Clemens Bergstedt

Band 15: Kirchliche Siedlung des 13. Jahrhunderts im brandenburgisch-mecklenburgischen Grenzgebiet

 

 

Clemens Bergstedt leistet in seiner 2001 an der Humboldt-Universität, Berlin, verteidigten Dissertation einen Beitrag zur Erforschung des hochmittelalterlichen Landesausbaus. Sein be­wußt kleinräumig gewähltes Untersuchungsgebiet reicht von Parchim bis Lychen, heute im südlichen Mecklenburg und Grenzgebiet zu Brandenburg gelegen. Er konzentriert sich auf die kirchliche Siedlung, worunter die Vergabe von Land, Siedlungen und damit verknüpften Rechten an geistliche Korporationen zu verstehen ist – sei es im Rahmen von Neugründungen oder als Dotierung bereits bestehender Einrichtungen, deren Sitz auch außerhalb des Untersuchungsgebietes liegen kann. Der betrachtete Raum zeichnet sich durch eine Häufung kirchlicher Siedlung aus und wurde im 13- Jahrhundert verstärkt vom Landesausbau erfaßt. Unter den beteiligten Herrschaftsträgern waren die askanischen Markgrafen von Brandenburg und die mecklenburgischen Herren von Werle die bedeutendsten.
Die Darstellung ist entsprechend der naturräumlichen und der herrschaftlichen Gliederung des Untersuchungsgebietes zunächst in fünf räumlich definierte Großkapitel gegliedert: Der erste dieser Abschnitte behandelt den »Raum zwischen mittlerer Eide und oberer Dosse«. Hier geht es um Schenkungen Heinrich Borwins I. an das Benediktinerkloster St. Michaelis in Lüneburg und an das Havelberger Domkapitel in der sogenannten »Türe«; den Siggelkower Besitzkomplex des Zisterzienserklosters Dünamunde (in Livland, unweit der Stadt Riga gelegen), den dieses Kloster wohl um 1223/24 von den Grafen von Schwerin und/oder den Grafen von Dannenberg erhalten haben dürfte ; das von Johann von Gans um 1230 im Norden der »Terra Putlitz« gestiftete Kloster Marienfließ und das 1287 auf halber Wegstrecke zwischen den Städten Pritzwalk und Wittstock wohl von Markgraf Otto V. von der Uckermark gegründete Kloster Heiligengrabe. Im zweiten Kapitel, das dem »Raum an der oberen Temnitz« gewidmet ist, einem landwirtschaftlich wenig ertragreichen Gebiet, sind vor allem Besitzungen von Klöstern außerhalb des Untersuchungsgebietes dokumentiert, und zwar wiederum des Klosters Dünamunde und des altmärkischen Benediktinerinnenklosters Arendsee (beide beschenkt von den Herrn von Plotho) sowie das wohl von den Grafen von Arnstein begründete Kloster Lindow, dessen erster Standort sich vielleicht am Katerbow-See befand. Im dritten Abschnitt geht es um den »Raum zwischen oberer Dosse und oberer Havel«: Im Süden der Herrschaft Werle sind Schenkungen der Herrn von Werle an eine Vielzahl von Einrichtungen festzustellen: an die Johanniter (Mirow), an das rheinische Kloster Altenkamp (Grangie Kotze), an das im Weserraum beheimatete Kloster Amelungsborn (Grangie Dranse), an das Kloster Doberan, an das Benediktinerinnenkloster Dobbertin, an das Benediktinerinnenkloster Eldena an der Eide und an das Zisterzienserkloster Dargun, eine Filia Doberans. Bergstedt arbeitet hier verschiedene Vergabungswellen heraus, in deren Verlauf die Herrn von Werle einen in sich gestaffelten kirchlichen Siedlungsgürtel immer mehr ausbauten. Nach 1276 fielen Wesenberg und Umgebung an die askanischen Markgrafen der ottonischen Linie, die nun ihrerseits zur Arrondierung dieses Siedlungssystems beitrugen. Im vierten Kapitel, das den »Raum zwischen oberer Havel und Woblitz« betrachtet, wird die Entstehung der Johanniter-Komturei Gardow und die 1299 beurkundete Gründung des Klosters Himmelpfort nachgezeichnet, die auf Zuwendungen bzw. Initiative des askanischen Markgrafen Albrecht III. zurückgehen. Im »Raum am südlichen Tollense-See und an der Lieps«, dem der fünfte und letzte Abschnitt gewidmet ist, liegt das ebenfalls von Albrecht III. gegründete Kloster Wanzka, als dessen wahrscheinliches Gründungsjahr Bergstedt das Beurkundungsjahr 1290 ansieht, sowie die Johanniter-Komturei Nemerow.
In diesen fünf Kapiteln arbeitet Bergstedt in einem ersten Schritt zunächst die jeweiligen Gründungs- bzw. Vergabungsumstände heraus. Dies geschieht sehr umsichtig und differenziert, so daß in der Bereitstellung dieses Materials bereits ein Verdienst der vorliegenden Arbeit zu sehen ist. Obgleich es dem Autor vor allem darum geht, die Situation im 13. Jahrhundert zu rekonstruieren, verfolgt er auch das weitere Schicksal einzelner Schenkungen mit markanten Besitzwechseln bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Im zweiten Schritt analysiert Bergstedt die Dotierungen und Gründungen geistlicher Einrichtungen im Hinblick auf ihre Funktion für den Landesausbau. Er wertet das zusammengetragene Material mit einer einleitend ausgearbeiteten Unterscheidung von vier Funktionsaspekten geistlicher Siedlung im Rahmen des Landesausbaus aus: Er fragt jeweils nach einer religiös-kultischen, einer sozial-kulturellen, einer wirtschaftlichen und einer territorialpolitischen Funktion. Deren Bedeutsamkeit kann nur indirekt aus den Umständen, der Art und der Lokalisierung der Vergabungen erschlossen werden, da es direkte Aussagen der Quellen dazu kaum gibt. Auch diese Analyse führt Bergstedt sehr differenziert durch.
Ein ausführlicher Schlußabschnitt arbeitet schließlich die Ergebnisse der Untersuchung heraus, indem die wichtigsten Einzelbeobachtungen aus den fünf Kapiteln zusammengetragen und vergleichend ausgewertet werden. […]
Insgesamt ergibt sich das Bild einer engen Verzahnung, ja eines Wechselverhältnisses der von Bergstedt betrachteten Funktionsaspekte, die oft kaum voneinander zu trennen sind. Dies wurde zwar schon bei der einleitenden Differenzierung dieser Gesichtspunkte deutlich, aber Bergstedts Darstellung läßt es plastisch und greifbar werden. […]
Eine Reihe von Karten ergänzt die reichhaltige Darstellung und veranschaulicht Siedlungen, Verkehrswege und Einflußgebiete sowie Bodenqualitäten im Untersuchungsgebiet. Ein Personen- und ein Ortsregister ermöglichen den systematischen Zugang zu dieser verdienstvollen landesgeschichtlichen Untersuchung, die sowohl die Genese der einzelnen kirchlichen Ansiedlungen und Gründungen im brandenburgisch-mecklenburgischen Grenzgebiet detailliert herausarbeitet, als auch ein sehr facettenreiches und differenziertes Bild der im Zusammenhang mit diesen erschließbaren Strategien und Absichten des Landesausbaues zeichnet.

