Rolf Gerlach
Zepernick b. Berlin
Das Domdorf im Spiegel alter Akten

 

Man darf Rolf Gerlachs neues Buch »Zepernick bei Berlin – Das Domdorf im Spiegel alter Akten« wohl mit Recht ein breitgefächertes und farbenfrohes Panorama nennen, das zugleich auch eine Pionierarbeit darstellt. Zum ersten Mal wird hier für Zepernick ebenso kritisch wie liebevoll und konsequent der Versuch unternommen, aus einer atemberaubenden Fülle bisher unveröffentlichter (handgeschriebener) Dokumente vom 16. bis ins 19, Jahrhundert die ältere Dorfgeschichte zu rekonstruieren und diese in den Rahmen brandenburgischer Feudal-Historie einzupassen. Was nach Meinung der MOZ dem Autor zumeist recht unterhaltsam gelingt; sowohl faktenorientiertes Interesse als auch Neugier auf Zeitkolorit wird anekdotenreich bedient, kein Aspekt des Alltagslebens ausgelassen. Das amüsante Inhaltsverzeichnis alleine schon gibt reichlich Vorgeschmack davon.
Anhand einer siebenteiligen Fortsetzungsfolge mit unterschiedlichen Kostproben mögen unsere Leser sich in den nächsten Wochen jedoch selber erst einmal einen Eindruck verschaffen, ehe sie dann vielleicht dem ganzen Werk zu Leibe rücken. Märkische Oderzeitung (MOZ) vom 31.07.2002

Rolf Gerlach hat über drei Jahre lang – vorzugsweise im Potsdamer Landeshauptarchiv – eine umfangreiche Sammlung handgeschriebener Akten zur Geschichte des ehemaligen Domdorfes Zepernick akribisch entziffert. Immer wieder mußte er sich mühevoll in alte Handschriften einlesen und gelegentlich hinnehmen, daß das Ergebnis eines Arbeitstages nicht mehr als eine kurze Notiz zeitigte. Er verglich Texte, suchte nach Zusammenhängen, mußte Typisches von Beliebigem trennen. Manchmal glaubte er, die umfangreiche Arbeit nicht zu schaffen. Allmählich erkannte Rolf Gerlach Zusammenhänge, war bei der Arbeit geduldiger, weniger verquält und ehrgeizig. Die Augenblicke der Freude über gewonnene Erkenntnisse nahmen zu, die Arbeit bekam trotz aller Entscheidungsqualen angesichts der Materialfülle langsam Konturen. Rolf Gerlach hat den vierhundert Jahren Zepernicker Geschichte vom 15. bis in das 19. Jahrhundert nichts illustrierend hinzugefügt, sondern sich streng an den Text der Akten gehalten. Allerdings gibt es, besonders aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, einige Lücken. Hin und wieder gönnte er sich eine kleine Abwechslung in der Thematik, las alte Zepernicker Kriminalgeschichten und Polizeiakten, die Aufzeichnungen über die Witwe Birnstiel zum Beispiel, begrübelte mögliche Kungeleien zwischen Dorfschulzen und Wirt, stets den dörflichen Alltag mit dem historischen Hintergrund verbindend. Aus einer unglaublichen Vielzahl einzelner Dokumente wuchs eine authentische Dorfgeschichte, deren Magie sich der Leser schon nach wenigen Buchseiten nur schwer entziehen kann.
Tagsüber tief in die Vergangenheit versunken und mit schwer lesbaren, bejahrten Dokumenten beschäftigt, tief überrascht durch eine aus vergilbten Seiten fallende uralte Hühnerfeder, gab der Autor abends die erarbeiteten Texte in den Computer ein, bediente als Hausmann Staubsauger und Mikrowelle. Wie hält man auf Dauer diese Spannung aus, wie und warum lebt man über eine so lange Zeit intensiv zwischen Mittelalter und Gegenwart, gibt für einen längeren Zeitraum Musik und Malerei auf? Rolf Gerlach sagt es in der Einleitung zu seinem Buch: »Warum ich dieses dicke Buch geschrieben habe und die mehrjährige Mühsal der Entzifferung oft nicht unerheblich vergilbter Handschriften in verschiedenen Archiven auf mich nahm? Anfangs aus Neugier, später aus Ehrgeiz, am Ende aus Verzauberung durch die vielen verblüffenden Einzelheiten, die das Domdorf Zepernick vor der feudalen hohenzollernschen Staatskulisse immer wieder zu einem spannenden und nacherzählenswerten Thema machten.« Rosemarie Pumb im »Bucher Boten«, Juni 2002

