Winfried Töpler
Band 14: Kloster Neuzelle

 

Das heute am östlichen Rand des Landes Brandenburg gelegene ehemalige Zisterzienserkloster Neuzelle erstaunte den Besucher mit seiner – im protestantischen Nordosten völlig unerwarteten – katholisch-barocken Pracht. Wollte er den historischen Rahmen, in dem dieser einzigartige Ort entstehen und sich entwickeln konnte, ergründen, so merkte er bald, daß die wenigen entsprechenden Darstellungen nicht die von ihm gewünschten Antworten gaben. Die zwischen unterschiedlichen Herrschaften, aber in allen Perioden der Klostergeschichte vorhanden gewesene Grenzlage hatte dazu geführt, daß die das Kloster betreffenden historischen Quellen zum Teil unwiederbringlich zerstört, andererseits auf zahlreiche, zum Teil weit entfernte Archive verstreut sind. Das ungünstige Geschick, daß über die Quellen zur Klostergeschichte waltete, ist deshalb lebhaft beklagt worden.
In der vorliegenden, 2001 an der Freien Universität Berlin verteidigten Dissertation, hat der Autor die u.a. auf das Zentrale Staatsarchiv in Prag, das Preußische Geheime Staatsarchiv PK in Berlin Dahlem, das Brandenburgische Landeshauptarchiv in Potsdam, das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden, das Staatliche Bezirksarchiv in Leitmeritz (Tschechien) und kirchliche Archive wie die des Domstiftes Bautzen und der im staatsrechtlichen Schicksal mit Neuzelle vereinten, aber noch heute bestehenden Zisterzienser-Nonnenklöster Marienstern und Marienthal zusammengetragen. Als gebürtigem Neuzeller gelang es Töpler auch, die noch am Ort und der lausitzischen Umgebung sehr verstreut erhaltenen Quellenbestände zu sichten und so für die Nachwelt aufzuzeigen. Auf nahezu 600 Seiten zeichnet Töpler die Geschichte des Klosters von den Anfängen im 13. Jahrhundert bis zur Aufhebung nach dem Übergang der Niederlausitz von sächsischer zu preußischer Herrschaft im Jahre 1817 sowie skizzenartig die weitere Geschichte des Komplexes bis zur Gründung der Stiftung durch das 1990 wiedererstandene Land Brandenburg Von besonderem Interesse ist neben weiterführenden Überlegungen zum Gründungskontext vor allem die Geschichte des katholischen Klosters in einem seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts evangelisch gewordenen Umfeld. Entscheidend für die Fortexistenz war die Landesherrschaft der böhmischen Krone über die Niederlausitz, in deren Ständevertretung das Kloster Sitz und Stimme besaß. Auch die inmitten der Wirren des Dreißigjährigen Krieges gemäß des Prager Friedens von 1635 erfolgte Überlassung der Landesherrschaft über die Lausitzen beließ den Habsburgern als böhmischen Königen ein »Schutzrecht« über die in der Lausitz verbliebenen katholischen Einrichtungen. So wurde der Kontakt zu Böhmen eine Lebensader der Zisterze. Auch die Mönche kamen zumeist wohl aus den habsburgischen Landen. Besonders delikat war das Verhältnis zur evangelischen Kirche, zu der sich auch die überwiegende Mehrheit der Klosteruntertanen bekannte. Für deren geistliche Versorgung mußte die Zisterze ebenso wie andere Patronatsherren sorgen. Ein besonderes Augenmerk galt den wenigen katholisch gebliebenen Untertanen und deren geistlicher Versorgung. Gegenreformatorische Missionsversuche fanden nicht statt. Sedisvakanzen nach dem Tod eines Abtes erschütterten das Kloster inmitten einer protestantischen Nachbarschaft immer wieder in besonderer Weise.