Susanne Witten in: »Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands«, Band 51/2005

 

Die Berliner Diss. von 2001 untersucht die Beziehungen zwischen: Herrschaftsträgern und Orden und die Rolle der Klöster im Landesausbau für das Grenzgebiet von Brandenburg und Mecklenburg. Der Vf. fragt insbesondere nach den Motiven  für Klostergründungen und Besitzübertragungen an Klöster. Er unterscheidet dabei vier Motive: religiös-kultische (Memoria, Christianisierung), soziale und kulturelle (Armen-, Krankenpflege, Bildung), wirtschaftliche sowie territorialpolitische (Sicherung umstrittener Gebiete); letztere stehen im Mittelpunkt seiner Untersuchung. Folgende Klöster werden in der Studie berücksichtigt: St. Michaelis in Lüneburg Arendsee, Dobbertin, Eldena, Krevese (alle OSB), Stolpe (OSB, seit 1304 OCist), Altenkamp, Amelungsborn, Dargun, Doberan, Dünamünde, Himmelpfort, Heiligengrabe, Marienfließ, Wanzka (alle OCist) sowie die Johanniter-Komtoreien in Gardow, Mirow und Nemerow. Neben Urkunden archäologischen Funden und Kirchenbauten zieht der Vf als Quellen auch Annalen, Chroniken und Legenden heran; sind insbesondere die Chronica Slavorum Arnolds von Lübeck und die Chronica marchionum Brandenburgensium zu nennen. Die Monographie wird durch ein Personen- und Ortsverzeichnis erschlossen.
F.Sch. in MEDIOEVO LATINO, XXV/2004

