Gerd Ahlers
Band
13: Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in
Niedersachsen
Gerd Ahlers, entschiedener und
profilierter Vertreter der These von der Inkorporationsunwilligkeit des Ordens
bietet den Forschungsstand
leicht polarisierend dar. […] Ahlers Werk ist dem
Titel gemäß zweigeteilt: Das
Verhältnis zwischen dem Zisterzienserorden und den Frauenklöstern der Zisterziensischen Observanz und Zisterziensischen [!] Frauenklöster in Niedersachsen.
Im zweiten Teil beabsichtigt Vf. für die zwanzig
niedersächsischen Konvente – darunter die liturgiegeschichtlich einschlägigen
Medingen und Wienhausen (»Anweisungen, die die Liturgie in der Klosterkirche
betrafen, kamen, wie beispielsweise 1398 belegt ist, vom zuständigen
Ortsordinarius«) –, »die jeweilige Form der ›ordo cisterciensis‹-Zugehörigkeit … aufzuzeigen und vor dem
Hintergrund des politischen Umfelds so weit wie möglich zu erklären«. Sein
Ergebnis: »Mit Lilienthal [bei Bremen] liegt der einzige Fall eines dem
Zisterzienserorden inkorporierten Konvents vor«. Belegt nicht schon dieses
Zahlenverhältnis, dass die Ende des zweiten Jahrtausends aus den
mittelalterlichen Rechtsquellen erhobenen Kategorien nur eine Weise
darstellen, Zugehörigkeit zum Orden von Citeaux
angemessen zu erfassen? Die Alternative des Autors: »Weibliches
Zisterziensertum existierte entweder inkorporiert oder nichtinkorporiert; eine
von unbestimmten Ordensrelationen geprägte Grauzone gab es nicht«, und das Selbstverständnis
der einzelnen Frauenkonvente kommen offensichtlich schlecht zusammen. Um recht
verstanden zu werden: Vf. belegt hinreichend, dass
seine Fragestellung zu neuen Einsichten über die jeweiligen
Zisterzienserinnenklöster führt. Aber – von der Inkorporation als Sonderfall
überzeugt – nun daran zugehen, die Ordens-Zugehörigkeit zu widerlegen, dürfte
sich im Blick auf den Erkenntnisfortschritt als unergiebige Engführung
erweisen, wenn sie nicht zugleich für das umgekehrte Forschungsinteresse
sensibilisiert: Wie lässt
sich wissenschaftlich wahrnehmen, wie die einzelnen Zisterzienserinnenklöster
ihre Zugehörigkeit zum Orden begriffen und vor Ort konkretisiert haben?
S.L. in: Archiv für Liturgiewissenschaft,
48. Jg., 2006, Heft 3
Die von Kaspar Elm betreute Dissertation [FU Berlin] nimmt ein in der
heutigen wissenschaftlichen, aber vor allem auch öffentlichen Diskussion häufig
erörtertes Thema mit dem Schwerpunkt für Niedersachsen auf. Dabei weist der
Verfasser die in letzter Zeit gegenüber der älteren Forschung mit ihrer
Betonung der Ablehnung der Frauen durch die Zisterzienser geäußerte Kritik
zurück. Er untersucht dazu das Verhältnis zwischen dem Orden und den
Frauenklöstern der zisterziensischen Observanz, die Inkorporation der
Zisterzienserinnenklöster durch das Generalkapitel und die Zisterzienserinnen
außerhalb der Ordensorganisation. Im Anschluß an diese Untersuchungen, die
zusammenfassend die ältere Forschung bestätigen, daß die Zisterzienser die
Frauen abgelehnt haben, folgt ein Verzeichnis der niedersächsischen
Zisterzienserinnenklöster, die die jeweilige Form der Zugehörigkeit dieser
Konvente zur »ordo cisterciensis«
aufzeigt und vor dem Hintergrund des jeweiligen politischen Umfeldes erklärt.
Erfaßt werden dabei Klöster, die in den Diözesen Osnabrück [3], Minden [2],
Bremen [4], Verden [1], Hildesheim [6] und Mainz [4] liegen. Die Arbeit bietet
einen interessanten Anknüpfungspunkt für die weitere Forschungsdiskussion. Der
Verfasser hat eine wichtige Untersuchung zur weiteren Zisterzienserforschung
geleistet, ob man seine Sehweise teilt oder nicht.