Ein umfangreicher Anhang mit Porträts der Äbte, einer Edition von Quellen zur Klostergeschichte (1557–1817), Listen der Äbte, Generalvikare, Seelsorger in Frauenklöstern und außerhalb des Klosters tätigen Geistlichen sowie Karten, Glossar und Register schließen das Werk ab.
Felix Escher im »Wichmann-Jahrbuch des Diözesangeschichtsvereins Berlin«, Neue Folge 8, 44.–45. Jahrgang/2004/2005

Die umfangreiche Arbeit gliedert sich in eine einleitende Darstellung der Quellen zur Klostergeschichte und des Forschungsstandes sowie die Klostergeschichte selbst in chronologischer Epochenabfolge. Ausgehend von der Gründung des Klosters und dessen mittelalterlicher Geschichte geht die Darstellung über das Zeitalter der Reformation und der Erneuerung durch das Tridentinum, den 30-jährigen Krieg mit dem Übergang des Klosters von der böhmischen zur sächsischen Herrschaft, dem Zeitalter des Barock und der Aufklärung zur Aufhebung des Klosters mit der weiteren Entwicklung vor Ort bis zur Gegenwart mit ihrer musealen Wahrung der Klosteranlage. Der Verfasser behandelt in den einzelnen Kapiteln die Beziehungen des Klosters zum jeweiligen Landesherrn und zu den Regierungen, aber auch zu den kirchlichen Institutionen. Insbesondere ist dabei die Darstellung des Verhaltens des Abtes als Mitglied der Prälatenkurie gegenüber den Standesherren und dem Landvogt sowie der Oberamtsregierung bis zu den Einzelheiten aufschlußreich. Der Verfasser hat erstmals eine umfassende Geschichte des Klosters Neuzelle vorgelegt, obwohl er eine solche nach seiner Einleitung eigentlich nicht schreiben wollte. Eine über die Klostergeschichte hinausreichende Neuerung bietet die im Anhang der Arbeit gelieferte Zusammenstellung der heute noch vorhandenen Äbteportraits, die für die Bedeutung dieser erstmaligen Zusammenstellung in der Druckqualität sehr schlecht sind. Der Band schließt mit einer Liste der Äbte, Generalvikare der böhmischen Ordensprovinz, Seelsorger in Frauenklöstern, außerhalb des Klosters tätigen Geistlichen sowie den Quellen. Wertvoll sind auch die dem Band beigegebenen Karten des Klosterbezirks und der Herrschaft Neuzelle. Der Band ist insgesamt ein begrüßenswertes Werk, das die Forschung zur Geschichte der Zisterzienser weiter voranbringt.
Immo Eberl in: »Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte«, H.23/2004

Töpler legt hier eine verwaltungsgeschichtliche Arbeit vor, die auf eine 2001 an der FU Berlin verteidigte Dissertation zurückgeht. Er zeichnet sehr quellennah die Beziehungen des 1268 an der Nordostgrenze der damals noch als Lausitz bezeichneten Landschaft (der heutigen Niederlausitz) gegründeten Zisterzienserklosters Neuzelle zu den weltlichen und geistlichen Mächten nach und will damit »die Beständigkeit und besondere Stellung des Klosters in der durch Reformation und Herrschaftswechsel veränderten Umgebung« herausarbeiten, ohne jedoch eine »umfassende Klostergeschichte« vorzulegen (S. 23).
Das Buch gliedert sich im Anschluß an ein der Gründungsgeschichte und den Problemen ihrer zeitlichen und räumlichen Verortung gewidmetes Kapitel in fünf chronologisch definierte Großkapitel: das Kloster im Mittelalter; die Zeit der Reformation und Erneuerung 1500–1620; die Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1620–1650); die Zeit des Barock und der Aufklärung (1650–1815). Es folgt ein Abschnitt über die Aufhebung des Klosters im Jahre 1817 und darüber hinausreichend noch ein Kurzkapitel zur Verwaltung des Stifts Neuzelle im 19. Jahrhundert. Die fünf Großkapitel sind jeweils parallel nach demselben Schema in Unterabschnitte untergliedert: Zunächst wird das Verhältnis zu den weltlichen Mächten oder Gewalten behandelt, dann die Beziehungen zu den geistlichen Institutionen, die »innerkirchlichen« Verhältnisse. Schließlich werden in einem eigenen Unterabschnitt die Abtwahlen, Visitationen und ggf. Sedisvakanzen des jeweiligen Zeitabschnitts dargestellt.
Dieses Gliederungsschema wird mit den in den Quellen überlieferten Details gefüllt, wobei Wesentlicheres und Unwesentlicheres nebeneinander steht. Töpler faßt unter »Beziehung« alles, was in den schriftlichen Quellen als »Kontakt« greifbar wird – angefangen von den Besitzübertragungen über Rechtsgeschäfte aller Art bis hin zu Privilegienbestätigungen und Visitationen. Er stellt vielfältiges Material zusammen, auch zur Besitzgeschichte des Klosters.