 

Die vorliegende Berliner Dissertation behandelt das Gebiet zwischen Parchim an der Eide und Lychen in der westlichen Uckermark, wo sich die Einflußbereiche zahlreicher Herren berührten: der Markgrafen von Brandenburg, der mecklenburgischen Herren von Werle, des Hochstifts Havelberg, der Grafen von Schwerin und Dannenberg, der Grafen von Arnstein zu Ruppin, der Herren Gans zu Putlitz und der Herren von Plotho. In diesem Raum wurden im Laufe des 13. Jahrhunderts. zwanzig geistliche Institutionen angesiedelt oder mit Besitz ausgestattet, darunter zehn Zisterzienser- und Zisterzienserinnenklöster, sechs Benediktiner- und Benediktinerinnenklöster und drei Johanniterkomtureien. Der Vf. betrachtet diese Entwicklung im Kontext des Landesausbaus und fragt nach den Intentionen der jeweiligen Herrschaftsträger wie Grenzsicherung, Integration des örtlichen Adels und Repräsentation. –Beigegeben sind Karten der kirchlichen Siedlungen in den jeweiligen Teilgebieten und glazialmorphologische Karten, jedoch leider keine Übersichtskarte, sowie je ein Personen- und Ortsregister.
Ulrike Hohensee in »Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters«, Band 60,2, S. 816

 

Den Lesern dieses Jahrbuchs ist Clemens Bergstedt kein Unbekannter. Im Band 60 (1995) erschienen seine Untersuchungen zur territorial-politischen Funktion der Gründung des Klosters Heiligengrabe, im Band 61 (1997) seine Thesen zur Havelberger Stiftungsurkunde und im Band 63 (2001) wurde sein Büchlein zur Frühgeschichte des Bistums Havelberg rezensiert. Nunmehr liegt – »zum historischen Dokument geworden« – seine von der Humboldt-Universität angenommene Dissertation gedruckt zur Besprechung vor.
Im brandenburgisch-mecklenburgischen Grenzgebiet – gemeint sind die Räume »zwischen mittlerer Elde und oberer Dosse«, »an der oberen Temnitz«, »zwischen Havel und Woblitz« sowie »am südlichen Tollensesee und an der Liepe« – geht der Verf. von den vier Grundintentionen von Stiftern bei der Ansiedlung und Ausstattung geistlicher Korporationen – der religiös-kultischen, der sozialen und kulturellen, der wirtschaftlichen und schließlich der territorialpolitischen –, ohne die anderen zu übersehen, besonders der territorialpolitischen nach. In Kenntnis und vor dem Hintergrund der be­kannten These Walter Kuhns von der kirchlichen Siedlung als Grenzschutz, aber auch der Kritik an dieser These durch Christian Gahlbeck (dessen die Neumark betreffende umfangreiche Dissertation nur in der maschinen­schriftlichen Fassung, jedoch leider noch nicht in der erst 2002 gedruckten Form – vgl. in diesem Band unter ›Neuerscheinungen und Nachträge‹ -benutzt und zitiert werden konnte), unterzieht der Verf. jede geistliche Ein­richtung in den genannten Räumen einer möglichst genauen Befragung im Blick auf die verschiedenen politischen Kräfteverhältnisse, die territoriale Situation und die Infrastruktur. Die spröde und karge Quellenlage erlaubt bei der Interpretation nur selten klare Antworten, scheint aber den Verf. zum Hypothesenvirtuosen haben reifen lassen. Formulierungen wie »könnte gewesen sein«, »wäre denkbar«, »wenn …, würde unsere Vermutung an Wahrscheinlichkeit gewinnen«, »möglicherweise«, »eventuell«, »nicht auszuschließen« begegnen auf Schritt und Tritt. Entsprechend schillernd sind dann auch die Ergebnisse, z.B. in der Zusammenfassung des Kapitels über den Raum an der oberen Temnitz: »Wirtschaftliche, territorialpolitische und religiöse Aspekte durften daher bei der klösterlichen Siedlung …, wenngleich in unterschiedlichem Maße, eine Rolle gespielt haben«.
Anzuerkennen bleibt in diesem Zusammenhang, daß der Verf. auch bereit ist, eigene ältere Interpretationen als überzogen einzustufen und deshalb zu überprüfen. So heißt es jetzt zu Heiligengrabe, »daß bei der Gründung … die Aufgabe des Grenzschutzes, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben dürfte«. Was freilich für das askanische Heiligengrabe gilt, gilt noch lange nicht für kleinräumigere Herrschaftsverhältnisse, wie bei denen der Herren von Plotho, der Edlen Gans usw., wo geistliche Korporationen verstärkt zu grenzsichernden Auf­gaben herangezogen wurden. Ein schematisches Erklärungsmuster ist mit einer solchen Feststellung allerdings nicht gefunden, denn, so Bergstedt zutreffend, »quantitativ-räumliche Kriterien allein liefern keine zwingenden Begründungen«. Insgesamt wird dem Leser vorgeführt, daß das brandenburgisch-mecklenburgische Grenzgebiet weder geomorphologisch noch herrschaftsgeschichtlich im 13. Jahrhundert ein strukturähnlicher Raum war und daß die anzutreffende Variantenvielfalt ihre Entsprechung fand in der Vielzahl der für die Siedlung herbeigerufenen geistlichen Orden.
Dietrich Kurze im Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte, Bd. 64 (2003)

