Matthias Donath

Architektur in München 1933 – 1945. Ein Stadtführer

 

»Architektur in München 1933–1945« heißt der informative Stadtführer von Matthias Donath, der mehr zu bieten hat als das bekannte Ensemble rund um den Königsplatz. Donath – von dem auch der erfolgreiche »Architekturführer Berlin 1933–1945« stammt – stellt hier dreißig sehr verschiedene, in der Nazizeit entstandene Münchener Bauten vor, beschreibt sie architektonisch und zeigt, wie es heute um sie bestellt ist.
Ein großer Reiz des Buches besteht in der Gegenüberstellung von historischen und aktuellen Fotos. So sieht man zum Beispiel am einstigen Gebäude des Luftgaukommandos VII in der Prinzregentenstraße 26–28, dass die Fenster des Kopfbaus im fünften Stock noch heute von steinernen Wehrmachtshelmen bekrönt werden und die Fenstergitter des Garagentrakts noch immer ihre schmiedeeisernen Hakenkreuze tragen. Heute hat hier das Bayerische Wirtschaftsministerium seinen Verwaltungssitz.
Oft belegen die Bilder aber auch das Gegenteil, nämlich dass lediglich ein verfängliches Detail entfernt wurde, das Gebäude als solches jedoch erhalten blieb. So erkennt man auf dem Foto von 1940 an der Fassade der Egerländer Schule noch den Adler auf dem Wandbild, der das Hakenkreuz trägt. Auf dem Foto von 2007 ist er verschwunden, ebenso die Inschrift, die stolz an die Heimkehr der deutschen Gebiete Böhmens ins Reich erinnerte, zu denen das Egerland gehörte. Das Paar in Egerländer Tracht blieb erhalten wie auch der Name des Gebäudes, das noch heute als Schule genutzt wird.
Matthias Donath zeigt in seinem Buch Kontinuitäten auf, die irritieren. So wird zum Beispiel das »Haus der Deutschen Kunst« in der Prinzregentenstraße 1 auch heute noch unter dem Namen »Haus der Kunst« für Kunstausstellungen genutzt. Das einzige Kunstmuseum, das im Dritten Reich erbaut wurde, war als Tempel der deutschen Kunst geplant. 1937 eröffnete Hitler hier die erste »Große deutsche Kunstausstellung«, die bis 1944 jährlich abgehalten wurde.
Erstaunlicher ist die Entwicklung der »Unterkunft der SS-Standarte Deutschland« im Norden von München. Der riesige fünfgeschossige Gebäudeblock wurde 1934–38 vor den Toren der Stadt für die SS errichtet. Die Kaserne signalisierte, dass München von der SS kontrolliert wird. Seit 1980 unterhält hier die Bundeswehr ihre Sanitätsakademie.
Ein weiteres Beispiel für solche unfreiwilligen Kontinuitäten in der Nutzung ist die monumentale Reichszeugmeisterei in der Tegernseer Landstraße 210, deren Eingang einst von einem mächtigen Adler mit Hakenkreuz bewacht wurde. 1938 von der größten Dienststelle der NSDAP bezogen, die für die Beschaffung und Lieferung der Parteiuniformen samt Zubehör zuständig war, ist das Gebäude heute ohne Adler und Hakenkreuz Sitz von mehreren Dienststellen der bayerischen Polizei.
Unheimlich wird es einem beim Lesen des Abschnitts, in dem Donath beschreibt, wie die »Reichssiedlung Am Hart« entstand. Die Kleinhaussiedlung im Münchener Norden wurde unter Mitwirkung von Einheiten des Reichsarbeitsdienstes errichtet und ging dann folgendermaßen an seine Besitzer: »Die Siedlerstellen wurden durch Los an ›rassisch einwandfreie‹, erbgesunde und zuverlässige Bewerber verteilt. In den ersten drei Jahren wurden die Siedlerfamilien überprüft, ob sie sich ›dem Wohl der Gemeinschaft‹ anpassen wollten. Jeder Siedler musste sich verpflichten, sein Gartenland ordentlich zu bebauen und Kleinvieh zu halten. War das erfüllt, ging das Haus in Erbbaurecht an die Bewohner über.« Da es unwahrscheinlich ist, dass die rechtmäßigen Hauseigentümer nach dem Krieg ihre Häuser abgegeben haben, kann man davon ausgehen, dass dieses Viertel auch heute noch im Besitz von einwandfreien Arierfamilien ist.
Donaths Anliegen ist aber nicht, seine Leser zu gruseln. Vielmehr ist die Grundidee seines durchweg lesenswerten Stadtführers zu zeigen, dass es den einheitlichen NS-Architekturstil nicht gegeben hat. Er war vielmehr eine Konstruktion, die der Propaganda der Nationalsozialisten unkritisch folgte. Neben den monumentalen Bauten am Königsplatz entstanden in der Nazizeit auch eine Reihe von Kirchen und Nutzbauten, denen solche monumentalen Tendenzen völlig fremd sind. Donath stellt wiederholt fest, dass durch die Verwendung von historischen Architekturformen ein Gefühl von Heimatlichkeit erzeugt werden sollte, z.B. bei den Bauten am Kurfürstenplatz, beim Max-Joseph-Stift oder beim Hitler Jugend-Heim in den Isaranlagen, heute der Sitz der Stadtgartendirektion.
Der ausgesprochen interessante, gut recherchierte Stadtführer richtet sich an Münchner und Besucher gleichermaßen. Er stellt dreißig repräsentative Beispiele damaliger Architektur vor. Ein Stadtplan führt zu den Gebäuden, die meisten von ihnen liegen im Innenstadtbereich. Donath »liest« die Architektur und erläutert ihre propagandistischen Absichten. Er betont, wie wichtig es ist, diese wichtigen Zeugnisse ihrer Zeit zu erhalten, bemängelt jedoch den bislang unkritischen Umgang mit dieser Bausubstanz. Das soll sich in diesem Jahr ändern, denn 2008 ist die Einweihung des zentralen NS-Dokumentationszentrums in München geplant. Wollen wir hoffen, dass ihr der angemessene Umgang mit dieser sensiblen Baugeschichte gelingt.
Christian Noss unter www.e-politik.de/lesen/artikel/2008/nazi-architektur-in-munchen

 

Gegenstück zu »Architektur in Berlin 1933–1945« (ID 50/ 04). Dieser Architekturführer zeigt 30 im »Dritten Reich« entstandene repräsentative Bauwerke und Anlagen in der Münchener Innenstadt, darunter natürlich auch das »Haus der deutschen Kunst«, aber auch Verwaltungs- und Wohnbauten, deren früherer – soweit möglich – und heutiger Zustand foto­grafisch dokumentiert wird. Mit Erläuterungen zu den Ein­zelbauten und einer Einführung zu Ideologie und Intentio­nen, Großstadtvisionen und bauamtlicher Realität der NS-Architekturplanung. Aufschlussreiche Dokumentation.
ekz-Informationsdienst, ID 47/07

 

Es gibt viele Bücher über Münchens Nazi-Bauten, aber dieses ist so kom­pakt wie erhellend. Und zwar, weil es vor al­lem das unbekann­tere Erbe aus der Nazi-Zeit vorstellt, wie man es heute noch in der Stadt finden kann – von Wohnhäusern bis zum Nordbad. Ein beson­derer Stadtführer.
In der »Münchener Abendzeitung«, 15./16.12.07