Karl Schlösser

Ein erotisches Märchen

 

Wer das Städtchen Poggerow auf der Landkarte Vorpommerns sucht, der wird sich, vergeblich Mühe machen. Es existiert hier nicht – und in gewisser Weise doch. Denn Poggerow ist ein fiktiver Ort, der aber ohne weiteres sein Vorbild in einer Stadt wie Demmin finden könnte.
Kein Wunder, ist Poggerow doch eine literarische Erfindung des Demminer Schriftstellers Karl Schlösser. Er hat jetzt sein schon vor längerer Zeit angekündigtes Buch »Ein erotisches Märchen aus dem Sozlismus im pommerschen Poggerow« vorgelegt.
Die Auslassung zweier Buchstaben im Titel sei dabei kein Druckfehler, sondern gewollt, beschied der Autor dem Rezensenten. Denn die führenden Köpfe in der DDR hätten einen Teil des »Sozialismus« immer verschluckt. Dass sie den eigenen Anspruch nicht richtig aussprechen konnten oder wollten und Schlösser diesen Umstand gleich im Titel aufgreift, das verrät bereits, welches Ziel er mit seinem Buch verfolgt: eine satirisch angelegte Auseinandersetzung mit den letzten Jahren der DDR in der vorpommerschen Provinz.
Dazu bedient sich Schlösser eines stilistischen Kunstgriffs. Er verlegt die Rahmenhandlung in die Zukunft. 50 Jahre nach dem Fall der Mauer kommt die amerikanische Journalistin Mary, die seit langem eine Beziehung zu dem pommerschen Maler Charles unterhält, nach Deutschland, um über die Feierlichkeiten zu berichten. Ihr werden Liebesbriefe zugespielt, die zu DDR-Zeiten vermeintlich von der italienischen Mittelmeerinsel Capri abgesandt worden sein sollen. Was aber in Anbetracht der eingeschränkten Reisemöglichkeiten in der vormaligen DDR kaum möglich war. Wirklichkeit also oder Täu
schung?
Um die Briefe herum baut Mary gemeinsam mit ihrem Freund Charles eine Geschichte über die örtlichen Macht- und Gesellschaftsverhältnisse in Poggerow, in deren Mitte Franz und Anna sowie ihr Widersacher, der Kreissekretär Piesel, stehen.
Und in der die Liebe natürlich auch nicht außen vor bleibt. Auf den beiden zeitlichen Erzählebenen breitet der 1934 in Demmin geborene Autor die verschiedenen Handlungsstränge aus.
Schon vor rund zwei Jahren hatte Karl Schlösser anlässlich eines Besuchs von Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) Auszüge aus dem damals noch unveröffentlichten Manuskript gelesen (der Nordkurier berichtete). Die fertige Geschichte umfasst nun als Taschenbuch 143 Seiten, wobei die in die Zukunft verlegte Romanze zwischen Mary und Charles mehr als nur den Raum einer Rahmenhandlung einnimmt. Erhältlich ist das Buch ab sofort im Buchhandel.
Georg Wagner in »Demminer Zeitung« vom 10. November 2006