Ralph Hammerthaler
Die Weimarer Lähmung
Kulturstadt Europas 1999 – Szenisches Handeln in der Politik

Was wird hier gespielt? lautet Hammerthalers Ansatz. Und der erste Teil seiner Abhandlungen widmet sich der Inszenierung von Ereignissen in der modernen Mediengesellschaft. Egal ob Künstler, Schauspieler oder Politiker, wer will, daß die Öffentlichkeit von ihm Notiz nimmt, muß sich in Szene setzen. Zur Szene gehören Bühne und D, die ihr Publikum unterhalten, fesseln und – gelingt die Inszenierung – auch gewinnen. Je mehr Publikum erreicht wird, desto größer der Eindruck. Je professioneller die Dramaturgie, je versierter die Solisten, desto besser können Pannen vermieden werden. Daß es jedoch immer auch Pannen gibt und wie die Handelnden sie ausbügeln, beleuchtet Hammerthaler im zweiten, dem empirischen Teil der »Weimarer Lähmung«. Und dafür ist  Weimar ein ideales Pflaster. Die Örtlichkeit und die Zahl der Akteure ist überschaubar. Weimar ist klein, aber als Fokus deutscher Geschichte wie Gegenwart auch fein. Mit akribischer Sorgfalt listet Hammerthaler die Chronologie der Aktionen auf, die auf Weimar '99 zielten. Er beschreibt Darsteller wie Kleindarsteller, analysiert Motive und Strategien, daß der Leser oft vergißt, in einer gewichtigen soziologischen Abhandlung zu lesen. »Ostthüringer Landeszeitung«

Riesengroß war der Jubel, als Weimar im November 1993 zur Kulturstadt 1999 erklärt wurde, dann aber kamen Resignation und Frust, die »Weimarer Lähmung«, bedingt von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Wie Weimar, die Stadt der Klassik, aber auch des benachbarten KZ Buchenwald, sich wieder aufrappelt und seine große Show vorbereitet, schildert Hammerthaler in seiner Langzeitstudie. An verschiedenen Beispielen wird die Interaktion zwischen Akteuren auf der politischen Bühne (Chefredakteur, Feministinnen usw.) und ihren backstage-Ressourcen in der »Toskana des Ostens« untersucht: »Man muß zündende Ideen haben, um ins Rampenlicht zu kommen«, erklärt ein Unternehmer, der es immerhin schaffte, die Apolda Avantgarde zum »Synonym für den Aufschwung der Region« zu machen ... »Süddeutsche Zeitung«

Der Münchner Journalist und Soziologe scheint immun gegen die Versuchung zu Geplauder und Indiskretion. Was er im Weimarer Polittheater auf Vorder- und Hinterbühne in unermüdlicher, unparteiischer Recherche über zwei Jahre entdeckt, analysiert er gründlich und sachlich: Motive und Methoden ausgewählter AkteurInnen. Das sind der Generalbeauftragte der Kulturstadt GmbH, ein Unternehmer und Mitinitiator des »Freundeskreises Weimar 99«, der TLZ-Chefredakteur und zwei Aktivistinnen des Frauenzentrums und der frauenpolitischen Kulturstadtinitiative »Weimar weiblich 99«. Der Autor liefert keine Porträts, sondern studiert, welche Zwecke welches Verhalten mit welchem Maß an Öffentlichkeit oder Diskretion hervorrufen und welche Dynamik die unterschiedlichsten Aktionen im Kulturstadtdelta mit seinen politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Verzweigungen entwickeln. [...] Heraus kommt, was wir schon ahnten, aber nun befreit zur Kenntnis nehmen: Es geht – wie anderswo auch – um Geld und Prestige. Wer die Schlußfolgerung zu einfach findet, lese selbst! »Weimar Kultur Journal«