Sven Wichert
Band 9: Das Zisterzienserkloster Doberan im Mittelalter

 

Gut lesbare Dissertation über das von Amelungsborn aus 1171 im Gebiet der heidnischen Slawen (1179 Martyrium des Konvents) gegründete und 1552 aufgelöste Zisterzienserkloster. Mit ihr wird nach rund hundert Jahren und auf der breiten Basis von 463 Doberaner Urkunden im Schweriner Landeshauptarchiv wieder eine Klostergeschichte vor allem für die bislang wenig erforschte Spanne ab 1350 vorgelegt: Ländlicher Klosterbesitz, Landwirtschaft, Handwerk, Stadtbeziehungen (Salzstellen, Stadthöfe, Mühlen), weltliche und geistliche Rechte sind die nach der Gründungsgeschichte zuerst abgehandelten Themen. Wir haben ein wirtschaftlich gut ausgestattetes Kloster vor uns, was für das »Hauskloster des mecklenburgischen Herrschergeschlechts« nicht verwunderlich ist. Für die Liturgiewissenschaft bieten die Abschnitte »Patronate, Kirchen und Kapellen«, »Seelsorge«, »Ablässe, Reliquien und Patrozinien«, »Memoria« und »Seelgeräte und Bruderschaft« einige Materialien. Doch Vf. hat die kunst- und bauhistorischen Fragen ausgeklammert, so dass Schwarzweiß-Abbildungen von Kreuzaltar und Triumphkreuz, Hochaltar (130) und Chorgestühl (135) als stumme Zeugen einstiger Zisterzienserliturgie fungieren müssen. Man kann nicht behaupten, dass die fleißige Studie in Gefahr steht, sich interdisziplinär in Details zu verlieren. So wird etwa unter den zehn Grangien auch Redentin, an der Wismarer Bucht gelegen, aufgeführt; das bietet Anlass zum Exkurs »Das Redentiner Osterspiel«, doch ohne näher auf den Inhalt einzugehen. Ein anderes Beispiel: Eingangs des Abschnitts »Das Kloster als Grablege« wird ganz allgemein vorausgeschickt: »Die sepultura ad sanctos stellte eine besondere Vergünstigung dar«. Doch der Plan der »Standorte der wichtigsten mittelalterlichen Gräber in der Doberaner Klosterkirche« verzichtet auf Angaben zu den Altar- und Kapellenpatrozinien, so dass die Verflechtung von Totengedenken, Heiligenmemoria und Liturgie unsichtbar bleibt. Liturgische Handschriften werden nicht erwähnt, und überhaupt ist das Schicksal der Klosterbibliothek »bis auf den heutigen Tag … ungeklärt«; das Necrologium ist verlorengegangen. Bedacht werden eigens »Geistiges Leben: Ordensstudium in Rostock« und »Die Stellung des Klosters Doberan im Ordensverband« (darin die Beziehungen zum Mutterkloster und zu den Tochterklöstern Dargun und Pelplin). Im interessanten Spezialkapitel »Sachsen gegen Slaven: Eine Krise im Kloster Doberan« lesen wir von reduziertem Gottesdienst und der Sicherung von Kelchen, Ornat und Messbuch in Rostock; bei der friedlichen Übergabe des Klosters ist wie üblich von der Veräußerung liturgischer Geräte die Rede.
S.L. in Archiv für Liturgiewissenschaft, 48. Jg., 2006, Heft 3

 

 