Immo Eberl in: »Rottenburger Jahrbuch für
Kirchengeschichte«, H23/2004
Seit den 1980er Jahren
findet in der Zisterzienserforschung eine Auseinandersetzung darüber statt,
welche Haltung der Orden gegenüber Frauenklöstern im Mittelalter einnahm. Nach
älterer Auffassung stand der Zisterzienserorden der Inkorporation (der
formellen institutionellen Eingliederung) von Frauenkonventen ablehnend
gegenüber. Dagegen setzte Brigitte Degler-Spengler
mit großer Resonanz die These, die Zisterzienser hätten die Integration von
Frauen im 12. Jahrhundert grundsätzlich gefördert und seien auch im 13.
Jahrhundert inkorporationswillig gewesen. Dieser Ansatz wiederum wurde durch
Studien von Franz Josef Feiten und Gerd Ahlers
dahingehend revidiert, daß die abweisende Haltung des Ordens eher faßbar sei
als die von Degler-Spengler und anderen postulierte
Offenheit. Gerd Ahlers geht in seiner Dissertation
von der Beobachtung aus, daß die widersprüchlichen Grundsatzbeschlüsse und
administrativen Maßnahmen des Ordens aus der ersten Hälfte des 13.
Jahrhunderts, die unterschiedlich konsequente Umsetzung von formulierten Normen
und die individuellen Kontakte einzelner Frauenklöster zur Ordensorganisation
keine eindeutige Einschätzung der Ordenshaltung erlauben. Er will im ersten
Teil seiner Arbeit Kriterien aufstellen, die es ermöglichen sollen, die
Beziehungen zwischen dem Zisterzienserorden und zisterziensischen
Frauenkonventen generell zu klären und somit zu einer fundierten Beurteilung
der Inkorporationspraxis zu kommen. Im zweiten Teil verfolgt er auf dieser
Grundlage sein eigentliches Ziel, zwanzig Zisterzienserinnenklöster im Gebiet
des heutigen Niedersachsen im Hinblick auf ihre Inkorporation oder
Nichtinkorporation zu bestimmen und die jeweilige Form ihrer Zugehörigkeit zum
Orden im politischen Kontext zu beleuchten. Es handelt sich dabei um die
Klöster Rulle, Bersenbrück und Börstel
(Diözese Osnabrück), Rinteln und Mariensee (Diözese Minden), Meerhusen, Neuenwalde, Lilienthal und Himmelpforten
(Erzdiözese Bremen), Medingen (Diözese Verden), Wöltingerode,
Neuwerk/Goslar, St. Crucis/Braunschweig, Wienhausen, Isenhagen
und Derneburg (Diözese Hildesheim), Wiebrechtshausen,
Osterode, Mariengarten und Höckelheim (Erzdiözese
Mainz). Ahlers holt im ersten Teil seiner Studie zunächst
weit aus, indem er grundsätzliche monastisch-klerikale Positionen, was den
Umgang und das Zusammenleben mit Frauen betrifft, skizziert. Vor diesem
Hintergrund markiert er die Einführung der Klausur in den zisterziensisch
orientierten Gründungen von Frauengemeinschaften im 12. Jahrhundert als ein
wesentliches Anliegen der Zisterzienser und der Klosterreformbewegung
insgesamt. Er schildert die Organisationsstruktur der Frauenklöster Tart und Las Huelgas und setzt
sich mit Degler-Spenglers Sichtweise auseinander,
nach der diese Gründungen das Engagement der Zisterzienser gegenüber
Frauenklöstern belegen (die Ambivalenz der Haltung Bernhards von Clairvaux
hätte hier deutlicher herausgearbeitet werden können). Im umfangreichen Kapitel
über die Inkorporationen von Frauenklöstern durch das Generalkapitel im 13.
