die Informationslage deutlich zu heben bzw. zu verbessern, dazu tragen etliche Aufsätze dieser Edition wirksam bei.
Im Folgenden können die meisten der Beiträge aber nur summarisch vorgestellt werden. Die Reihe der monografisch angelegten Aufsätze beginnt mit dem von Beate Braun-Niehr über das Brandenburgische Evangelistar, einem kostbaren, mit erlesenen Miniaturen ausgestatteten Werk, das wahrscheinlich um 1200 in einer Magdeburger Werkstatt entstand. Von den Beziehungen zu Magdeburg als führendem Kultur- und Kunstzentrum zeugen auch die spätromanischen Kapitellplastiken in der Krypta des Doms zu Brandenburg/Havel, mit denen sich Christina Müther auseinandersetzt. Zofia Krzymuska-Fafius stellt Überlegungen an über das ikonografisch komplizierte und z. T. bis heute rätselhaft gebliebene Terrakotta-Relief im Chorraum der Pfarrkirche Arnswalde (Choszczno, datiert 1. Hälfte bzw. Mitte 14. Jahrhundert). Gleichfalls ein singuläres bauplastisches Ensemble nimmt Mara Maroske in den Blick, indem sie sich mit dem aufwändigen keramischen Figurenschmuck an den Westportalen der Maria-Magdalenen-Kirche zu Eberswalde beschäftigt. Einzigartig innerhalb des Fundus erhaltener Bildwerke der Hochgotik im märkischen Raum dürfte auch die Dreikönigsgruppe aus der Marienkirche in Stendal sein, höchst qualitätvolle Holzskulpturen eines frühen Altarretabels, die von Annett Alvers untersucht worden sind. Gegenstand des Beitrags von Eva Fitz ist ein Werk, dem vor nicht allzu langer Zeit große mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde, denn es handelt sich um den Glasmalerei-Zyklus in den Chorhauptfenstern der Marienkirche von Frankfurt/Oder, der schon wegen seines ikonografischen Programms eine kunstgeschichtliche Sonderstellung einnimmt. Als ein weiterer Autor des Bandes referiert Jan Raue über die böhmische und böhmisch beeinflusste Wandmalerei und stellt dabei zwei exemplarische Werke dieses Genres in den Mittelpunkt, die sich in den Marienkirchen Frankfurt/Oder und Herzbergs/Elster befinden. »Kunsttechnologische Beobachtungen«, die er als Restaurator bei einem schönen Retabel in Jüterbog aus dem 2. Viertel des 15. Jahrhunderts anstellte, sind Inhalt des Aufsatzes von Werner Ziems. Auch als Exempel einer machtpolitisch intendierten fürstlichen Auftragskunst stellt Monika Böning die 1467 gestifteten Glasmalereien in der Johanniskirche zu Werben vor. Die Restauratorin Birgit Malter beleuchtet Fragmente von Malereien, die erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt worden sind. Sie gehören zu einer Ausmalung, die einst den Bibliotheksraum des Brandenburger Domklosters schmückte, deren Bildmotive und Inschriften einer gelehrt-humanistischen Quellenschrift aus den 1460er Jahren zugeordnet werden konnten. Die Frage, ob es sich bei dem monumentalen Retabel in der Frankfurter Gertrudenkirche, das seinen ursprünglichen Platz im hohen Chor der dortigen Marienkirche hatte, um eine Stiftung des Landesherrn handelt, steht im Zentrum der Reflexionen von Agnieszka Gąsior über dieses herausragende Zeugnis der Kunst des späten 15. Jahrhunderts. Ein prachtvolles Altarwerk analysiert Matthias Müller in seiner Abhandlung über das Retabel, welches sich in der Moritzkirche von Mittenwalde befindet (1514 inschriftlich datiert). Der Autor stellt bezüglich der Bildform und des Bildkonzepts Bezüge her, die bis zur Hochkunst der italienischen Renaissance reichen, was sich unter anderem dadurch erklärt, dass dieses Retabel wohl einst zur Ausstattung der Kirche des (Berlin-)Cöllner Dominikanerklosters gehörte und besagtes Kloster in den Residenzkomplex der Hohenzollern-Dynastie einbezogen war. Tobias Kunz hat sich mit einer bekannten gotischen Sandsteinfigur in der ehemaligen