Cornelia Oefelein
Das Nonnenkloster St. Jacobi und seine Tochterklöster im Bistum Halberstadt
Studien zur Geschichte Kunst und Kultur der Zisterzienser, Band 20

In der Druckfassung ihrer Berliner Dissertation (FU) bei Kaspar Elm vom November 2003 widmet sich Cornelia Oefelein vier Frauenklöstern zisterziensischer Observanz des Bistums Halberstadt. Hier, sowie im benachbarten Bistum Magdeburg, existierten vor Einführung der Reformation 14 Zisterziensernonnen- und fünf Zisterziensermännerklöster.
Während, wie Oefelein mit Recht feststellt, für verschiedene deutsche Landesteile oder einzelne Häuser wenigstens einige regionale oder lokale Untersuchungen zur Geschichte der »inkorporierten«, »nicht korporierten« oder »assoziierten« (Franz Schader) Zisterzienserfrauenklöster vorliegen, fehlen weiterführende Studien zum Bistum Halberstadt vollständig, ebenso übrigens wie zum bayerischen Raum. Mit den fränkischen Frauenzisterzen hat sich in einer älteren Veröffentlichung Ernst-Günter Krenig bereits 1954 beschäftigt.
Die vier von Oefelein untersuchten Halberstädter Frauenklöster bilden eine Art linea, die vom Mutterhaus St. Jacobi zu Halberstadt (gegründet um 1199) ausging. Aus ihm waren zwei Tochtergründungen, St. Marien zu Helfta (1229) und St. Nikolaus in Adersleben (1260), hervorgegangen, Helfta wiederum gründete St. Gertrud in Hedersleben (1253). Während der Reformation wurde lediglich Helfta aufgehoben. Die anderen drei Frauenkonvente bestanden bis zur Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts als katholische Häuser in protestantischer Umgebung fort – danach wurden die Klostergüter verkauft, die Gebäude zum Teil anderen Zwecken überlassen oder niedergerissen. Die Klosterkirchen in Adersleben und Hedersleben bestehen als katholische Pfarrkirchen bis heute. In das durch die mystische Literatur des 13. und 14. Jahrhunderts berühmt gewordene Helfta zog vor wenigen Jahren wieder zisterziensisches Leben unter dem Abbatiat der früheren Klostervorsteherin Assumpta Schenkel von Seligenthai (Landshut) ein.
Bayerisch-schwäbische Bezüge lassen sich in Folge der Restitutionsbemühungen des frühen 17. Jahrhunderts zu den vier Halberstädter Frauenklöstern herstellen. Im März 1629 kam die Restitutionskommission des Zisterzienserordens unter Leitung des Abtes Jodok Mosbach von Kaisheim (bei Donauwörth) ins Bistum Halberstadt zur Visitation, u.a. nach Hedersleben, und unterstellte dieses Haus der Betreuung des wieder hergestellten niedersächsischen Klosters Walkenried im Harz (bei Goslar), wo 1629 der Kaisheimer Konventuale P. Christophorus Kölich zum Abt ernannt worden war.
Das Mutterkloster St. Jacobi-St. Burchardi in Halberstadt gilt als erste Gründung eines Nonnenklosters zisterziensischer Observanz in der Region. Aus ihm gingen mit Helfta und Adersleben die erwähnten Tochtergründungen hervor. Aufgrund personeller Überbesetzung richtete Helfta seinerseits Hadersleben ein. Die einzelnen Gründungsvorgänge unterscheiden sich wesentlich. Das Halberstädter Ordenshaus entwickelte sich vergleichbar der heute noch bestehenden schwäbischen Zisterze Oberschönenfeld (bei Augsburg) aus einem Kreis religiöser Frauen und fand Unterstützung bei den Bischöfen Gardolf und Konrad. Helfta hingegen wurde auf Initiative der Grafen von Mansfeld eingerichtet. Als Gründung des Halberstädter Bischofs Volrad gilt Adersleben, und die Äbtissin von Helfta, Gertrud von Hakeborn, schließlich initiierte gemeinsam mit ihrer adeligen Familie die Errichtung der Zisterze in Hedersleben. Während sich St. Jacobi, Adersleben und Hedersleben Zeit ihres Bestehens vornehmlich der bischöflichen Gunst und deren Ministerialität erfreuten, kam Helfta nach Rückzug der Herren von Hakeborn unter den Einfluss der Grafen von Mansfeld-Querfurt, die das Kloster im 14. Jahrhundert in die Nähe ihrer Stammburg verlegten.
Die wirtschaftliche Basis der Konvente bildeten Einkünfte aus eigenbewirtschafteten Klosterhöfen sowie aus Pachten und Zinsen. Insbesondere für Adersleben sind zudem umfangreichere Kreditgeschäfte mit Zinseinnahmen auszumachen. Einnahmen aus Kirchenpatronaten flossen Helfta aus immerhin 16 Patronaten zu, St. Jacobi besaß fünf und die beiden anderen Häuser jeweils zwei Patronate. Während sich die Konvente von Hedersleben und Adersleben von Beginn an in bestehenden romanischen Pfarrkirchen einrichteten, entstanden für St. Jacobi und Helfta vollständig neue Klosterkirchen nach zisterziensischem Vorbild. Die Konvente von Halberstadt, Adersleben und Hedersleben rekrutierten sich überwiegend aus den ritterlichen Familien der Umgebung, der bischöflichen Ministerialität und dem niederen Adel. In Helfta hingegen ist das Adelsprivileg im Konvent Zeit seines Bestehens nachweisbar. Die durchschnittliche Nonnenzahl betrug zwischen elf Zisterzienserinnen in Hedersleben als kleinstem der Häuser und sechzig Nonnen in Helfta als personalstärkstem der vier Klöster.
Cornelia Oefelein verdient großes Lob für die Untersuchung der vier in der Forschung bislang vernachlässigten Ordenshäuser. Zudem hat sich die Autorin einer extrem schwierigen Quellenlage gestellt. Im Rahmen ihrer Untersuchungen konnte die Verfasserin trotzdem einige bislang als verschollen oder nicht mehr vorhanden geltende Restbestände der klösterlichen Archive ebenso wie Buchbestände (z.B. 83 Bände aus Helfta) auffinden. Eine ausführliche Bibliographie sowie verschiedene im Anhang abgedruckte Dokumente komplettieren diese wichtige und empfehlenswerte Darstellung zur hematik zisterziensicher Frauenklöster.
Klaus Wollenberg in: »Zeitschrift für bayerische Landeskunde« (ZBLG) 71, 2008-1

