Sigrid Brandt
Geschichte der Denkmalpflege in der SBZ/DDR
Dargestellt an Beipielen aus dem sächsischen Raum 19451961

Der vorliegende Band füllt eine bislang schmerzlich empfundene Lücke in der Geschichte der Denkmalpflege, denn trotz der Beschränkung auf Sachsen enthält das Buch eine solche Fülle von allgemeinen Informationen, daß es auch von den Interessenten aus anderen Regionen mit großem Gewinn studiert werden kann.
Die Autorin hatte den großen Vorzug, für ihre Studien neben dem Landeskirchenarchiv und dem Archiv des Landesamtes in Dresden auch das inzwischen im Bundesarchiv zugängliche Material aus dem Bereich der Ministerien für Kultur und Bauwesen der DDR, der Deutschen Bauakademie, des Kulturbundes und anderer Einrichtungen, die mit der Denkmalpflege zu tun hatten, auswerten zu können.
Das erste große Kapitel der Buches, das etwa ein Drittel des Umfangs ausmacht, widmet sich unter der Überschrift »Denkmalpflege als Aufgabe der Kulturpolitik« der allgemeinen Darstellung der Verhältnisse in den fünf Ländern der damaligen SBZ und Ostberlins und schildert zum Teil sehr detailliert die Vorgänge des Neubeginns, der bescheidenen Versuche einer Wertung der Denkmalpflege in den zwölf vergangenen Jahren der Nazi-Herrschaft und der Auseinandersetzungen um den künftigen Weg der Denkmalpflege. Hier wird die sehr interessante Rolle von Gerhard Strauß deutlich, der, aus der ostpreußischen Denkmalpflege kommend, durch seine Hinwendung zur SED von den neuen Machthabern in eine dominante Stellung gedrängt wurde, die er annahm und auszufüllen versuchte, wobei er nach anfänglichen Erfolgen durch seine Verhärtung auf einen Kurs der sozialistischen Aneignung der Denkmale der Geschichte und Kultur an Einfluß verlor und diesen vollends verspielte, als er zu einem der Befürworter für den Abriß des Berliner Schlosses wurde.
Obwohl die Verfasserin in diesem Kapitel ganz auf die Behandlung von praktischen denkmalpflegerischen Vorhaben verzichtet, entsteht ein äußerst vielseitiges Bild der Denkmalpflege jener Jahre. Man ist überrascht, wie widersprüchlich und schwierig der Weg der Denkmalpflege in den ersten Jahren war, um ihren Platz im System der Kultur in der SBZ/DDR zu behaupten bzw. neu zu definieren. Die Diskussionen zur Klärung der Denkmalbegriffs, die besonders wichtigen Probleme zum Städtebau in der SBZ bzw. frühen DDR, zur Rolle des Denkmalschutzes in der Gesellschaft und die offenen organisatorischen Fragen, etwa im Zusammenhang mit der Schaffung einer zentralen Einrichtung in Berlin, werfen ein bezeichnendes Licht auf jene Jahre. Die Fülle der hier aufgeführten Namen ist verwirrend, zumal zahlreiche aus den unterschiedlichsten Gründen nur kurz ins Blickfeld der Denkmalpfleger gerieten, andere dagegen über einen langen Zeitraum hinweg aktuell blieben, allerdings nur noch für die ältesten, mehr als drei Jahrzehnte in der Denkmalpflege tätigen Mitarbeiter mit einer persönlichen Erinnerung verbunden sein dürften.
