Matthias Müller (Hg.)
multiplicatio et variatio
Beiträge zur Kunst –
Festgabe für Ernst Badstübner zum 65. Geburtstag
Wie zu erwarten, hat diese Gabe für den
ehem. Burghauptmann der Wartburg und Kunsthistoriker an der Universität
Greifswald einen Schwerpunkt im Bereich des ostdeutschen Mittelalters, dessen
Beiträge hier kurz vorzustellen sind. J. Holst diskutiert die Rathausfront in
Stralsund, die durch barocke Umbauten und spätere Restaurierungen verunklärt wurde, weswegen die Datierung auch erheblich
schwankt. Holst untersucht einschlägiges Archivmaterial, analysiert die
bestehende Architektur und bietet eine zeichnerische Rekonstruktion des Zustandes
um 1350; er votiert für das erste Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts als
Entstehungszeit des Kernbaus. B. Rimpel gibt eine
Übersicht über die zweischiffigen Kirchen Gotlands,
die sie aus der skandinavischen Holzarchitektur ableiten will. Daß diese
Raumkomposition auch sonst im mittelalterlichen Europa und doch wohl aus
anderen Ursprüngen vorkommt (z.B. in Österreich), wird zwar angedeutet, aber
die entsprechenden Verbindungsmöglichkeiten hätten erörtert werden müssen.
Manches wirkt unausgegoren und terminologisch befremdlich, so »das
Reichsblutopfer in Upsala«. U. Kuder
versucht, freilich an nur wenigen Beispielen, die frühmittelalterliche
Architekturwahrnehmung anhand der Buchmalerei und Schriftquellen zu
rekonstruieren, prinzipiell eine wichtige Fragestellung, die zu einer Mentalitätsgeschichte
der Perzeption fuhren
könnte. In der betrachteten Epoche bestimmt die (religiöse) Bedeutung das
ästhetische Urteil. Das seltene ikonographische Motiv
des doppelten Christus im Weltgericht (v.a. in der
Umgebung von Greifswald) verfolgt H. Thümmel, der auf
die sich in der Frömmigkeitsgeschichte des Hochmittelalters vollziehende
Einholung des richtenden durch den leidenden Christus verweist. G. Walter
stellt in einem reich dokumentierten Beitrag die freilich nicht ganz unbekannte
Triumphkreuzgruppe im Halberstädter Dom vor, wobei es
ihm besonders um das Kreuz als Lignum vitae und die
schwer zu deutenden Goldkugeln in den Händen der begleitenden Cherubim geht. M.
Müller verfolgt in gut nachvollziehbarer Weise an einigen bekannten Werken
(Elisabethkirche in Marburg, S. Francesco in Assisi) die Darstellung von Armen
und Kranken, wobei er im 13. Jahrhundert zunehmendes Mitleid und steigenden
Realitätscharakter ortet. […]
Die weiteren Beiträge beziehen sich auf neuzeitliche Kunstwerke. Für eine
kunsthistorische Publikation ist das Bildmaterial eher enttäuschend: Einerseits
wird vieles nur beschrieben, nicht aber illustriert, so daß man z.B. der Argumentation
von Thümmel nur beschränkt folgen kann. Andererseits
sind die Abbildungen durchgehend zu klein und bisweilen zu dunkel. Das
inhaltlich Gebotene ist zwar zumeist sehr deutlich regional orientiert, bietet
aber damit manches weniger Bekannte und Anregende.
Peter Dinzelbacher in »Mediaevistik«
Nr. 16/2003
Vielfalt und Verschiedenheit, unter
diesem passenden Motto wurde kürzlich Ernst Badstübner
von seinen Freunden und Schülern mit einer umfangreichen und vielfältigen
Festschrift geehrt. Der in Stettin geborene und in Thüringen aufgewachsene Badstübner gehört zweifellos zu den bedeutendsten
Kunsthistorikern seiner Generation. Lange Jahre am Institut für Denkmalpflege
in Berlin tätig, wurde er 1992 Burghauptmann auf der Wartburg. Dieses
ehrenvolle Amt gab Badstübner 1994 auf, um einem Ruf
an die Universität Greifswald zu folgen. Hier bekleidete er seitdem den
Lehrstuhl für Kunstgeschichte des Mittelalters.
Baltische Studien – Pommersche Jahrbücher für Landesgeschichte, NF, Bd.
86/2000
Als Denkmalpfleger, Burghauptmann der
Wartburg und Universitätspofessor hat Ernst Badstübner sein Leben lang versucht, die Kunst als ästhetischen
und geistesgeschichtlichen Gegenstand lebendig zu halten. Dieses unermüdliche,
stets für neue Perspektiven offene Engagement würdigen Freunde und Kollegen des
Gefeierten – Kunsthistoriker, Theologen, Altertumswissenschaftler, Romanisten –
in dieser Festgabe. Die Beiträge [...] dokumentieren das weitgespannte
Forschungsinteresse von Ernst Badstübner.
Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatsschrift, Heft 1/2000, S. 87