Sigrid Philipps (Bearb.)

Der Brandenburger Dom und die Dörfer

 

Im Brandenburger Land, das so viele Umbrüche im Laufe seiner langen Geschichte erleben musste, gibt es erstaunliche Kontinuitäten. Zu ihnen gehört die bis zur Gegenwart reichen­de Existenz der ältesten Grundherrschaft des Landes, des 948/49 gegründeten Domstifts Brandenburg.
Im Rahmen von Kulturland 2004 »Landschaft und Gärten« entstand das Projekt, den Zusammenhang zwischen der altehrwurdigen Domburg zu Brandenburg, bis zur Reformation dem Ort der Kathedralkirche und des Domkapitels, bis heute Sitz des Domstifts und seiner Besitzungen, zu denen einst vierzehn Dörfer und sieben Vorwerke im Vollbesitz und Teilrechte in weiteren 71 Orten nebst umfangreichem Waldbesitz gehörten, nachzuzeichnen. Die Ausgangslage dazu war besonders günstig: Für die Zeit des Mittelalters liegt das Urkundenmaterial in zwei vom Domstiftsarchivar Schößler vorzüglich edierten Regestenbänden vor und auch für die Zeit danach hat Schößler grundlegende Arbeiten veröffentlicht. Das hier vorgestellte Buch war gleichzeitig Beiband einer Ausstellung im Brandenburger Dommuseum im Jahr 2004.
Nach einer knappen, anspruchsvoll »Dombesitz, Domfabrik und Seelenheil« betitelten Einleitung der Bearbeiterin Sigrid Philipps und des Kurators des Domstifts Helmut Reihlen handeln Sigrid Philipps und Gerda Arndt »Land, Landschaft, Wirtschaft: Beziehungsgeflechte zwischen dem Dom und den Dörfern« die Besitzgeschichte ab. Impressionen zur Bewirtschaftung liefert Knud Caesar »Gegen den Hunger und über den Durst: Die Landwirtschaft in den Domdörfern«. Der heutige Besitzschwerpunkt wird von Wolfgang Schößler »Dorf und Forst Seelensdorf« in seiner Genese nachgezeichnet. Dies wird aus dem Blickwinkel des forstlichen Praktikers Robert Hinz »Betrachtungen über die Entwicklung des Domstiftswaldes« für die Gegenwart ergänzt. Es sind die Aufsätze mit den eher schlichten als blumigen Überschriften, die dem Leser weiterführende Informationen bieten.
Dass eine geistliche Grundherrschaft anderen als reinen ökonomischen Zielen folgt, wird für das Mittelalter von Hartmut Kühne »Auf Spurensuche. Wallfahrten zu Brandenburger Dorfkirchen im Spätmittelalter« für die spirituelle Seite gezeigt: Es sind die einstigen Marienwallfahrtsorte Neukammer bei Nauen und Buckow bei Rathenow sowie das einst zur Brandenburger Domfabrik gehörige Tremmen mit der prächtigen Außenkanzel, die hier mit ihrem materiellen Erbe vorgestellt werden. Die wenigen Zeugnisse sind sorgfältig zusammengestellt. Die Besonderheit der geistlichen Grundherrschaft in unserer Zeit wird in der Überlassung des Gutsgebäude Kieck als therapeutisches Zentrum für ehemalige Suchtkranke und in dem Bedauern, des Försters, dass es heute nicht mehr möglich ist, im Forstbetrieb geistig behinderten jungen Männern eine sinnvolle Arbeit zu geben, wie es jahrzehntelang üblich war, deutlich.
Vorschläge zu historischen Stadtwanderungen in Brandenburg gibt Christian Radeke »Probegänge: Brandenburg und Umgebungen zu Fuß«. Ein Literatur- und Quellenverzeichnis sowie eine Tabelle alter Maße und Gewichte schließen den Band ab, der keine tabellarische oder kartografische Übersicht über den einstigen und heutigen Grundbesitz des Domstiftes enthält.
Felix Escher in »Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte« 57(2006)

 

