Angelika Lozar (Hg.)

Band 16: Das geistliche Erbe

Wege und Perspektiven der Vermittlung

 

Eigentum verpflichtet: Auch wenn das Grundgesetz diese Aussage eher in materiellem Sinne interpretiert, ist dennoch die Feststellung erlaubt, daß auch eine Form geistig-spirituellen Eigentums existiert, die weitervererbt werden kann. Mit seiner mehr als 900jährigen Geschichte hat der Zisterzienserorden einiges an Erbmasse aufzuweisen. Dieses Erbe bedeutet nicht nur Aufgabe und Herausforderung für den Orden selbst, sondern umfaßt in gleichem Maße auch universitäre Forschung, Wissenschaft und andere Bildungsträger wie Schulen und Museen. Der vorliegende Band vereinigt neun Beiträge, die aus einem Symposium zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Zisterzienserkultur im Juni 2002 am Seminar für Mittellateinische Philologie der Freien Universität Berlin hervorgegangen sind. Die Beiträge weisen aus verschiedenen Perspektiven – der historisch-kritischen, der spirituellen und der religions- bzw. museumspädagogischen – Wege auf, das geistliche Erbe zu erschließen und für die Gegenwart und die Zukunft nutzbar zu machen. Kaum ein anderer Forscher hat sich um die Erforschung zisterziensischer Geschichte so verdient gemacht wie Kaspar Elm. Seine Ausführungen leiten den mit Adfontes betitelten ersten von drei Abschnitten des Bandes ein. Nach einer knappen Einführung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Ordensforschung richtet sich Elms Blick auf eine charismatische Gestalt aus der Anfangsphase des Ordo Cisterciensis: Bernhard von Clairvaux. Fragen und Probleme der Erforschung von Zisterziensernonnenklöstern stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen von Cornelia Oefelein, während Johannes Müller OCist die Zisterzienser und die »Pauperes Christi«-Bewegung des 11. und 12. Jh. zueinander in Beziehung setzt und damit auf die Wurzeln der »Weißen Mönche« verweist. Der zweite Abschnitt – Hereditas spiritualis – bereichert die bisherigen Ausführungen um den Aspekt der Spiritualität. Markus Schuppen OCist beschäftigt sich mit den frühen Verfassungsdokumenten der Zisterzienser und ihrer heutigen Rezeption und macht auf die spirituelle Dimension dieser legislativen Bestimmungen aufmerksam. Maria Assumpta Schenkl OCist behandelt die weibliche Mystik im Zisterzienserorden und legt dabei das Schwergewicht insbesondere auf die hl. Gertrud von Helfta. Die Beiträge des dritten Abschnitts – Ausstrahlung in die Welt – verdeutlichen, was es praktisch heißt, zisterziensische Kultur in die Jetztzeit zu vermitteln und breitere Massen für spezifisch Zisterziensisches zu sensibilisieren. Heinz-Dieter Heimann behandelt brandenburgische Zisterzienserklöster als Erinnerungsorte und bewegt sich mit seinen Bemerkungen und Perspektiven zum Umgang mit nicht nur mittelalterlicher Kloster-, Ordens- und Kirchengeschichte im mainstream aktueller historischer Forschung, die kaum einem Konzept größere Bedeutung zubilligt als dem der lieux de memoire, der »Erinnerungsorte« und ihrem Einfluß auf das Selbstverständnis von Regionen, Staaten und der in ihnen Lebenden. Harald Schwillus macht sich Gedanken über Konzeptionen und Perspektiven kirchenpädagogischer Arbeit am Beispiel des Klosters Lehnin, während Michael Reinhold über ein von ihm verantwortetes Unterrichtsprojekt ebenfalls zum Kloster Lehnin berichtet. Aus allen Beiträgen wird deutlich, wie viel Vermittlungspotential im zisterziensischen Erbe einerseits steckt, wie mühselig aber andererseits die konkrete Vermittlungstätigkeit sein kann. Immerhin scheint die Feststellung legitim, daß Forschungsergebnisse und Einsichten den engen Kreis der Fachgenossen längst verlassen haben und auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Davon legt nicht zuletzt der vorliegende Band ein beredtes Zeugnis ab. Ralf Lützelschwab in »Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatsschrift«, Heft 5/2003