Dominikanerkirche von Neuruppin auseinandergesetzt, die als sogenannter »Bruder Wichmann« auch eine gewisse Popularität erlangte, nicht zuletzt dank Theodor Fontane. Kunz findet überzeugende Argumente dafür, dass diese Skulptur den Heiligen Dominikus darstellt und ihre Entstehungszeit erheblich später anzusetzen sei, als dies bisher angenommen wurde (um 1360/70 statt um 1300 oder sogar noch früher). Funktionsgeschichtliche Aspekte im Kontext der Kommunalverfassung sowie den Praktiken und Zeremonien des Stadtrates thematisiert Benjamin Sommer bei seiner Vorstellung des 1471 vollendeten Hauptaltars in der Stendaler Marienkirche. Lothar Lambachers Aufsatz unterbricht die Folge von Präsentationen »großformatiger« Bildwerke, da er sich über Schmuck aus Schatzfunden in der Mark Brandenburg äußert und hierbei dezidiert auf den sogenannten Pritzwalker Silberfund eingeht, der etliche preziöse Stücke enthält. Detlef Witt setzt mit seinem Text die Beiträge zur spätgotischen Holz- und Hausteinplastik fort durch eine vergleichende Studie zum »Sippenrelief« des Hamburger Künstlers Helmeke Hornebostel in der Johanniskirche zu Werben (1512/13), bei dem sich Gestaltungsmuster und Ausdrucksformen sowohl nord- als auch süddeutscher Meister und Werkstätten durchdringen. Daniela Franz, Jenny Hüttenrauch und Birgit Neumann-Dietzsch widmen sich in Berlin anzutreffenden Denkmalen der Spätgotik. Erstgenannte Autorin hat sich anlässlich einer Restaurierung mit einem Triumphkreuz im Märkischen Museum näher beschäftigt, dessen ursprünglicher Platz nicht bekannt ist und den sie im Chor der Nikolaikirche vermutet. J. Hüttenrauchs Thema sind zwölf fein gebildete figürliche Terrakotta-Konsolen, auf denen die Rippen des Sternengewölbes in der Heilig Geist-Spitalkapelle ruhen, das dort um 1520 eingebracht wurde. B. Neumann-Dietzsch hingegen nimmt zwei ausgesprochen qualitätvolle Malereien an den Wänden von Sankt Marien und Sankt Nikolai in den Fokus ihrer Forschungen. Thematisch weiter ausgreifend sind zwei Beiträge zur Bedeutung von Kunstzentren für die Markgrafschaft Brandenburg im Spätmittelalter. Dazu informiert Maria Deiters über die Präge- und Ausstrahlungskraft Magdeburgs im frühen 15. Jahrhundert und Peter Knüvener trägt Argumente vor, die den Status der Stadt Brandenburg als regionales Zentrum der Kunstproduktion zwischen etwa 1450 und 1480 betreffen.
Zum Ende bieten zwei weitere Aufsätze einen Epochen überschreitenden »Ausblick« auf den »Umgang mit den mittelalterlichen Kunstwerken nach der Reformation«. Unter diesem Oberthema berichtet Christa-Maria Jeitner von der Weiternutzung mittelalterlicher liturgischer Textilien, einer »Tradition«, die in Brandenburg erst im 19. Jahrhundert endete. Zum Beitrag der Textilrestauratorin gehören tabellarische Verzeichnisse des Bestandes an Paramenten in der Mark, die anhand historischer Schriftquellen und der alten Kunstinventare zusammengestellt wurden. Dem folgen noch Informationen und Erläuterungen von Mechthild Modersohn über die Marienaltäre in Dorfkirchen der Altmark. Vor allem durch die »unproblematische« Übernahme ins neue Kirchenregiment und aufgrund ihrer Adaption für den protestantischen Ritus blieben dort erstaunlich viele dieser Altäre erhalten, heute rund 60 an der Zahl, während es 1911 sogar noch 77 waren und 19 Fragmente.

Innerhalb der Aufsatzsammlung editorisch etwas willkürlich platziert, doch ansonsten in den Band sehr wohl hineinpassend ist der Bericht von Tilo Schöfbeck und Karl-Uwe Heußner über dendrochronologische Untersuchungen, welche beide seit Jahren vorrangig an Denkmalen und Sachzeugen des Mittelalters durchführen und mit denen sie schon viele neue, erhellende Fakten zur Kunstgeschichte beisteuern konnten.