Der Untertitel des Buches verweist zwar auf alte Akten, doch geht es hier um eine gut lesbare, unterhaltsame und sogar amüsante Ortsgeschichte Zepernicks, eine der vielen Stadtrandsiedlungen, die, auch »Gartenstädte« genannt, sich als Ring um Berlin gelegt haben und organisch wie strukturell längst dazu gehören, nur verwaltungsmäßig nicht, ehemalige Bauerndörfer, die von der stürmisch ge- wachsenen Großstadt eingeholt wurden und nun selbst zu Gemeinden mit 5000, 10000 oder noch mehr Einwohnern herangewachsen sind. Diese Entwicklung in den letzten hundert Jahren bleibt allerdings ausgespart und hoffentlich einer späteren Veröffentlichung vorbehalten.
Beim Studium von Akten über Zepernick stieß der dort ansässige Theologe, Historiker und Schriftsteller Rolf Gerlach auf so viel Stoff, auf wahre Schätze, daß er bei etwa 1900 inne halten mußte. Was die mehrjährige Durchsicht und Entzifferung ganzer Aktenstapel bedeutet, wird erst richtig klar, wenn man bedenkt, daß Akten bis 1912 handschriftlich ausgefertigt sind, dazu oft in verklausulierter Verwaltungssprache, durchsetzt mit alten, heute ungebräuchlichen und unverständlichen Ausdrücken. Aus diesem spröden Material – einige Faksimiles geben eine Vorstellung davon – ist unter der Hand des Verfassers eine authentische und zugleich aufgelockerte Dorfgeschichte entstanden, eine Leistung, die, man muß schon sagen, fast an die Quadratur des Kreises grenzt.
Altmeister Fontane, der übrigens auch Zepernick besuchte, äußerte einmal, man müsse sich den Durchschnittsleser stets so dumm wie möglich vorstellen, dann schreibe man richtig. Dem entspricht das begrüßenswerte didaktische Vorgehen des Verfassers. In den zahlreichen Aktenauszügen erklärt er schwierige Begriffe nicht in Fußnoten und schon gar nicht in weit entfernten Anmerkungen (die gibt es auch, über 400 an der Zahl, aber für ergänzende Informationen), sondern gleich an Ort und Stelle. Nur ein Beispiel von vielen: Ist bei Abgaben die Rede von einem »Rochhun«, folgt in Klammern sofort die Hilfestellung – »Rauchhuhn ist kein geräuchertes, sondern ein Huhn als Herdsteuer«. Hinzu kommen natürlich mehr oder minder umfangreiche Ausführungen und Kommentare des Verfassers. So entrollt sich in 95 Kapiteln ein buntes Bild dörflichen Lebens vom 16. bis ins 19. Jahrhundert, im wesentlichen chronologisch, nur unterbrochen durch einige Vorgriffe bei speziellen Themen wie der Geschichte der Kirche und der Schule oder der Schmiede und der Mühle, wie überhaupt die wesentliche Rolle des Handwerks und seines Brauchtums bei unseren Vorfahren immer wieder deutlich wird. Sittenbildliche Schnappschüsse zeigen, wie einst geringfügige Anlässe die Zepernicker heftig erregten und damit zu »Staatsaffären« wurden, bis sich die Wogen wieder glätteten. Alles in allem handelt es sich um eine geglückte, dokumentarisch angereicherte Synthese von Lesebuch und Arbeitsprotokoll, um einen streckenweise geradezu fesselnden Einblick in das Alltagsleben eines Dorfes, das fast 400 Jahre lang dem Berliner Dom als Patron und Lehnsherrn zugehörte. Albert Burkhardt im Mitteilungsblatt der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V., 1/2002