 

 

Die von Kaspar Elm betreute Studie wird noch größere Aufmerksamkeit von Seiten der Frömmigkeitsgeschichte erfahren, wenn gesagt ist, dass sich hinter den Tochterklöstern der Halberstädter Zisterzienserinnen außer St. Nikolaus in Aldersleben und St. Gertrud in Hedersleben auch St. Marien in Helfta verbirgt. Vfn. stellt die vier Klöster nach einem fallweise abgewandelten Schema vor, Themen wie geistliche Stiftungen (Ablässe, Indulgenzen), Bibliotheksgeschichte, Bau- und Kunstgeschichte inbegriffen. Für Helfta lohnte sich ein zusätzlicher Abschnitt »Geistiges Leben«, denn es ist das Kloster »der gesamten Region, aus dem Zeugnisse für die geistige Tätigkeit seiner Mitglieder vorliegen«, und es »nimmt als Literaturzentrum eine Ausnahmestellung ein«. Damit der Superlative nicht genug: »Die Berichte über die Visionen und Meditationen der drei ›heiligen Frauen von Helfta‹ bilden die größte einzelne Sammlung mystischer Literatur der Zeit«. Liturgie wird nicht hier, sondern unter »Soziale und rechtliche Verhältnisse« tangiert, nämlich dort, wo die Autorin auf die derzeitige Gretchenfrage der Zisterzienserinnen-Forschung: »Wie hast du's mit der Inkorporation?«, eingeht. Aus dem Bericht der Äbtissin Sophia von Stolberg (1409–59/63) lässt sich ein Bewusstsein zisterziensischen Herkommens ablesen, auch »wenn in der liturgischen Praxis Helftas, wie aus den Schriften der Mystikerinnen hervorgeht, keine zisterziensischen Besonderheiten erkennbar sind, diese vielmehr der Liturgie der Diözese Halberstadts entsprach«: Das hätte man gerne belegt gesehen, gerade weil sich diese Angabe einem Hinweis von Chrysogonus Waddell verdankt. Es wird aber nur allgemein vermerkt, dass die Helftarer Bibliothek auch »liturgische Schriften« verwahrte. Für St. Nikolaus in Adersleben ist auf zwei Dokumente hinzuweisen: ein um die Mitte des 14. Jh. datierter Bericht über die Einkleidung einer künftigen Nonne sowie ein in Abschrift überliefertes Gebet, das im Rahmen öffentlicher »Fürbitten an den Sonntagen« (156) seinen Platz hatte und für die Wohltäter des Klosters und andere von Gott »de ewige Frowde und ene froelige Upstandinge in den letzten Gerichte« (ebd.) erbittet. – Rezensent hätte es gefreut, die Patroziniengeschichte des Halberstädter Mutterklosters etwas intensiver beleuchtet zu sehen: »Trotz des Umzugs [1208] behielten die Nonnen das Patrozinium St. Jacobs bei, dasjenige des hl. Thomas [von Canterbury] verschwindet gänzlich aus den Quellen«. Nun ist Patrozinienwechsel kein ungewöhnliches Phänomen, doch dürfte es keinen so frühen Patrozinienwechsel in der Zeit der ersten Welle der Becket-Verehrung (1170–1220) gegeben haben. Die Hintergründe verdienten aufgeklärt zu werden, zumal Thomas von Canterbury damals als Zisterzienserheiliger galt und die »ecclesia b. Marie Dei genitricis et s. Thome martiris« – dreizehn Jahre nach der Kanonisation Thomas Beckets nachweisbar – eines der frühen Zeugnisse des Becket-Kults in Deutschland gewesen war.
S.L. in Archiv für Liturgiewissenschaft, 48. Jg., 2006, Heft 3