Natürlich könnten gegen die thematisch und inhaltlich sehr heterogene Zusammensetzung dieser Aufsatzsammlung kritische Einwände erhoben werden. Andererseits wird gerade durch diese Konstellation ein überaus reiches und komplexes Informations-Angebot offeriert. Zudem herrscht durchaus eine Balance zwischen den Texten, die auf streng objektbezogenen Einzeluntersuchungen beruhen und solchen, bei denen Kunstgeschichte gattungsübergreifend innerhalb größerer Zeiträume und Zusammenhänge abgehandelt wird.
Auch zur vielfach im Band vorkommenden Anwendung der »Herrschafts-Ikonografie« könnte man manchen kritischen Einwurf machen, etwa dann, wenn diese Ikonografie latent mit der Stil- und Formenanalyse zusammengeht. Hier entsteht schnell der Eindruck, Herrscher hätten für die von ihnen gestifteten Werke sakraler Hochkunst gleich auch das Formenrepertoire vorgegeben und deren konkrete Gestaltung bis ins Detail bestimmt.
Die Publikation ist hervorragend bebildert, was auch durch eine großzügige finanzielle Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung möglich wurde und dem Landesamt für Denkmalpflege Brandenburg zu danken ist. Unter den ca. 960 Abbildungen gibt es viele aussagekräftige Reproduktionen historischer Dokumentaraufnahmen und brillante Neuaufnahmen, die manches wichtige Detail einer Plastik oder Tafelmalerei in diesem Medium erstmals publizistisch zur Geltung bringen. Zu Vergleichszwecken wurden auch instruktive Abbildungsblocks und Bildsequenzen zusammengestellt.
Michael Lissok, in: »sehepunkte« 9(2009), Nr. 6
(http://www.sehepunkte.de/2009/06/15088.html)

 

During the sixteenth-century Reformation, Brandenburg became Lutheran, but unlike in other German lands, there was no iconoclastic vandalism - hence the rich treasures of medieval art still extant. The present large-sized book includes thirty lavishly illustrated papers, most of which were delivered at an art-historical Conference held in Berlin in 2005. The volume, however, is not a random collection of Conference papers, but a systematic compendium of the medieval legacy of a particular region. The well-known notion that much of Brandenburg’s medieval art has strong links to Prague and Bohemia is affirmed, but on the whole a more complex picture emerges. The panel with two apostles (pp. 12 and 66, no. 49), dating from ca. 1420, has close affinities with the work of Master Bertram of Hamburg. The chapter one should pay close attention to is the introductory survey by Peter Küvener. Among the individual objects studied here one merits special attention: the triumphal cross of the Märkisches Museum (Berlin), dating from ca. 1500 (no date is given in the relevant article, pp. 428ff). – One should not forget to congratulate the publisher on the careful production of the volume.
»International Review of Biblical Studies« Vol. 54:2007/08

 

Die mittelalterliche Kunst in der Mark Brandenburg war bisher kaum  und nur peripher erforscht. Diese Lücke schließt der vorliegende umfangreiche Band, in dem 29 Forscher sich von vielfältigen Ansätzen aus und mit innovativem Zugriff auf die Themenstellung mit den klassischen Gattungen der bildenden Kunst befassen, mit der Tafel-, Buch- and Wandmalerei, der Skulptur in Holz, Stein und Terrakotta, aber auch mit der Glasmalerei, der Textil- und Schatzkunst. Der Band wird eingeleitet durch Abhandlungen über die Brandenburger Landes- und Architekturgeschichte sowie über die Malerei und Skulptur. Die folgenden Beitrage gliedern sich nach chronologischen, stil- und funktionsgeschichtlichen Kriterien. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung der Landesherren für die Genese der Kunst hervorgehoben. Dabei werden eingehend äußere Einflüsse im Kontext mit den Herrscherdynastien der Askanier, der Luxemburger und Wittelsbacher in der Mark sowie der Anfang einer selbständigen märkischen Kunstproduktion erörtert Diese wird gekennzeichnet durch das Brandenburger Evangelistar, die spätromanische Kapitellplastik, das Backsteinrelief in der Pfarrkirche zu Arnswalde, die Westportale der Maria-Magdalena-Kirche in Eberswalde und der Dreikönigsgruppe des 14. Jahrhunderts aus St. Marien zu Stendal. Aufmerksam werden die Nachwirkungen der Epoche Karls IV. auf die Kunst in Brandenburg und Böhmen registriert anhand der Glasmalerei aus der Marienkirche in Frankfurt/Oder, der Wandmalerei im heutigen Brandenburg und anhand der Bedeutung Magdeburgs als Kulturzentrum für die Mark Brandenburg. Im folgenden Abschnitt wird den landesherrlichen und bischöflichen Stiftungen im Spätmittelalter nachgegangen am Beispiel der Glasmalerei des Kurfürsten Friedrich II. in der Johanniskirche zu Werben, der mittelalterlichen Malereien in der ehemaligen Bibliothek des Domklosters in Brandenburg, des Hochaltarretabels aus der St. Marienkirche in Frankfurt/Oder und der Bildformen und Bildkonzepte des dominikanischen Altarretabels von Mittenwalde bei Berlin. Form, Funktion und Produktion der spätmittelalterlichen Kunst in der Mark werden belegt durch die Steinfigur des Dominikus in der Neuruppiner Klosterkirche, den Stendaler Marienaltar, den Pritzwalker Silberfund, das Sippenrelief in der St. Johanniskirche zu Werben an der Elbe, das spätgotische Triumphkreuz des Märkischen Museums, die Konsolskulptur in der Berliner Heilig-Geist-Kapelle und durch die Wandmalereien des Spätmittelalters im historischen Zentrum Berlin. Der letzte Abschnitt setzt sich mit dem Weiterleben der mittelalterlichen Kunstwerke nach der Reformation auseinander. Eine umfangreiche Bibliographie und ein Regbier beschließen die in jeder Hinsicht hervorragende, prächtige Publikation, die erstmals die Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg materialreich erschließt.
Fritz Wagner, in: »Cisterzienser Chronik«, Heft 3 2008

 

 

Bei den in diesem Band publizierten Beiträgen handelt es sich fast ausschließlich um Referate einer fächerübergreifenden Tagung über die bildende Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg. Sie fand vom 23. bis 26. Juni 2005 in Berlin statt und war angeregt, konzipiert und organisiert vom Kunstgeschichtlichen Seminar der Humboldt-Universität und von der Stiftung Stadtmuseum Berlin.
Im Vorwort der Herausgeber wird der Leser zum einen auf den erfreulich großen Bestand an mittelalterlicher Kunst in der Mark Brandenburg aufmerksam gemacht, denn »das Luthertum hat weniger Bildwerke beseitigt, als zu erwarten gewesen wäre«. Andererseits muss die historische Mark noch immer »zu den kunsthistorisch weniger erforschten Regionen gezählt werden«. Das hat zur Folge, dass eine »zusammenfassende Darstellung für die märkische Kunst des Mittelalters immer noch fehlt«. Vor diesem Hintergrund wollten die Veranstalter der Tagung »alle für das Mittelalter relevanten Kunstgattungen … einbeziehen«, der »zusammenführenden Vernetzung« dienen und bestehende Forschungsdefizite abzubauen suchen. Bei der folgenden Vorstellung des Bandes wird der Blick vor allem auf die die Altmark berührenden Beiträge gerichtet.
Die fünf Kapitel des großformatigen Bandes sind chronologisch angeordnet und zugleich auch nach sachlichen Gesichtspunkten gegliedert. Im ersten und einführenden Kapitel »Die Mark als Kunst- und Kulturlandschaft« sind grundlegende Beiträge zur Landesgeschichte (Winfried Schich), zur Architekturgeschichte (Ernst Badstübner), zur Kunstgeschichte (Peter Knüvener) sowie zum bauplastischen Dekor (Dirk Schumann) zu finden. In seinem als eine Einführung angelegten Beitrag versucht Mitherausgeber Peter Knüvener einen Überblick über alle Kunstgattungen im genannten Zeitraum zu geben. Dabei werden zugleich regionale Besonderheiten herausgearbeitet und künstlerische Anregungen und Einflüsse von außerhalb in den Blick genommen. Auch die Frage der »Zweitverwendung« von Kunstwerken wird thematisiert, was sich gut an den Lettnerfiguren in Stendals Petrikirche zeigen lässt.