Jahrhundert zeigt Ahlers detailliert, daß der
schwelende Konflikt mit dem Papsttum die Ordensleitung zu einem zweigleisigen,
in sich widersprüchlich anmutenden Vorgehen veranlaßte. Da die Inkorporation mit
der Exemtion von der Jurisdiktion und Aufsicht des zuständigen Bischofs
einherging, wurde der Orden durch den Papst verpflichtet, die juris-diktionelle und administrative Verantwortung sowie
die Seelsorge für das jeweilige Kloster übernehmen. Die cura
monialium allerdings wurde von Seiten des Ordens
als schwere Belastung empfunden, war doch damit ein Aufenthalt von Mönchen in
Frauenklöstern verbunden. Um sich der cura monialium zu entledigen, bemühte sich der Orden, ein
offizielles Inkorporationsverbot als ordensrechtliches Prinzip zu errichten und
dafür die päpstliche Anerkennung zu erhalten. Zugleich mußte er aber aktuellen
Inkorporationsmandaten des Papstes nachkommen. Schritt für Schritt erreichte
der Orden, daß das Inkorporationsverbot päpstlich approbiertes Ordensrecht
wurde, wenngleich der Papst weiterhin von Fall zu Fall ein Inkorporationsmandat
erlassen konnte. Zur Seelsorge wurden statt der Zisterziensermönche
ordensfremde Geistliche in die Frauenklöster entsandt – eine Praxis, die zu
vielfältigen Konflikten führte und nach Ahlers »wohl
auch eine der Hauptursachen für den spirituellen Niedergang vieler weiblicher
Ordensklöster im 14. und 15. Jahrhundert« war. Als zum »ordo
cisterciensis« gehörig galten im Mittelalter auch
zahlreiche Frauenklöster, die der Ordensorganisation nicht offiziell
inkorporiert waren. Sie hatten nach Ahlers ebenso wie
die inkorporierten Konvente ein Anrecht, die allgemeinen Privilegien der
Zisterzienser zu genießen, waren also rechtlich gleichgestellt, »sofern ihnen
eine zisterziensisch orientierte Form monastischen Lebens offiziell bescheinigt
war«. Den damit verbundenen Anspruch auf Exemtion von den Bischöfen konnten sie
in der Praxis aber nicht umsetzen. Die zuständigen Bischöfe spielten als
diejenigen, die die Exemtion gewährten, bei der Frage von Inkorporation bzw.
Nichtinkorporation eine entscheidende Rolle. Für den niedersächsischen
Untersuchungsraum weist Ahlers daraufhin, daß die
Bischöfe ihre Oberaufsicht gerade über jene Konvente wahrten, die an der
Peripherie ihrer Diözese lagen und ihnen als Ausgangspunkte territorialer
Politik jenseits der Stiftsgebiete dienten. Nachrichten über bischöfliche
Eingriffe in Klosterangelegenheiten dienen im zweiten Teil der Untersuchung,
dem Verzeichnis niedersächsischer Zisterzienserinnenklöster, als ein
wesentlicher Indikator dafür, daß ein Frauenkonvent nicht exemt und somit nicht
inkorporiert war. Allein Lilienthal wird hier als ein dem Zisterzienserorden
inkorporiertes Kloster identifiziert. Durch diesen Befund sieht Ahlers seine Annahme gestützt, »daß generell weder das
Generalkapitel der Zisterzienser noch die zuständigen Bischöfe aus eigenem
Antrieb für Ordensaffiliationen von Zisterzienserinnenkonventen agierten« – ein
Ergebnis, das, wie er selbst anregt, durch vergleichende regionale
Untersuchungen überprüft werden müßte. Wie schon im Titel deutlich wird, ist es
schwierig, eine allgemeine Studie über das Verhältnis des Zisterzienserordens
zu Zisterzienserinnenklöstern mit einer regionalen Untersuchung zu einem
einheitlichen Werk zusammenzuschweißen. Der in dieser Besprechung nur knapp
gewürdigte instruktive Teil über die Klöster im Gebiet von Niedersachsen hätte
sicher, mit einer entsprechenden Einleitung versehen, auch für sich stehen
können (während die eher einführenden Kapitel des ersten Teils ein wenig breit
geraten sind). Er zeigt mit seinen empirisch erhobenen Einzelbefunden einmal
mehr, daß ein flächendeckender Entwurf noch nicht in Sicht ist.
Cordula
Nolte in »Forum Mittelalter«, 9/2004
Die zwanzig seit dem
Mittelalter als Zisterzienserinnenkonvente geltenden oder erwähnten
Frauengemeinschaften im niedersächsischen Raum werden in dieser Berliner
Dissertation (FU, 1997) nach ihrem Verhältnis zum Zisterzienserorden und zu
regionalen Gewalten untersucht. Insofern verspricht der Titel mehr, als über
die Klöster zu erfahren ist, für die im übrigen auf die Überblicke in den
Bänden 11 (1984) und 12 (1994) der »Germania Benedictina«
verwiesen wird. Die Darstellung ihrer Rechtslage in Bezug auf den Orden und
innerhalb der Diözesen – nach denen geordnet sie im zweiten Teil der Arbeit
abgehandelt sind – sowie Territorien soll allerdings eine Interpretation
untermauern, die den ersten Teil einnimmt und die der Autor an durch Breite und
Lage geeignetem regionalgeschichtlichen Material prüfen wollte.
