Hannes
Bajohr
Dimensionen der Öffentlichkeit
Politik
und Erkenntnis bei Hannah Arendt
Seit
einigen Jahren erfreut sich Hannah Arendts Werk einer Renaissance in
Deutschland: Die Einrichtung eines Hannah-Arendt-lnstituts
für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden (1993)
sowie eines Hannah Arendt-Zentrums
an der Universität Oldenburg (1999), die Auslobung eines Hannah-Arendt-Preises
für politisches Denken seit 1995, die seit 1998 stattfindenden Hannah-Arendt-Tage der Stadt Hannover und die Benennung
einer Vielzahl von Straßen und Schulen nach ihr belegen dies. Dabei steht stets
die politische Theoretikerin Arendt im Vordergrund.
Hannes Bajohr will in »Dimensionen der
Öffentlichkeit« den Fokus auf ihr Werk neu justieren,
indem er den sehr eigenen phänomenologischen Ansatz Arendts in ihrem Œuvre
näher betrachtet. Mittels dieser Wahrnehmungsverschiebung zeigt der Autor,
dass der Arendt’sche Begriff der Öffentlichkeit, der
zumeist als Handlungsraum des Politischen begriffen wird, Dimensionen
beinhaltet, die nicht hinreichend berücksichtigt wurden und über das ausschließlich Politische hinausgehen.
Öffentlichkeit ist nicht irgendein Konzept im Denken Hannah Arendts. Es ist
vielmehr das zentrale Konzept in ihrem gesamten
philosophischen Werk, das durchgängig in allen wissenschaftlichen wie
essayistischen Schriften vorkommt und wie eine Klammer die als Komplemente
angelegten Werke »Vita activa« und »Vom Leben des
Geistes« umspannt. Dabei wird – wie der Autor plausibel zeigt – der Begriff in
beiden Werken unterschiedlich verwendet…
Bajohrs Arbeit ist in vier Teile gegliedert: In einem
ersten, methodischen Teil werden Arendts Kernkonzepte gemäß den Idealtypen Max
Webers gebildet. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der politischen Öffentlichkeit
und den unmittelbaren Folgerungen aus diesem Öffentlichkeitsbegriff. Der dritte
Teil führt den epistemologischen Öffentlichkeitsbegriff
ein, der zwar keine ausgearbeitete Erkenntnistheorie erlaubt, aus dem aber
dennoch Einsichten hervorgehen, die die individuelle Urteilsfähigkeit prägen.
Im vierten, abschließenden Teil wird auf die Implikation der beiden
Öffentlichkeitsaspekte eingegangen, die sich dem Grundproblem der
Differenzierung ausgesetzt sehen, da beide sowohl voneinander abhängen als
auch meist gemeinsam in Erscheinung treten. Zudem werden die Grenzen und
Möglichkeiten dieser Begriffe erörtert und in Kontext zur medialen Welt in der
modernen Massendemokratie gesetzt.
Der Autor betont, dass beide Öffentlichkeitsbegriffe nicht steril voneinander
abgegrenzt werden können, hält aber zugleich fest, dass man dennoch dem
Öffentlichkeitsbegriff – trotz nicht eindeutiger inhaltlicher Trennschärfe –
mindestens zwei Dimensionen abgewinnen kann, wie es nach seiner Interpretation
Arendt in ihrem phänomenologischen Ansatz leistet.
Öffentlichkeit wird damit das maßgebliche Paradigma ihres
ganzen Denkens. Folgt man dieser Arendt’schen
Denkbewegung, dann sind Erkenntnis und Politik nichts Gegensätzliches, sondern
etwas Komplementäres; sie bedingen einander.
Bajohr ist eine textnahe
und innovative, den gesamten Werkkorpus Hannah Arendts
zu Rate ziehende Untersuchung der Dimensionen des Öffentlichkeitsbegriffs
gelungen, die zeigt, wie Arendt die Bedeutung der Öffentlichkeit schrittweise
ausdehnt und neu bewertet. Wer der Interpretation des Autors folgt, kann fortan
auch den bis dahin vermissten Zugang zu den Aspekten von Raum und Medien im
Werk erkennen und diese einer neuerlichen Analyse unterziehen.
Ulrich Arnswald,
in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 61. Jahrgang (2013)
Die
Rezeption der Texte Hannah Arendts hat in den vergangenen Jahren einen stetigen
Zuwachs erfahren. Dabei wird sie vor allem als politische Philosophin
interpretiert. Dieses gilt auch mit Blick auf ihren
Begriff der Öffentlichkeit, der zumeist als Handlungsraum des Politischen
verstanden wird. Bajohr versucht, weitere Dimensionen
des Arendt’schen Begriffs der Öffentlichkeit
aufzuzeigen. …
Arne Arps (AA):
in: Portal für Politikwissenschaft, August
2011
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