Im folgenden Kanitel »Die Anfänge einer märkischen Kunst. Brandenburg unter den Askaniern« wird in sechs Beiträgen Versucht, den frühesten Zeugnissen märkischer Kunst auf die Spur zu kommen. Dabei wird der Blick zunächst auf das Brandenburger Evangelistar gerichtet (Beate Braun-Niehr). Im folgenden Beitrag über die spätromanische Kapitellplastik (Christina Müther) findet natürlich die Stiftskirche zu Jerichow breite Berücksichtigung. Ein Backsteinrelief in der Pfarrkirche zu Arnswalde in der Neumark (Zofia Kzymuska-Fafius) und das Westportal der Maria-Magdalena-Kirche Eberswalde (Mara Maroske) richten den Blick in östliche Regionen der Mark.
Dendrochronologische Untersuchungen sind heute eine entscheidende Datierungshilfe. In dem entsprechenden Beitrag von Tilo Schöfbeck und Karl-Uwe Heußner werden u.a. auch das Kruzifix aus Schönhausen und die Dreikönigsgruppe aus der Stendaler Marienkirche berücksichtigt. Dieser Gruppe ist ein eigener Beitrag gewidmet (Annet Alvers).
Die Dreikönigsgruppe, die sich seit 1890 als Leihgabe im Altmärkischen Museum in Stendal befindet, ist vor kurzem erfreulicher Weise im Rahmen einer Diplomarbeit an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden von Anke Dreyer restauratorisch behandelt worden. Die.Gruppe stammt aus dem Vorgängerbau der Marienkirche und fand offenbar in der im 15. Jahrhundert geweihten heutigen Marienkirche ihre Zweitverwendung. Bei der spannenden Frage, wo denn der Schrein mit den bis zu 126 cm hohen Figuren in der Marienkirche gestanden haben könnte, erwägt Annet Alvers die Marienzeiten oder die Chorscheitelkapelle.
Im dritten Kapitel wird die Kunst während der Zeit der Herrschaft Karls IV. in den Blick genommen. Unter der Überschrift »Brandenburg und Böhmen. Die Epoche Karls IV. und ihre Nachwirkungen« befassen sich die Beiträge von Jiri Fajt, Eva Fitz, Jan Raue, Maria Deiters und Werner Ziems mit den Spuren böhmischer Einflüsse in Brandenburg. Dabei wird vor allem der Beitrag »Zur Bedeutung Magdeburgs als Kunstzentrum für die Mark Brandenburg im frühen 15. Jahrhundert« (Maria Deiters) für den altmärkischen Leser von Interesse sein.
Das vierte Kapitel trägt die Überschrift: »Landesherrliche und bischöfliche Stiftungen im Mittelalter. Residenzorte und ihre kulturelle Ausstrahlung«. Die hier vereinten Beiträge von Monika Böning, Birgit Malter, Agnieszka Gasior und Matthias Müller befassen sich vorrangig mit der Bedeutung des jeweiligen Landesherrn für die Kunstentwicklung in Brandenburg. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Frage von Stiftungen.
So macht Monika Böning mit der »Glasmalereistiftung des Kurfürsten Friedrich II. aus dem Jahre 1467 in der Johanniskirche zu Werben« bekannt. Kurfürst Friedrich II. hatte seine Glasmalereistiftung in Werben »durch drei seiner nebeneinander geführten Vollwappen und eine Inschrift, die seinen Rang und seine Würde wiedergibt, dokumentiert.« Die Autorin wendet sich auch der Frage einer, regionalen Glasmalereiwerkstatt zu, in der neben den Werbener Fenstern auch Scheiben für St. Nikolai in Wilsnack, St. Jakobi in Stendal sowie für den Dom in Brandenburg hergestellt worden sein könnten. Als möglichen Ort für eine solche Werkstatt erwägt sie Stendal und bezieht sich dabei auf ein Pergamentblatt, das man »in einem Kugelknopf des Dachreiters auf der Stendaler Jakobikirche« gefunden hatte und das »als Baumeister und Fenstermacher ›magister Jacobus‹ nennt«.