Es geht ihm um die Frage, ob und ggf. warum und wie sich der Orden seit seiner
Gründung für die Integration von Frauenklöstern aufschloß. Die Frage wird
besonders seit den Arbeiten von Brigitte Degler-Spengler
ab 1982 kontrovers diskutiert, die entgegen der herrschenden Meinung, nach der
der Orden den Aufbau eines weiblichen Zweiges zu vermeiden suchte, die
unbezweifelbare Bereitschaft zur Inkorporation von Zisterzienserinnen sieht,
also zur vollen Eingliederung mit allen Rechtsfolgen und praktischen Problemen
des geistlichen und weltlichen Alltags.
Ahlers bestreitet diese Sicht und nimmt erneut die
Quellen des Ordens vor, die z.T. einander zu widersprechen scheinen und zu den
widersprüchlichen Urteilen geführt haben, und gewichtet sie für seine
Grundsatzfragen. Als Voraussetzung für das Verhalten des Ordens gegenüber
Frauengemeinschaften hebt er dessen strikte Ablehnung des Umganges von
Ordensangehörigen mit Frauen hervor, die nicht nur in der Ordensliteratur,
sondern auch seit einem Statut von 1134 in den Normquellen deutlich wird.
Allerdings beobachtet auch er, daß der Orden als Institution sich zwar von der
Übernahme der vollen Verantwortung für zisterziensisch lebende Frauenkonvente
im 12. Jahrhundert fernhielt, aber ihre Gründungen und gelegentliche Bindungen
an einzelne Äbte nicht verhinderte und die Bezeichnung als Zisterzienserinnen
nicht bekämpfte. Daß sich das Generalkapitel offenbar erst im 13. Jahrhundert
mit der Angliederung von Frauenklöstern befaßte (Ahlers:
zwischen 1202 und 1206), erklärt der Verfasser mit dem Druck der Päpste, die
das weibliche Religiosentum für häresieanfällig hielten und jeweils geeigneten
Orden durch Mandat zuzuführen suchten, in der Regel auf Wunsch von
Bittstellern, die sich übrigens auch direkt an den Orden wandten.
Ahlers zeichnet die sich in den Beschlüssen des
Generalkapitels ausprägende Politik nach: Mindestens den päpstlichen Befehlen
konnte sich der Orden nicht verweigern, doch rechtlich behandelte er die
schließlich vielen Inkorporationen als Ausnahmen von dem 1220 formulierten und
oft wiederholten Verbot. Die Ausnahmen konnten nur unter Bedingungen und nach
Prüfung allein von dem Generalkapitel zugelassen (abgelegene Lage,
wirtschaftliche Sicherung, strenge Klausur), abgelehnt oder später rückgängig
gemacht werden. Meistens wurden die Äbte von Cîteaux oder Clairvaux als Vateräbte eingesetzt, die ihre Aufsichtspflichten an Äbte
aus der jeweiligen Nachbarschaft delegierten. Für die Seelsorge und die
Geschäftsführung wurden hingegen möglichst Ordensfremde bestimmt, als Pröpste
oder Prokuratoren oder Provisoren sogar Laien, um Ordensangehörige nicht zu
gefährden. Für die nichtinkorporierten Zisterzienserinnenklöster lehnte der
Orden ausdrücklich Seelsorge und Aufsicht ab. Er erklärte sich aber einverstanden
mit der Nachahmung der Lebensform (1228). Auch für sie galten die päpstlichen
Privilegien für Zisterzienser (oft sogar die Exemtion von der bischöflichen
Gerichtsbarkeit), sofern sie von den zuständigen Bischöfen anerkannt waren und
unter deren Aufsicht standen. Die Bischöfe mußten übrigens die Anträge auf
Inkorporation und Exemtion genehmigen. Der Verfasser beobachtet, wie dieser
Zustand durch Bischöfe und weltliche Herren für territorialpolitische Ziele
genutzt wurde, wobei die geographische Lage eine besondere Rolle spielte. So
konnte den Bischöfen im Ganzen wenig an der Inkorporation liegen, wenngleich
sie die Visitation gelegentlich an Zisterzienseräbte
vergaben. Für die Nichtinkorporation sprach auch der Einfluß, der durch Auswahl
und Einsetzung von Pröpsten auszuüben war.