Wicherts Darstellung zur mittelalterlichen Geschichte des Zisterzienserklosters Doberan entstand als Dissertationsschrift im Rahmen des wiedererwachten Interesses an Zisterzienserklöstern anläßlich des 900jährigen Ordensjubiläums. Insbesondere hinsichtlich der Geschichte der Zisterzienser östlich von Elbe und Saale bestand ein Bedarf an modernen Untersuchungen zur Entwicklung der einzelnen Klöster, die in den Jahrzehnten bis 1989 kaum ein Forschungsschwerpunkt war. Folgerichtig konstituierte der Berliner Lukas Verlag für Kunst und Geistesgeschichte in den neunziger Jahren die Reihe »Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser«, deren Schwerpunkt u.a. auf dem Gebiet der deutschen neuen Bundesländer liegt. Diese Reihe des Lukas Verlages bietet zwei wichtige Vorteile, von denen auch Wicherts Arbeit profitiert: Die Bücher erscheinen sehr schnell (Wichert promovierte 1999, das Buch erschien 2000), und der moderate Preis ermöglicht eine Verbreitung des Werkes auch unter interessierten Privatpersonen. Die hier vorgestellte Arbeit, die allerdings außerhalb der CIP-Einheitsaufnahme der Deutschen Bibliothek keinen Hinweis darauf enthält, daß es sich um die Dissertationsschrift des Verfassers handelt, richtet sich sowohl an ein spezialisiertes Fachpublikum als auch an einen breiteren Leserkreis, der an zisterziensischer oder an mecklenburg-vorpommerscher Regionalgeschichte Interesse hat.
Wichert entschied sich bei seiner Darstellung für ein traditionell geschichtswissenschaftliches Herangehen, um einerseits den vorhandenen Arbeiten zum Kloster Doberan, die alle aus dem 19. Jahrhundert stammen, ein Werk auf dem modernen Forschungsstand hinzuzufügen, und um andererseits die bisher nicht aufgearbeiteten Jahre 1350 bis 1552 der Klostergeschichte erstmals zu untersuchen. Letzteres bedeutete umfangreiche Archivrecherchen, insbesondere weil die Urkunden nur bis zum Jahr 1400 gedruckt vorliegen. Im Ergebnis dieser Archivarbeiten wäre ein Anhang mit Kurzregesten der archivalischen Quellen von 1401 bis zur Säkularisation des Klosters 1552 späteren Forschern sehr von Nutzen, etwa wie Gerhard Schlegel dies in seiner Arbeit »Das Zisterzienserkloster Dargun 1172–1552« (Leipzig 1980) praktizierte, doch möglicherweise verzichtete Wichert aufgrund der Vielfalt an ungedruckten Quellen für Doberan auf dieses Vorgehen. Auch alle kunst- und bauhistorischen Fragen bleiben in seiner Arbeit unberührt. Neue archäologische Erkenntnisse werden gelegentlich berücksichtigt, doch insgesamt ist die Arbeit eher geschichtswissenschaftlich als multi- oder interdisziplinär angelegt.
Der Verfasser legt einen Schwerpunkt seiner Darstellung auf die Besitzgeschichte des Klosters. Behandelt werden nach der Gründungsgeschichte die Entwicklung des Klosterbesitzes, wirtschaftliche Themen wie Landwirtschaft und Handwerk, die Beziehungen zu Städten sowie weltliche und geistliche Rechte der Abtei. Außerdem werden Fragen des Ordensstudiums, die Stellung des Klosters im Ordensverband und die Umstände der Säkularisation abgehandelt. Der Umfang und die detaillierte Entwicklung der Klostergüter im näheren Umfeld des Klosters lassen sich anhand der beschreibenden Darstellung und mehrerer Karten bis ins Detail verfolgen. Verbunden