Historisch am interessantesten sind jedoch die Unterabschnitte über die Abtwahlen und die Sedisvakanzen. Eine folgenreiche Besonderheit in der Geschichte des Klosters Neuzelle liegt nämlich darin, daß es nach der Reformation als katholische Institution in einer evangelischen Landschaft bestehen blieb. Innerhalb dieser Umgebung mußte es darum kämpfen, seine Eigenständigkeit und seinen Charakter als geistliche Institution zu behaupten. Kristallisationspunkt dieser Auseinandersetzungen wurde die Frage der Abtwahl und Abteinsetzung. Hatten sich bereits die böhmischen Könige zur Finanzierung der Türkenkriege Zugriffsmöglichkeiten auf das Klostervermögen verschafft, so intensivierten sich die landesherrlichen Eingriffe unter den Wettinern, die ab 1635 vollgültig in die Landesherrschaft eintraten. Der Landesherr betrachtete es als sein Recht, dem Abt die Stiftsherrschaft zu übertragen (S. 246). Unter den Herzögen von Sachsen-Merseburg steigerten sich die Zugriffe von landesherrlicher Seite bis hin zu dem Kloster aufgezwungenen Sedisvakanzverwaltungen, die ihren Höhepunkt in der »bürgerkriegsähnlichen Sedisvakanz« von 1727 (S. 372 ff.) fanden. Töpler stellt diese Ereignisse von Fall zu Fall en detail dar und beleuchtet auch die Rolle der Landesverwaltung dabei. Es ist schade, daß er diese Vorgänge nicht deutlicher in den Mittelpunkt der Darstellung gerückt hat. Sie hätten es verdient, bereits in der Einleitung in Form einer historischen Fragestellung zur Geschichte des Klosters begrifflich gefaßt und herausgestellt zu werden, um daraus einen roten Faden für die Darstellung zu entwickeln. In der vorliegenden Arbeit wird das Thema in den abschließenden Unterabschnitten der einzelnen Großkapitel quasi zu Einzelstücken aufgebrochen dargeboten. Leider sind diese Unterabschnitte im Gesamtduktus der Darstellung sehr verstreut und versteckt. In den jeweils beigegebenen Zusammenfassungen werden die einzelnen Ereignisse auch verfassungsgeschichtlich eingeordnet. Im Vergleich mit der Geschichte anderer Klöster zeigen sich insbesondere die Sedisvakanzverwaltungen als eine Neuzeller Besonderheit (S. 427ff.).
Die Arbeit wird einleitend mit einer detaillierten Darstellung der verstreuten archivischen Überlieferung eröffnet und durch einen umfangreichen Anhang ergänzt. Dort finden sich neben der Bibliographie, einem Namens- und Ortsregister und drei kartographischen Darstellungen auch Transkriptionen von 26 Quellen zur Geschichte des Klosters aus der Zeit 1537–1817, mehrere Listen zu Amtsinhabern u.a. (Äbte des Klosters; Generalvikare der böhmischen Ordensprovinz des Zisterzienserordens; Seelsorger in den Frauenklöstern Marienstern, Rosenthal, Marienthal, Frauenthal; außerhalb des Klosters tätige Mönche), sowie acht Bildnisse Neuzeller Äbte (hier vermißt die Rez. Angaben zur Bildquelle). Töpler hat in seinem Buch einen materialreichen Text vorgelegt, dem die Rez. eine gelegentlich straffende Durcharbeitung anhand einer dem Gegenstand angemessenen historischen Fragestellung gewünscht hätte.
Susanne Wittern, Potsdam in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 50/2004, S. 382–384

 

