Reinhart Strecke
Romanische Kunst und epische Lebensform
Das Weltgericht von Sainte-Foy in Conques-en-Rouergue

Der Pilger auf der via podiensis steht immer wieder überrascht und staunend vor dem Tympanon der Abteikirche in Conques. Der Autor geht mit Sauerländer dem Begriff »roma­nisch« nach, der zunächst jene Sprachen beschrieb, die sich aus dem Lateinischen herausgebil­det hatten. Diese Ergebnisse waren im wesentlichen volkssprachlich, und gehen auch auf die Betrachtung gesellschaftlicher Erscheinungen zurück (lingua rustica romana – 813 Konzil von Tours). Inwieweit hat nicht auch die Kunstgeschichte, die sich bald dieses Begriffs bediente, eben diesen historisch-sozialen Kontext im Blick? Diese Arbeit geht so der Frage nach, welche Intentionen und Erwartungen dem Weltgericht von Conques im Augenblick seiner Entstehung und Rezeption zugrunde lagen. Die Abtei zählte vom 9. – 12. Jh. zu den Klöstern mit weitrei­chender Ausstrahlung, der Neubau der Kirche von 1050 bis 1100, eine der frühesten Pilgerkirchen, mit der eigenwilligsten Darstellung des Weltgerichts in der romanischen Skulptur – neben Autun. Strecke zeigt auf, wie das Tympanon reale Hoffnungen und Bedrohungen aufgreift, wie der Text wiederkehrende Begriffe und Werte bringt, die erst ein christliches Zusammenleben gewährleisten. Diese Begriffe wie PAX und FIDES, CONSTANTIA und HUMILITAS dienen als Gedächtnisstütze für den, der den Pilgerscharen die Darstellung erläutert. Gottesfrieden statt feudaler Anarchie predigt das Tympanon. Eine loh­nende Betrachtung!

»unterwegs«, Rundbrief Nr. 64, Jan. 2008, ISSN 1860-2223

Mit dem Tympanon von Sainte-Foy in Conques ist diese monographische Werkanalyse einem der prominentesten Stücke romanischer Bauskulptur gewidmet. Aufbauend auf die Forschung, die die Weltgerichtsszene vor allem als ein Werk religiöser Erziehung und Erbauung zur Vermittlung zeitübergreifender Glaubenssätze begreift, versucht sich der Autor an einer historisch-soziologischen Deutung. Das Motiv des rechtsprechenden Christus und die ihn umgebenden Szenen werden vor dem Hintergrund der damals herrschenden Feudalanarchie und der damit in Zusammenhang stehenden Gottesfriedensbewegung neu befragt. – Ein angewandtes Beispiel kunsthistorischer Methodik. »Kunsthistorische Arbeitsblätter« 04/2003