 

Vorliegende Publikation untersucht die Ansiedlung und Ausstattung geistlicher Korporationen im Kontext des sich vollziehenden Landesausbaus. Ausgehend von der These Walter Kuhns von der kirchlichen Siedlung als Grenzschutz (Vergleichende Untersuchungen zur mittelalterlichen Ostsiedlung, Köln, Wien 1973) wird den territorialpolitischen Intentionen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Nach einführenden Bemerkungen zur Multifunktionalität (religiös-kultische, soziale und kulturelle, wirtschaftliche, territorialpolitische Funktion) der Ansiedlung und Ausstattung geistlicher Korporationen analysiert Bergstedt den Forschungsstand, die Aufgabenstellung und Quellenlage zum Thema seiner Arbeit. Danach befaßt er sich mit Klöstern, Klosterhöfen und Besitzungen verschiedener Ordenshäuser, vor allem der Zisterzienser und Zisterzienserinnen, der Johanniter, der Benediktiner und Benediktinerinnen. Zu den behandelten geistlichen Institutionen gehören wenig erforschte Klöster wie Marienfließ (Stepenitz), Wanzka, Himmelpfort, die Johanniter-Komtureien Gardow und Nemerow oder die Niederlassungen des livländischen Klosters Dünamünde. Es gelingt Bergstedt, vielfältige Aspekte eines breiten Spektrums möglicher Aufgaben kirchlicher Siedlung zu erschließen, so etwa die Gewinnung der slawischen Bevölkerung für das christliche Kultur- und Wertesystem, z.B. die Klostergründung zur Errichtung einer Grablege, mit der der Gründer einen religiös-kultischen Mittelpunkt für die eigene Herrschaft schuf, oder die wirtschaftliche Erschließung und Intensivierung der politischen Raumbeherrschung oder die territorialpolitischen Aufgaben. Durch eine vergleichende Zusammenfassung erschließt Bergstedt überzeugend die differierenden Vorgehensweisen der erfaßten geistlichen Institutionen im Landesausbau und bietet einen strukturellen Erklärungsansatz für den Ende des 13. Jahrhunderts zu konstatierenden Erfolg der Askanier gegenüber ihren Konkurrenten.
Fritz Wagner in »Cistercienser Chronik. Forum für Geschichte, Kunst, Literatur und Spiritualität des Mönchtums«, Heft 1/2003

[...] Bergstedts Arbeit ist nicht nur ein vorzüglicher Beitrag zur kirchlichen Siedlungsgeschichte und Siedlungspolitik des 13. Jahrhunderts im brandenburgisch-mecklenburgischen Grenzgebiet, sondern auch ein willkommener Beitrag zur Ordensforschung schlechthin. Sein Wert gewinnt noch durch die im Anhang gebotenen informativen Karten. Der Band ist zugleich ein beredtes Zeugnis für die besonders vom Lukas Verlag engagiert fortgeführte Ordensforschung im Berlin-Brandenburger Raum.
Fritz Wagner in »Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatsschrift«, Heft 5/2002