Von den acht Beiträgen des fünften und vorletzten Kapitels »Spätmittelalterliche Kunst in der Mark: Form, Funktion und Produktion« befassen sich zwei jeweils mit einem hervorragenden Kunstwerk in der Altmark. Benjamin Sommer (»Der Stendaler Marienaltar -eine funktionsgeschichtliche Annäherung«), der derzeit an einer Dissertation über eine stilistisch zusammengehörige Gruppe spätgotischer Altarretabel in Mitteldeutschland arbeitet, versucht, eine Frage zu beantworten, die sich dem Betrachter des Stendaler Marienaltars (erste Wandlung) durch eine » ikonographisch ungewöhnliche« Bilderfolge stellt. Aus welchem Grund ist in die Bilderfolge zur Passion Christi zwischen Kreuzigung und Kreuzabnahme »wie ein Vorgriff auf Späteres eine Darstellung des Jüngsten Gerichtes zwischengeschaltet«? Sommer findet die Zusammenstellung von Kreuzigung und Jüngstem Gericht, auch an anderen Objekten in der Kunstgeschichte, u.ä. an dem bekannten »Schwurkästchen« im Stadtgeschichtlichen Museum in Tangermünde und beobachtet, dass die Kombination von Kreuzigung und Gericht »bei Eid-Reliquiaren und Schwurblöcken geläufig ist«. Es ist also anzunehmen, dass die Marienkirche »in die Zeremonien zur Ratswahl einbezogen war« und dass die alljährliche Vereidigung neuer Stendaler Ratsherren in der Marienkirche ihren Ort hatte.
Außerdem befinden sich in diesem Kapitel noch Beiträge der Autoren Tobias Kunz, Lothar Lambacher, Peter Knüvener, Daniela Franz, Jenny Hüttenrauch, Birgit Neumann-Dietzsch und Detlef Witt. Letzterer befasst sich mit dem bekannten Annenaltarretabel in Werben (»Einflüsse aus dem Norden? Das Sippenrelief des Hamburgers Helmecke Horneborstel in der St. Johanniskirche zu Werben an der Elbe«). Nicht nur der Annenaltar, sondern auch Taufe und Standleuchter aus der Werbener Kirche sind Werke einer Hamburger Werkstatt und somit Zeugen für deren Ausstrahlung bis in die Mark Brandenburg. Angesichts der Ausformung einzelner Charakterköpfe des Annenaltars ist bereits 1913 von Wilhelm Stapel auf eine »Rezeption Riemenschneiders« hingewiesen worden. Doch lässt sich eine »Tätigkeit Horneborstels in Würzburg bei Tilmann Riemenschneider bisher archivalisch nicht nachweisen«. Witt sieht jedoch auch Unterschiede: »Die Handschrift des Hamburgers äußert sich in einem deutlich anderen Menschentypus.… Auch in der Drapierung der Gewänder vermisst man die kontrastreiche, überfeinerte Spannung Riemenschneiderscher Faltenwürfe.«
Die beiden Beiträge im sechsten und letzten Kapitel versuchen exemplarisch, die Auswirkungen der Reformation auf die mittelalterliche Kunst in den Blick zu nehmen: »Ausblick: Vom Umgang mit den mittelalterlichen Kunstwerken nach der Reformation«. Während sich Christa-Marie Jeitner mit dem Schicksal liturgischer Textilien beschäftigt (»Mittelalterliche liturgische Textilien in der Mark Brandenburg und ihre Weiternutzung nach Einführung der Reformation«), geht es Mechthild Modersohn um »Marienaltäre in den Dorfkirchen der Altmark um 1500 und ihre Rezeption«. »Insgesamt sind etwa sechzig Marienaltäre in der Altmark erhalten«, stellt die Autorin fest. Alle diese Orte sind auf einer geographischen Skizze verzeichnet. Der thematische Bogen, in denen Maria auf den verschiedenen Altären sichtbar wird, ist weit gespannt. Da sind zum einen Szenen aus biblischem Zusammenhang (Verkündigungsszene, Anbetung der Könige) und zum anderen Themen aus dem Marienleben der Legende (z. B. Marientod, Marienkrönung). Die Autorin fragt nach den Gründen dafür, dass trotz, der Reformation so viele Marienaltäre in der Altmark erhalten geblieben sind. Sie führt dies auf die »höchst konservative lutherische Kirchenordnung« Joachims II. zurück, wonach viele der (Marien-)Feste beibehalten werden konnten. Mit den ersten Kirchen Visitationen ab 1541 wurden zwar die zahlreichen Altäre aus den Stadtkirchen beseitigt, doch in den Dorfkirchen, die ohnehin »meist nur einen Altar besaßen«, blieb alles beim Alten. Das veranlasst die Autorin zu der Schlussfolgerung, »dass in den Dorfkirchen der Altmark keine größeren Verluste zu verzeichnen sind«. Sie fasst ihre Beobachtungen bündig zusammen: »Kein Bildersturnt nach der lutherischen Reformation, nur Beseitigung von Missständen [bei der Marienverehrung. R.C.]« Erst nach der so genannten zweiten Reformation, also »nach dem Konfessionswechsel von Kurfürst Johann Sigismund … zum Calvinismus 1613/14 kam es auch in Brandenburg zum Bildersturm«. An manchen Orten sind die verbliebenen Marienaltäre auch mit Zusätzen (»Kommentierungen«) aus evangelischer Sicht versehen und integriert worden. Abschließend zieht die Verfasserin eine Linie von den Konkordanzbemühungen Joachims II. über das Ringen Johann Sigismunds um ein friedliches Nebeneinander des lutherischen und calvinistischen Kirchentyps in Brandenburg bis hin zum Toleranzdenken Friedrich II. Diesem Toleranzdenken einerseits und dem wirtschaftlichen Niedergang in der Altmark nach dem Dreißigjährigen Krieg andererseits »können wir die Fülle der Marienaltäre verdanken«.