Die Einzeluntersuchungen des zweiten Teils ergeben, daß nur Lilienthal dem
Orden inkorporiert war (Ahlers erklärt die Aufnahme
mit der Stedingerproblematik). Bei den Klöstern in Rinteln, Meerhusen,
Neuenwalde konnte Ahlers auch
nicht klären, ob sie tatsächlich als zisterziensisch einzuordnen sind, wiewohl
sie zuweilen so bezeichnet werden. Für die Klöster in Rulle,
Bersenbrück, Börstel, Himmelpforten, Wöltingerode, Wienhausen, Isenhagen,
Derneburg sieht er eindeutigen bischöflichen Einfluß, für Neuwerk in Goslar,
St. Crucis vor Braunschweig, Wiebrechtshausen,
Osterode und Höckelheim weltliche Herrschaft
überwiegen, in Mariensee, Medingen und Mariengarten beobachtet er die Zunahme
welfischer Macht.
Ahlers ermöglicht die Kontrolle seiner
Interpretationen durch ausführliche Quellenzitate. Die Argumentation wirkt in
sich schlüssig, klärt sie doch die Widersprüchlichkeit innerhalb der
Beschlußlage des Ordens wie auch das Vorhandensein zahlreicher
Zisterzienserinnenklöster ohne die Ordenszugehörigkeit auf.
Katharina Colberg, in: Niedersächsisches
Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 76 (2004), S. 440–441
Die Berliner Dissertation befaßt sich mit der in der Forschung
umstrittenen Frage, »welcher Platz den zisterziensischen Frauenklöstern in der
Organisationsstruktur des Klosterverbandes zugewiesen worden war«, und will »das jeweilige
Verhältnis der niedersächsischen
Zisterzienserinnenkonvente zum Zisterzienserorden in Hinsicht auf Ordensinkorporation bzw.
Nichtinkorporation« klären. Zunächst untersucht der Verfasser das grundsätzliche »Verhältnis
zwischen dem Zisterzienserorden und den Frauenklöstern der Zisterziensischen
Observanz«. Er stellt
fest, daß der Mönchsorden die Betreuung, Integration und Inkorporation von
Frauenklöstern ursprünglich ablehnte. Erst ab 1200 kam es auf Druck des
Papsttums zu einer »kirchen- und ordensrechtlich geregelten Integration von weiblichen Konventen« bis hin zur
Inkorporation. Der Orden stand der Integration aber weiterhin reserviert gegenüber und verbot
das Zusammenleben von
Mönchen und Frauen, so daß die Beziehungen eher locker als dauerhaft waren. Die Diözesanbischöfe fürchteten um ihre
Aufsichtsrechte und waren Gegner
der Inkorporation. Die Untersuchung der nach Diözesen geordneten »Zisterziensischen Frauenklöster in
Niedersachsen« stützt diese Ergebnisse. Es
handelt sich um Bersenbrück, Börstel, Braunschweig
(St. Crucis), Derneburg, Goslar (Neuwerk),
Himmelpforten, Höckelheim, Isenhagen,
Lilienthal, Mariengarten, Mariensee,
Medingen, Meerhusen, Neuenwalde, Osterode, Rinteln, Rulle, Wiebrechtshausen,
Wienhausen und Wöltingerode. Von diesen insgesamt
zwanzig Frauenklöstern aus dem 12.–15. Jahrhundert war nur Lilienthal dem Orden tatsächlich inkorporiert.
K. N. in »Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters«, Bd.
60,1 (2004), S. 404]
Die
Geschichte des christlichen Mönchtums ist nicht nur eine Männer-, sondern von
Anfang an auch eine Frauengeschichte. Vom Ende des 11. bis in das 13.
Jahrhundert hinein setzte ein Prozeß ein, in dessen Verlauf Frauen aus allen
Bevölkerungsschichten in die Klöster, insbesondere in die der Zisterzienser,
strömten. Obwohl es schon im 12. Jahrhundert erste zisterziensische
Frauenklöster gab, begann die Äbteversammlung erst
Anfang des 13. Jahrhunderts Frauenkonvente formell in den Orden aufzunehmen.