 

 

Die Diss. der Freien Universität Berlin beschreibt das Zisterzienserinnenkloster St. Jacobi-St. Burchardi zu Halberstadt, dessen zwei Tochtergründungen St. Marien zu Helfta und St. Nikolaus in Adersleben sowie das von Helfta aus gegründete St. Gertrud in Hedersleben nach einem einheitlichen Kriterienkatalog. Auf eine Darstellung von Quellen und Forschungslage folgen jeweils die Geschichte der Klöster bis zum Dreißigjährigen Krieg bzw. für Helfta bis zu dessen Aufhebung im Zuge der Reformation, danach Abschnitte zu Wirtschaft, Patronaten und Inkorporationen, geistlichen Stiftungen, Ablässen, Indulgenzen, sozialen und rechtlichen Verhältnissen, geistigem Leben, Bibliotheks-, Bau- und Kunstgeschichte sowie eine Konventsliste. Die urkundlichen Quellen sind zu großen Teilen noch unveröffentlicht (Hedersleben und Adersleben), für St. Jacobi wurde ein wesentlicher Teil erst 1978 durch die Deponierung im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover zugänglich. Für das Halberstädter Mutterkloster, das älteste Zisterzienserinnenkloster zwischen Harz und mittlerer Elbe, erweist die Vf. die abschriftlich überlieferte Gründungsurkunde Graf Siegfrieds II. von Blankenburg von 1199 Mai 25 (Schmidt, ÜB Stadt Halberstadt I Nr. 12) als Fälschung des letzten Propstes Joseph Merck vom Ende des 18. Jh., von dem auch die bereits von Schmidt (Nr. 19) als gefälscht erkannte Urkunde Bischof Friedrichs von Halberstadt von 1214 und eine angebliche Bestätigung des Klosters durch Papst Urban IV. (Viterbo 1261 April 1) stammen (S. 32–34). Den Band beschließen Abbildungen aus dem Bestand Dep. 76 des Hauptstaatsarchivs Hannover, deren Bezug zum Text zu finden viel Geduld des Lesers erfordert. Es handelt sich um die Kopialbuchseiten mit den genannten Fälschungen, weiterhin um eine bisher ungedruckte Schenkungsurkunde des Klosters Michaelstein an St.Jacobi über Güter in Halberstadt (um 1200), deren Edition (S.35f.) wegen zahlreicher Fehler leider unbrauchbar ist, einen Brief der Sophia von Stollberg, Äbtissin von Helfta von 1451 (zu S. 110), sowie ein Notariatsinstrument des Abtes von St. Ägidien in Braunschweig von 1504 mit Inserten von Schutzprivilegien Clemens VI. von 1351 Febr. 4 und Innocenz VI. von 1353 Mai 21 (zu S. 52; die Abb. zu klein, um lesbar zu sein). Hier wäre der über weite Strecken Neuland betretenden Arbeit etwas mehr Sorgfalt zu wünschen gewesen.
Ulrike Hohensee in Monumenta Germania Historica

 