Den Abschloss des Bandes bilden ein mehr als zwanzig Seiten umfassendes Literaturverzeichnis, ein Bildnachweis sowie ein Ortsregister, in dem mehr als sechzig altmärkische Orte verzeichnet sind. Das Buch ist auch durch die Anordnung der Anmerkungen links bzw. rechts des Textes gut lesbar. Die Fülle der Fotos führt in eindrücklicher Weise den Reichtum der vorhandenen Kunstschätze vor Augen, regt gewiss manchen interessierten Leser zu Exkursionen an und weckt hoffentlich auch ein Gefühl von Verantwortung im Blick auf die Erhaltung und Bewahrung dieses Erbes.
Reinhard Creutzburg, in: Altmark-Blätter, 6. September 2008

 

 

Wer an Brandenburg als Kunstland denkt, hat Potsdam und Rheinsberg im Kopf, friderizianisches Rokoko und preußischen Klassizismus. Dass die Mark auch im späten Mittelalter eine ernstzunehmende Kunstlandschaft gewesen ist, dokumentiert nun der von Ernst Badstübner, Peter Knüvener, Adam S. Labuda und Dirk Schumann herausgegebene Band Die Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg. Der nicht nur vom Umfang gewichtige Band vereinigt die Beiträge einer Tagung des Kunstgeschichtlichen Seminars der Humboldt-Universität und der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Die meisten Aufsätze stammen von jüngeren Kunsthistorikern, Bauforschern und Restauratoren. Jahrzehntelang wurden Forschungen zur mittelalterlichen Kunst Brandenburgs vernachlässigt oder konnten nicht publiziert werden. Nun ist es Zeit für eine Revision. Und die räumt mit dem Vorurteil auf, dass Brandenburg, dieser landesgeschichtlich-territoriale Flickenteppich, keine eigene Kunst hervorgebracht hätte. Gleichwohl erinnert der Band minutiös an künstlerische Vorbilder, von Magdeburg und den niedersächsischen Bistümern im Westen bis hin zum Königreich Böhmen, dessen Einfluss weit über die Lausitz hinaus reichte. Ins rechte Licht gesetzt werden nicht nur überregional einst bedeutende Orte wie Brandenburg, Havelberg oder Frankfurt/Oder und ihre zumeist sakralen Schätze, sondern etliche kleinere Stadtpfarr- und Dorfkirchen. Auch sie sind oft eine Reise wert.