ist dies mit Untersuchungen der zehn Grangien sowie einer genauen Darlegung der schriftlichen Hinweise auf die Kontakte zu Städten, thematisch zugeordnet nach Salzstellen (Lüneburg und Sülze), Stadthöfen (in Rostock, Wismar, Lübeck und Güstrow) und Besitz an städtischen Mühlen. Insgesamt ergibt sich daraus ein beeindruckendes Bild von der Wirtschaftskraft dieser Zisterzienserabtei. Das größte Verdienst des Buches besteht wohl darin, dem Leser die wirtschaftliche Potenz und Bedeutung des bisher kaum explizit unter diesem Aspekt dargestellten Klosters Doberan vor Augen zu führen.
Wichert beschränkt sich aber nicht auf wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen, sondern bezieht auch andere Aspekte klösterlichen Lebens ein. Auf eine knapp gehaltene Aufzählung geistlicher Rechte (in erster Linie Archidiakonat und Kirchenpatronate) folgt eine ausführlichere Abhandlung zur Memorialpraxis im Kloster. Da das Kloster Doberan seine Wirtschaftskraft nicht zuletzt seiner Funktion als Grablege des mecklenburgischen Fürstenhauses und den damit verbundenen Zuwendungen verdankte und da die Abteikirche bis heute zahlreiche Grablegen aufweist, fügt sich dieser Themenkomplex inhaltlich noch geschlossener an die vorhergehenden Kapitel an, als es vom Autor selbst dargestellt wird, zumal es sich auch hier nicht um eine kunsthistorische, sondern »nur« um eine geschichtswissenschaftliche Darstellung handelt.
Es folgen ein knappes Kapitel über das Ordensstudium in Rostock und eine genauere Schilderung der Stellung des Klosters im Ordensverband. Gerade letzteres Kapitel, das seine Informationen zum großen Teil aus den »Statuta Capitulorum« bezieht, bietet auch einem nicht ausschließlich regionalgeschichtlich interessierten Leser eine Fülle von Informationen über das Funktionieren des Zisterzienserordens insgesamt.
Ein weiteres Kapitel, das eher Exkurs-Charakter hat, beschäftigt sich mit einer innerklösterlichen Auseinandersetzung in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um die überarbeitete Fassung eines bereits gedruckten Aufsatzes. Die material- und detailreiche Schilderung der Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppierungen im Kloster Doberan rechtfertigt unbedingt den erneuten Abdruck des Textes, der einen interessanten, wenn auch nicht gerade schmeichelhaften Beitrag zur Ordensgeschichte des 14. Jahrhunderts leistet.
Eine Abtsliste, eine (zwischen Literatur- und Abkürzungsverzeichnis versteckte) Stammtafel des mecklenburgischen Herrscherhauses sowie ein Personen- und Ortsregister runden den Band neben dem umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnis ab. Acht Seiten mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, deren Qualität aufgrund des relativ geringen Verkaufspreises des Buches begrenzt bleibt, ermöglichen einen kleinen Einblick in die heute noch sichtbaren baulichen Gegebenheiten vor Ort.
Wicherts Arbeit reiht sich in die in letzter Zeit zahlreich erschienenen Publikationen zur Geschichte der Zisterzienser östlich der Elbe ein und ist aufgrund umfangreicher Recherchen sowie einer exakten und dabei in populärwissenschaftlichem Ton gehaltenen Darstellungsweise lesenswert.
Heike Reimann in »Cîteaux«, Band 56, Heft 1+2/2004