Wer sich mit der Geschichte der Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt, findet in den ersten Kapiteln mehrfach die Namen der seinerzeitigen Landeskonservatoren Viering und Mansfeld, von denen ersterer in den politisch-ideologischen Auseinandersetzungen angesichts seiner kurzen Amtszeit (1946–1949) keine nennenswerte Rolle spielte, während der das Landesmuseum (heute Staatliches Museum) und Landesamt in Personalunion führende Heinz Mansfeld (1949–1952) in die Auseinandersetzungen um den Stellenwert der Rolle der Denkmale und den daraus resultierenden Stellenwert der Denkmalpflege voll einbezogen war. In Mansfelds Amtszeit fällt die Auflösung der Landesämter nach der Zerschlagung der fünf ostdeutschen Länder 1952 und die Verlagerung der Geschäfte nach Berlin, wo eine Außenstelle Nord eingerichtet wurde. Politische Schwierigkeiten, aber wohl auch die Herauslösung aus dem Umfeld der praktischen Denkmalpflege im Lande selbst führten 1956 zur Rückkehr der staatlichen Denkmalpflege nach Schwerin und zur Einrichtung der Arbeitsstelle Schwerin des Instituts für Denkmalpflege, deren Leiter der schon beim Provinzialkonservator in Stettin als Inventarisator tätig gewesene Dr. Walter Ohle wurde. Man erfährt, daß Ohle neben dem in Halle tätigen Wolf Schubert in den Augen der Partei eines jener bürgerlichen Elemente in der staatlichen Denkmalpflege war, deren Ziel die Aushebelung der von den Parteigremien und den staatlichen Leitungen vorgegebenen Richtlinien und Grundsätze war. In der Tat hat sich Ohle bis zu seinem überraschenden Tod im Februar 1971 häufiger über einen Teil der Funktionäre im Ministerium für Kultur und der von diesem abhängigen Gremien recht kritisch geäußert und ihnen vor allem die fachliche Kompetenz abgesprochen; daß seine Haltung als so ausgesprochen reaktionär und schädlich angesehen wurde, überrascht, da Ohle 1956 dann doch mit der Leitung der neugeschaffenen Arbeitsstelle Schwerin des Instituts für Denkmalpflege betraut wurde. Als »Aufpasser« stellte ihm die Partei Serafim Polenz zur Seite; nach anfänglichen Schwierigkeiten, die Brandt auch zitiert, arrangierten sich Ohle und Polenz und kamen recht gut miteinander zurecht, zumal Ohle Polenz die mitunter nicht einfachen Kontakte zu den staatlichen und Parteidienststellen der drei Nordbezirke und die arbeitsintensive Planung der Förderung überließ.
Im 2. Teil des Bandes, mit »Denkmalpflege im Sozialismus« überschrieben, schildert die Verfasserin konkrete Vorgänge und denkmalpflegerische Maßnahmen im Dresdner Landesamt bzw. der früheren Arbeitsstelle des Instituts für Denkmalpflege. Auch dies ist überaus aufschlußreich, kann die sächsische Denkmalpflege doch für sich in Anspruch nehmen, zu den am besten organisierten, stets auch personell gut ausgestatteten Einrichtungen zu gehören, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer wieder eine führende Rolle bei der theoretischen und praktischen Denkmalpflege übernommen hat. Der gewählte Zeitraum bringt es mit sich, daß vor allem das Wirken von Hans Nadler, dem heutigen Nestor der DDR-Denkmalpflege, beleuchtet wird, der Landeskonservator Bachmann folgte und die Dresdner Denkmalpflege von 1949 an für lange Zeit leitete und mit seiner Sicht der Denkmalpflege wichtige Impulse gab. Ist sein Name besonders mit der Einbeziehung von ehrenamtlichen Kräften, u.a. aus dem Bereich des Kulturbundes, des BdA u.a. verbunden, so stehen die Namen seiner damaligen Mitstreiter Fritz Löffler, Elisabeth Mütter und Heinrich Magirius für die wegweisenden fachlichen Lösungen, etwa im Bezug auf die Bewahrung der Denkmale der Stadt Dresden oder solcher Einzelbauwerke wie des Domes in Freiberg oder der Stiftskirche in Wechselburg.
Von den sächsischen Beispielen werden im profanen Bereich die denkmalpflegerischen Maßnahmen in Görlitz, der Wiederaufbau der Alten Handelsbörse in Leipzig und der Dresdner Gemäldegalerie besonders herausgestellt. Die Denkmalpflege an kirchlichen Baudenkmälern, einer der Schwerpunkte der Dresdner praktischen Arbeit, wird im Zusammenhang mit der Darstellung der konträren Auffassungen zur Purifizierung bzw. Wertschätzung der historischen Polychromie dargelegt, wofür zahlreiche Beispiele vorgestellt werden. Einer ausführlicheren Schilderung ist der Autorin die Wiederherstellung der kriegsbeschädigten Oberkirche in Cottbus wert, an der sich nach ihrer Meinung die Auffassungen des Dresdner Instituts im Umgang mit kirchlichen Bauten nach 1945 am sinnfälligsten widerspiegeln.
Nicht zu unterschätzen ist die Auswahl der im Anhang abgedruckten Dokumente aus den eingangs schon genannten Archiven, die sonst schwer zugängliche oder anderswo inzwischen verlorene Protokolle, Entwürfe und Stellungnahmen aus dem gewählten Zeitraum wiedergeben, darunter z.B. einen ausführlichen Bericht über die im April 1946 in Weimar durchgeführte Denkmalpflege-Tagung, der ein authentisches Bild der vielen Probleme der Denkmalpfleger in der unmittelbaren Nachkriegszeit vermittelt. Dort referierte u.a. auch A. Fr. Lorenz über die Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern.
Wer an der Geschichte der Denkmalpflege in den ersten zwei Jahrzehnten nach Ende des 2. Weltkrieges im östlichen Teil Deutschlands interessiert ist, wird diese Dar-stellung mit Gewinn lesen.
H. E. in »Denkmalschutz und Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern«, Heft 10/2003, S. 70/71