Michael Zajonz, in: Tagesspiegel, 24.9.2008

 

 

Mode kommt dauernd aus der Mode. Gottesdiener mögen da vielleicht widerständiger sein, doch am Ende unterliegen auch sie dem Geschmack der Zeit – und die von ihnen bevorzugte Kunst dem Zahn der Zeit. Entweder verschleißt sie durch häufige Benutzung oder aber es kommt so etwas dazwischen wie eine Reformation, die über Architektur, Plastik, Malerei nicht nur anders denkt, sondern umlenkt, einschränkt, verbietet. Die Eidgenossen Zwingli und Calvin sind solche radikalen Bildermuffel gewesen. Im Namen des Herrn, versteht sich. Doch selbst die traditionssensiblen Katholiken haben nach dem – bis 1563 tagenden – Konzil von Trient gründlich aufgeräumt und die klerikale Kunst gegenreformatorisch umgestylt. Wenn heute in Brandenburg trotzdem gewichtige Zeugnisse aus dem Mittelalter überliefert sind, ist das wohl in erster Linie den in ästhetischen Fragen milderen Lutheranern zu verdanken. Während Calvin jegliche »papistische« Gräuel ausmerzte, redeten die Jünger Luthers von »Adiaphora« und begriffen darunter Dinge, die nicht gut, nicht böse, weder notwendig noch verwerflich waren. Hieß: Sie mochten die Verkündigung des Evangeliums nicht befördern, sie schadeten ihr aber auch nicht. Luthers Neutralität verhinderte Bilderstürme, die Süddeutschland, die Niederlande, Frankreich, die Schweiz verheerten.
Wie gesagt, in der Mark blieb vieles erhalten. Nur beachtete es keiner so richtig. Die Fachwissenschaft forschte lieber woanders, räumlich und inhaltlich. Zusammenfassendes über die mittelalterliche Kunstproduktion Brandenburgs hat sie bis dato nicht vorgelegt. Aber jetzt endlich einen Band, der die Ergebnisse einer 2005 in Berlin ausgerichteten Tagung zum Thema publik, damit auf die Lücke aufmerksam und zugleich Lust auf mehr macht. Die Herausgeberschaft teilen sich mit Ernst Badstübner, Peter Knüvener, Adam S. Labuda und Dirk Schumann ausgewiesene Kenner des Stoffes, den sie nun fürs Erste in 29 Aufsätzen organisiert und überaus reich illustriert haben.
Frage: Was hat Brandenburg, das andere nicht haben? Außer Spreewaldgurken und Sanssouci. Nun, die »Gläserne Bibel« der Chorfenster in der Marienkirche zu Frankfurt (Oder) zum Beispiel oder Raritäten wie das Evangelistar und die kostbaren Paramente des Brandenburger Domschatzes. Überhaupt, der Dom: Die Brandenburger Kathedrale ist eine der frühesten der norddeutschen Backsteingotik. Als Massenware ist auch nicht der Schmuck des Pritzwalker Silberfundes oder die Neuruppiner Dominikus-Skulptur zu bezeichnen. Über die stilistischen Eigenheiten der genannten »Kunststücke« und deren Funktionen wird dem Leser jetzt Fundiertes zuteil – und Neues: Denn dass Ideen aus Niedersachsen oder Schlesien in Brandenburg Gestalt wurden, ist eine Erkenntnis jüngeren Datums. Worüber man freilich gern mehr erfahren würde, ist die weltliche Kunst. Doch die ist vermutlich eine eigene Konferenz nebst Konferenzband wert.
Kunstgeschichtsschreibung zielt auf das Verstehen der Gegenwart ab und je länger die Gegenwart dauert, umso nötiger ist die Beschäftigung mit dem Mittelalter. Hier ist nämlich etliches darüber zu lernen, warum die Welt um uns herum ist, wie sie ist. Denn die Kulturlandschaft, auf der sich die Märker dieser Tage tummeln, ist im Wesentlichen ein Erbe des 13. Jahrhunderts. So schwer vermittelbar es hierzulande ist: Friedrich der Große war nicht an allem schuld. Es gab eine viel längere und prägendere Vergangenheit vor Preußen. Die Askanier wurden von den Wittelsbachern abgelöst, jene von den Luxemburgern aus Böhmen, diese dann endlich von den Hohenzollern aus Franken. Dieser Wechsel der Landesherrschaften spiegelt sich in der Kunstherstellung in und zwischen Alt- und Neumark wider. (Die heute zu Sachsen-Anhalt respektive Polen gehörenden Territorien werden natürlich mitbehandelt.)
Was Überschaubarkeit und Kompetenz betrifft, ist dieses Werk das Beste, was momentan zum Thema zu haben ist. Mittelalter-Experten und Mittelalter-Begeisterte wird es gleichermaßen beglücken. Noch auf lange Sicht. Weil es ein Basisbuch (über vergangene Jahrhunderte) fürs 21. Jahrhundert ist!
Frank Kallensee, in: Die Märkische (Wochenmagazin der »Märkischen Allgemeinen Zeitung«), Ausgabe 27, 5./6. Juli 2008.