 

Seit den Forschungen von Lisch (1837–1844), Compart (1875), Malchow (1880) und Schlie (1899) war keine systematische Abhandlung zur Geschichte der Zisterze Doberan mehr erschienen. Der Rostocker Historiker Sven Wichert stellt sich dieser Aufgabe. Auf der Grundlage von 463 Doberaner Urkunden aus dem Schweriner Landeshauptarchiv, 210 Urkunden des Kloster-Diplomatariums und von erzählenden Quellen wie Chroniken des Helmold von Bosau, Arnold von Lübeck und Ernst von Kirchberg verfasst Wichert eine umfassende Kloster-Monographie. Er beginnt mit der Gründung der Abtei (1171) auf Anregung des Diözesanbischofs Berno von Schwerin, des ehemaligen Zisterziensers aus dem sächsischen Amelungsborn (Filiation von Morimond), durch den Fürsten der Abodriten Pribislav von Rostock, schildert die Zerstörung und das Martyrium des Doberaner Konvents während des Slavenaufstands (1179) und die Wiedergründung Doberans (1186) mit Amelungsborner Mönchen. Verfolgt wird insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung der Neugründung bis zur Säkularisation 1552. Nach Wicherts Recherchen erwarb Doberan sich große Verdienste um Missionierung und Landausbau im Küstengebiet zwischen Trave und Peene, errichtete eine bedeutende Grundherrschaft mit Eigenbau (Grangien) und Pachtwesen, mit Ackerbau, Viehzucht, Mühlenbesitz in Mecklenburg und Pommern, Salinenanteilen in Sülze und Lüneburg, Fischfang auf der Ostsee, Handel auf eigenen Schiffen bis Skandinavien, mit wichtigen Stadthöfen in den Hafenstädten Rostock (vor 1263) und Wismar (seit 1312) und Gründungen der Zisterzen Dargun (1172/1209) und Pelpin (1258/1267). Was Doberans Rechtsstellung betrifft, verfügte die Abtei über das Hochgericht und übte nachweislich die Blutgerichtsbarkeit aus. Ablaßprivilegien, Reliquien und Patrozinien stärkten die Stellung des Klosters als spirituelles Zentrum, das Ordensstudium der Mönche in Rostock festigte die Bedeutung des Klosters als geistigen Mittelpunkt. Evident wird auch Doberan als Grablege Pribislavs und verschiedenen Fürsten von Mecklenburg, Werle und Rostock. Der Stellung Doberans im Ordens verband wird Wichert gerecht mittels einer detaillierten Analyse der Kontakte Doberans zu anderen Zisterzienserklöstern, insbesondere zum Mutterkloster Amelungsborn. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Doberan innerhalb des Ordensverbands übertragenen Kommissionen. Nach Erörterung über eine Krise des Klosters Doberan, über die Säkularisation der Abtei und ihr weiteres Schicksal bis zum Ende des 18. Jahrhunderts schließen im Anhang des Buches die Abtsliste der Zisterze, ein Quellen- und Literaturverzeichnis, die Stammtafel des mecklenburgischen Herrscherhauses, ein Abbildungsverzeichnis, ein Personen- und Ortsregister Wicherts sehr verdienstvolle Kloster-Monographie ab. Fritz Wagner in »Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatszeitschrift«, Heft 3/2002, S. 253

Die vorliegende Monographie des Rostocker Historikers Sven Wichert über das Zisterzienserkloster Doberan nimmt einen wichtigen Platz in der ambitionierten Zisterzienser-Reihe des noch jungen Berliner Lukas-Verlages ein. Ausgehend von der Gründung des Konventes 1171 widmet sich der Autor der wirtschaftlichen Stellung und Entwicklung Doberans, seinen geistlichen und weltlichen Rechten, dem geistigen Leben innerhalb und außerhalb der Klostermauern, um abschließend die Stellung Doberans im Ordensverband zu beleuchten. Als erste Doberan gewidmete Abhandlung überhaupt erfaßt die Arbeit den im Schweriner Landeshauptarchiv aufbewahrten Gesamtbestand von 463 Doberaner Urkunden. Ergänzend hierzu werden das 210 Urkunden umfassende Diplomatarium des Klosters und erzählende Quellen hinzugezogen. Gestützt auf diese Quellenbasis gelingt dem Autor eine luzide, wenn auch nicht jedes Detail der Klostergeschichte letztgültig klärende Darstellung, die zu den überzeugenden Vertretern des Genres »Klostermonographie« gerechnet werden darf. […]
Die Beziehung Doberans zu seinem Mutterkloster Amelungsborn sind intensiv, derart intensiv, daß 1341 vom Doberaner Abt ein Verfahren in Paternitäts- und Visitationsfragen gegen das Mutterkloster angestrengt wird. Diesem Prozess, dessen 151 Punkte umfassende Klageschrift erhalten ist, wird ein umfangreiches, vielleicht das instruktivste Kapitel der gesamten Arbeit gewidmet. Angenehmer Sprachduktus, kluge Gliederung, rund 20 Abbildungen und Schautafeln lassen die Lektüre dieser Monographie, die durch ein Orts- und Personenregister erschlossen wird, zu einem instruktiven, horizonterweiternden Unterfangen werden. Ralf Lützelschwab in »Cistercienser Chronik. Forum für Geschichte, Kunst, Literatur und Spiritualität des Mönchtums«, Heft 1/2001 (108.
Jg.)