Töplers Arbeit gliedert sich nach Zeitepochen. Die Gründungsgeschichte (1268) und die Zeit des Mittelalters bilden die ersten beiden Kapitel, gefolgt von einem Kapitel, das die Zeit der Reformation bis zum Dreißigjährigen Krieg, die Zeit des Wandels von der monokonfessionellen zur bikonfessionellen Gesellschaft, behandelt. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges wird wegen der äußeren Umstände als eigenes Kapitel bearbeitet. Dieses Kapitel beginnt mit dem Jahr 1620, als der sächsische Kurfürst die Lausitzen besetzte und den Übergang von der böhmischen zur sächsischen Landeshoheit bewirkte. Das fünfte Kapitel befaßt sich mit dem Zeitraum von 1650 bis 1815, der mit Barock, Aufklärung und Napoleonischer Fremdherrschaft umschrieben wird. In einem letzten Kapitel wird die Aufhebung des Stifts Neuzelle behandelt und sein Werdegang bis zur Gegenwart skizziert, bis zur »neuen Stiftung« am historischen Ort zwecks Wiederherstellung der denkmalgeschützten Klosteranlage und Wahrung der kulturellen Tradition und des historischen Erbes des Zisterzienserstifts Neuzelle.
Inhaltlich werden die fünf Kapitel in drei Bereiche gegliedert: in eine Darstellung der Landes- und Klostergeschichte mit den Beziehungen des Klosters zu den Landesherren und zu den Regierungen, in eine Darstellung der Beziehungen des Klosters zu den kirchlichen Institutionen und in eine Darstellung der Sedisvakanzverwaltungen, der Wahlen und Visitationen des Klosters Neuzelle. Während in den Erörterungen über das Mittelalter und den Dreißigjährigen Krieg das Verhältnis des Neuzeller Stifts zu den verschiedenen weltlichen Landesherrschaften chronologisch abgehandelt wird, geht es in den anderen Kapiteln um die Beziehungen des Klosters zum böhmischen Königs- bzw. habsburgerischen Kaiserhaus und zum wettinischen Fürstenhaus. Dabei analysiert Töpler auch das Zusammenspiel des Abtes als Mitglied der Prälatenkurie mit den Standesherren und das Handeln des Landvogts bzw. der Oberamtsregierung – zwischen dem Landesherren und den Ständen – im Hinblick auf das Kloster Neuzelle.
Wie die Beziehungen zu den weltlichen Mächten registriert Töpler auch die Beziehungen des Stifts Neuzelle zu den kirchlichen Institutionen – im Mittelalter zur Kurie in Rom und Avignon, zu den Bischöfen von Meißen und den umliegenden Bistümern, zum Generalkapitel des Zisterzienserordens, zu Klöstern der Filiationslinie und zum Mutterkloster Altzella; in der Reformationszeit zur Kurie und den päpstlichen Gesandten, zum Ortsordinarius, zu Zisterzienserklöstern und anderen Orden; während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zum Nuntius und anderen kirchlichen Institutionen; in der Zeit des Barock und der Aufklärung zum Domstift Bautzen, zur böhmischen und lausitzischen Ordensprovinz und zur evangelischen Kirche.
Als besonders quellenkundig erweisen sich Töplers Recherchen über die Sedisvakanzverwaltungen, über die Zeiten, in denen das geistliche Amt des Abtes in Neuzelle nicht besetzt war und die Landesherren das Kloster nach dem Tod eines Abtes in ihre Gewalt nehmen, es selbst verwalten und schließlich als landesherrliches Eigentum betrachten wollten. Der Darstellung der Sedisvakanzen werden Erörterungen über die Visitationen angefugt, die der Frage nachgehen, wer mit welchem Recht eine Visitation durchsetzen oder durchführen konnte und in welchem Maße der Visitator von äußeren Bedingungen, von der Politik des Landesherren, von dessen Behörden oder von bischöflichen Instanzen beeinflußt wurde.
Zu begrüßen ist der Anhang von Töplers Arbeit mit den Porträts der Neuzeller Äbte, den Listen der Neuzeller Äbte, der Generalvikare der böhmischen Ordensprovinz (1580–1823), der Seelsorger in Frauenklöstern und der außerhalb des Klosters Neuzelle tätigen Geistlichen. Drei Karten über das Klosterareal, den Herrschaftsbereich des Klosters im Mittelalter und Ostmitteleuropa um 1700 schließen die Arbeit ab. Ein Glossar und ein ausführliches Register erleichtern den Einstieg in diese stoffreiche fundamentale Darstellung.
Fritz Wagner in der »Cistercienser Chronik« 3/2003