Frank
Matthias Kammel
Kunst in Erfurt 1300-1360
Studien zu Skulptur und Tafelmalerei
Das Buch von Frank
Matthias Kammel, die Druckfassung einer 1998 verteidigten Berliner
Dissertation, thematisiert »Kunst in Erfurt« in den ersten zwei
Dritteln des 14. Jahrhunderts. Es widmet sich den Werken der Skulptur und der
Tafelmalerei, soweit sie überliefert sind. Genau dies, daß nur ein
Teil der einst vorhandenen Werke erhalten ist, schwächt die Kraft eines
jeden Urteils. Kammel ist sich dessen bewußt. Er berücksichtigt die
Forschungsgeschichte der von ihm behandelten Werke, unternimmt subtile
Stilvergleiche, fragt nach Bildprogramm und Bildbotschaft, nach den
Auftraggebern und deren Motiven und forscht nach zeitgeschichtlichen
Zusammenhängen. Am überzeugendsten gelingt ihm das in seinen
Ausführungen zur Tumba der Heiligern Adolarius und Eobanus im Dom und zum
Kalvarienbergretabel in der Predigerkirche. Durchgängig läßt
sich Kammel von der schon lange kontrovers diskutierten Frage leiten, ob mit
Fug und Recht von »Erfurter Kunst« gesprochen werden könne
oder nicht. Oder anders gefragt: Weisen die am Ort geschaffenen Werke eine ganz
eigene Note auf, die dem Wirken lokaler Künstler zu verdanken ist? Wie er
die Frage beantwortet, verrät bereits der Titel des Buches, der eben nicht
lautet: »Erfurter Kunst«. Im Resümee begründet Kammel:
Gewiß habe es zahlreiche, auf hohem Niveau arbeitende Werkstätten in
der Stadt gegeben, aber großen Aufträgen, wie etwa dem
Chorgestühl in der Stiftskirche St. Marien, seien sie wohl nicht gewachsen
gewesen; stets habe man dann namhafte Künstler, die das moderne Form- und
Bildrepertoire beherrschten, von auswärts gerufen, im Falle des
Chorgestühls ein Meister vom Mittelrhein und aus Norddeutschland. Das
lehre der Stilvergleich. Und mehr lasse sich nicht sagen. Nach den
Gründen, die das Phänomen »Erfurter Kunst« nicht wachsen
ließen, fragt Kammel leider nicht. Immerhin war die Stadt, wiewohl de
jure dem Mainzer Erzbischof unterstehend, de facto autonom; sie war ein
Wirtschafts- und Handelszentrum von überregionalem Rang und eine der am
meisten besuchten Schulstädte im Reich, aus dessen Studium generale 1392
die ältere Universität hervorgehen sollte. In die weit gespannten
Verbindungen, die die mittelalterliche Großstadt unterhielt, waren auch
Künstler und Werkstätten einbezogen, und dies, möchte man meinen,
müßte der Ausprägung einer eigenständigen
künstlerischen Tradition doch förderlich gewesen sein. Vielleicht war
es auch so, und wir wissen es nicht, weil eben nur ein sehr kleiner Teil des
einst Geschaffenen erhalten blieb. - Auf zwei Irrtümer des bemerkenswerten
Buches sei aufmerksam gemacht: Die Stifter St. Marien und Zum heiligen Brunnen
waren keine Augustinerchorherrenstifter (S. 16 und 113), und statt des
Augustinereremitenklosters war das Augustinerchorherrenstift (sog. Reglerstift)
an der Erfurter Schulordnung beteiligt (S. 17).
Aus einer Sammelrezension in »Die alte Stadt«, 1/2005