Auf dem Rückumschlag heißt es zu dieser Broschüre: »ein Lesebuch zu Beziehungsgeflechten, Wallfahrten und Landschaftsmodellierung, ergänzt mit Probegängen durch die Stadt Brandenburg und ihre Umgebung, illustriert mit historischen und aktuellen Photographien«. Das klingt nach thematischer Vielfalt, wie man sie eher in Zeitschriften oder Sammelwerken erwarten würde, ist aber zutreffend.
Ein separater Druck, dafür aber mit größeren und genaueren Karten schiene sinnvoll bei dem engagierten Beitrag von Christian Radeke über »Probegänge: Brandenburg und Umgebung zu Fuß«. Der Verasser steht offenbar der Selbsthilfegruppe Gehen [SHGG)] nahe, einer »Initiative des Studios für abgewandte Kunst in der Kapelle St. Petri auf der Dominsel« [was es nicht alles gibt!].
Während H. Kühne – leider fast ganz ohne Einzelbelege – auf seiner »Spurensuche« nach »Wallfahrten zu Brandenburger Dorfkirchen im Spätmittelalter« zum Brandenburger Dom keine Verbindungen auftut, bemühen sich G. Arndt, K. Caesar, H. Reihlen, R. Hinz, S. Philipps und W. Schößler die Beziehungsgeflechte zwischen dem Dom und den Domdörfern unter den Gesichtspunkten von Recht und Besitz, Land- und Forstwirtschaft darzulegen. Alle Artikel sind aus zwei Gründen echte Appetitanreger: Zum einen beruhen sie großenteils auf bislang ungehobenen Schätzen des Domstiftsarchivs oder doch auf dem noch nicht gedruckten zweiten Teil der »Regesten der Urkunden und Aufzeichnungen im Domstiftsarchiv Brandenburg [1488-1519/45]«, und zum anderen befassen sie sich auch oder sogar ausschließlich mit der in bisherigen Darstellungen sträflich vernachlässigten nachreformatorischen Zeit [z. T. bis in die Gegenwart].
Das erfreulicher
weise recht preiswerte Büchlein ist wohl weniger für Spezialisten als für eine breitere Leserschaft gedacht. Dies entbindet freilich die Autoren, die Herausgeber und den Verleger nicht von ihrer Sorgfaltspflicht. Was soll z.B. der Hinweis auf eine Urkunde im Domstiftsarchiv [S. 8] ohne die zusätzliche Information, daß dieses Diplom schon in Riedels Codex gedruckt und als Regest bei Schößler aufgenommen wurde? Bede wird ohne »h« [S. 26], Jerichow mit »w« [S. 17] und Propst nicht zur Abwechslung auch mit »b« in der Mitte [S. 87 u. 88] geschrieben. Die Umwandlung des Prämonstratenser-Domkapitels in ein Domstift mit sogenannten Weltklerikern als »Verweltlichung« zu bezeichnen ist mehr als mißverständlich, und die Behauptung, das Domkapitel habe seine eigentlichen kirchlichen Funktionen durch diese Umwandlung weitgehend verloren ist schlicht falsch. Statt »Urfriede« muß es gewiß »Urfehde« heißen usw. – Vielleicht sollte vorsorglich eine Kooperation zwischen dem Domstift, dem – an sich um die brandenburgische Kirchengeschichte vielfach verdienten – Verleger und den Mitgliedern der kirchengeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft bzw. den Herausgebern dieses Jahrbuches bei einschlägigen Publikationen erogen werden.
Dietrich Kurze in: Jb. für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte, 65. Jg. 2005

 

»Der Brandenburger Dom und die Dörfer« stellt das Domstift Brandenburg als Grundherrn und die Geschichte seiner Dörfer seit dem Hochmittelalter bis in die jüngste Vergangenheit vor. Anschaulich und quellennah wird die Geschichte des Besitzes, der Bewirtschaftung, der Beziehung zwischen Dom und ländlichen Untertanen sowie des Lebens auf den Dörfern im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit geschildert (Sigrid Philipps, Gerda Arndt und Knud Caesar). Wolfgang Schößler beschreibt exemplarisch die Entwicklung von Seelensdorf, das dem Domstift seit 1393 gehörte, bald wüst fiel, als Weideland diente, zum Vorwerk des Domstifts in Eigenwirtschaft und Verpachtung ausgebaut wurde und seit den 1870er Jahren als Forstgut betrieben wird. Zur Entwicklung des Domstiftswaldes liefert Robert Hinz als Praktiker historisch fundierte Betrachtungen. Hartmut Kühne macht auf die Bedeutung der Kirchen von Neukammer, Tremmen und Buckow bei Nennhausen als spätmittelalterliche Wallfahrtsorte mit überregionaler Anziehungskraft aufmerksam. Das Interesse für die Dörfer des Doms und die reiche Quellenüberlieferung im Domstiftsarchiv sollte damit nachhaltig geweckt sein. An das Domstift, das Domstiftsarchiv und das Dommuseum ist nachdrücklich zu appellieren, daß sie den bisherigen Ausstellungen, historischen Veröffentlichungen und Quellenpublikationen noch viele weitere folgen lassen.
Falko Neininger, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 50/2004, S. 385–387.]