Gerd Ahlers hat in seiner an der Freien Universität
Berlin angenommenen Dissertation auf breitem Quellenmaterial die 20 im
Mittelalter auf dem Gebiet Niedersachsens gegründeten
Zisterzienserinnenkonvente in ihrem Verhältnis zum Zisterzienserorden
untersucht. Von ihnen erlangte allein das bremische Lilienthal den Status eines
dem Orden inkorporierten Klosters. Mit seinem ordensrechtlich ausgerichteten
Forschungsansatz kommt Ahlers zu dem Ergebnis, daß
das Papsttum seit Beginn des 12. Jahrhunderts mit seinem Bestreben gescheitert
ist, die Nonnenklöster generell als einen homogenen weiblichen Zweig unter der
Aufsichtsgewalt des Generalkapitels zu etablieren. Die Ursachen dafür lagen im
theologisch motivierten Widerstand der Zisterzienser und im Desinteresse des
territorialpolitisch engagierten Episkopats. Diese gut lesbare Studie ist nicht
nur für die mittelalterliche Kirchengeschichte, sondern gerade für die
Territorialgeschichte ertragreich.
Rainer Hering in »Auskunft. Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und
Information in Norddeutschland«, Juni 2003, Heft 2/3, S.358/359
Seitdem
Fritz Winter das »gespaltene Verhältnis« der Zisterzienser zum »weiblichen
Zweig ihres Ordens« diskutierte und das unterschiedliche Rechtsverhältnis der
weiblichen Zisterzen zum Orden analysierte, ist das
dieses Thema ein wichtiger Gegenstand der Ordensforschung schlechthin
geblieben.
Auf der Grundlage reichen Quellenmaterials führt nun der Historiker Gerd Ahlers mit einem neuen, ordensrechtlich begründeten Forschungsansatz
den Nachweis, daß das Papsttum seit Beginn des 12. Jahrhunderts mit seinen
Bemühungen scheitern mußte, die Nonnenklöster generell als einen homogenen
weiblichen Zweig unter der Aufsichtsgewalt des Generalkapitels zu etablieren.
Am Beispiel der Zisterzienserinnenkonvente Niedersachsens macht Gerd Ahlers evident, daß – abgesehen vom bremischen
Zisterzienserkloster Lilienthal – keine Frauenzisterze
den Status eines dem Orden inkorporierten Klosters erlangte, weil der
theologisch motivierte beharrliche Widerstand der Zisterzienser mit dem
Postulat »Feminarum cohabitatio
nobis et conversis nostris omnino interdicta est« die Inkorporation
eines Frauenklosters ebenso zur Ausnahme machte wie das Desinteresse des
territorialpolitisch engagierten Episkopats. Behandelt werden zwanzig
Frauenklöster des »ordo cisterciensis«
der Diözesen Osnabrück (Rulle, Bersenbrück, Börstel), Minden (Rinteln, Mariensee), Verden (Medingen),
Hildesheim (Wöltingerode, Goslar-Neuwerk,
Braunschweig-St. Crucis, Wienhausen, Isenhagen,
Derneburg) sowie der Erzdiözesen Bremen (Meerhusen,
Neuenwalde, Lilienthal, Himmelpforten) und Mainz (Wiebrechtshausen,
Osterode, Mariengarten, Höckelheim).
Erfolgreich hat Gerd Ahlers die Thematik dadurch
gelöst, daß er ordensgeschichtliche und lokalgeschichtlich ausgerichtete
Forschung miteinander verbindet und auf diese Weise die oft »abstrakt«
behandelte Problematik in ihren eigentlichen Kontext, in das Spannungsfeld von
Orden, Papsttum, Episopat und weltliche Obrigkeit
stellt. Das Buch ist nicht nur ein sehr wichtiger, aufschlußreicher Beitrag zur
Problematik des Verhältnisses des Zisterzienserordens zur »Frauenfrage«,
sondern auch eine bemerkenswerte Analyse für die landesgeschichtlich
orientierte Ordensforschung. Erwünscht wäre ein zuverlässiges Personen- und
Ortsregister. Fritz Wagner in »Cistercienser Chronik. Forum für Geschichte,
Kunst, Literatur und Spiritualität des Mönchtums«, Heft 2/2002, S.311/12