Cornelia Oefelein beschäftigt sich in ihrer Dissertation, die 2003 an der FU Berlin angenommen wurde, mit mehreren dem Zisterzienserorden nahestehenden Frauenklöstern in der Diözese Halberstadt. Dabei handelt es sich erstens um das um 1200 gegründete älteste Zisterziensernonnenkloster im Raum zwischen Harz und mittlerer Elbe, St. Jacobi-St. Burchardi zu Halberstadt; zweitens um das vor allem durch die Mystikerinnen Mechthild von Hakeborn, Mechthild von Magdeburg und Gertrud von Helfta bekannte Kloster St. Marien zu Helfta, 1229 als Filiation des Halberstädter Klosters gegründet; drittens um das Kloster St. Nikolaus in Adersleben, um 1260 ebenfalls als Filiation von St. Jacobi-St. Burchardi gegründet und viertens um das Kloster St. Gertrud in Hedersleben, eine Filiation des Klosters St. Marien zu Helfta, 1253 gegründet und 1262 bezogen.
Einleitend stellt Oefelein zunächst die Frühgeschichte der Zisterzienserinnen ab dem 11. Jahrhundert und die Anfang des 13. Jahrhunderts einsetzende Abwehr des Ordens gegen die Aufnahme von zu vielen Frauenklöstern dar, die nicht nur seelsorgerisch versorgt, sondern wegen der ihnen auferlegten strikten Klausur auch in wirtschaftlicher Hinsicht betreut werden mußten. 1213 setzte das Generalkapitel Aufnahmebedingungen für Frauenklöster fest, die dazu führten, daß nicht mehr alle dem zisterziensischen Ideal verpflichten Frauengemeinschaften voll in den Orden inkorporiert und also auch von diesem betreut wurden. Das führte dazu, daß es auch nicht inkorporierte Gemeinschaften gab, die nach der Benediktregel und der Carta Caritatis ein zisterziensisches Leben zu verwirklichen suchten. Oefelein arbeitet heraus, wie die neuere Forschung die nicht inkorporierten Zisterzienserinnen miteinbezieht und dabei auch noch stärker differenziert und zwischen inkorporierten, assoziierten und freien Zisterzienserinnen unterscheidet – Ihre eigene Arbeit ordnet sie jedoch nicht ausdrücklich in den Kontext dieser Diskussion ein. Ihr Ziel sieht sie vielmehr lediglich darin, einen Beitrag zur Geschichte der vier genannten Zisterziensernonnenklöster zu leisten und »nach Möglichkeit das geistige Leben dieser Gemeinschaften zu erhellen«.
In ihrer Darstellung widmet Oefelein jedem dieser vier Klöster ein Kapitel mit der gleichmäßigen Untergliederung: Quellen und Forschungslage – Geschichtlicher Überblick – Wirtschaftliche Verhältnisse – Patronate und Inkorporationen – Geistliche Stiftungen – Soziale und rechtliche Verhältnisse – Bibliotheksgeschichte – Bau- und Kunstgeschichte. Zu jedem Kloster erstellt sie außerdem eine je nach Überlieferungslage variierende Konventsliste mit Namen und Wirkungsdaten der jeweiligen Äbtissinnen, Priorinnen, Pröpste, Priester etc. bis hin zu den Konversen.
Warum Oefelein ihre Kapitelüberschriften jeweils mit dem Zusatz »im Mittelalter« versieht, ist der Rezensentin nicht deutlich geworden. Die Darstellung bricht nämlich nicht um 1500 oder mit der Reformation ab, sondern bezieht in der Regel zumindest die Zeit bis zum 30jährigen Krieg gleichermaßen ein und reicht in einigen Fällen auch darüber noch hinaus. Von den vier Gemeinschaften bestanden drei bis zur Säkularisation im 19. Jahrhundert als katholische Klöster; lediglich Helfta wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts säkularisiert. Auch sonst sind die Klöster recht unterschiedlich. Das zeigt sich schon an der Zahl der Nonnen, einer im Durchschnitt jeweils recht konstanten Größe. Das mehrmals verlegte Helfta war mit durchschnittlich 60 Nonnen die bei weitem größte Gemeinschaft, während in Hedersleben nur etwa 11 Nonnen lebten. Helfta hat auch als einziges der vier Klöster überwiegend adelige Mitglieder, während die anderen drei Gemeinschaften ständisch gemischter sind. Das Halberstädter Mutterkloster wiederum verfügte über die aufwendigste Klosterkirche, deren Errichtung nach dem Plan von Citaux und dem Vorbild von Riddagshausen gleich nach der Gründung in Angriff genommen wurde, sowie über eine nicht unbedeutende Wallfahrtskapelle in Schwanebeck.
Ausgehend von der kritischen Auswertung der überlieferten Quellen, meist Urkunden, aber auch Briefe, Chroniken u.a., die sie teilweise auch ausführlicher im Wortlaut zitiert, füllt Oefelein ihr Darstellungsschema auf. Der systematische Ansatz hat den Vorteil der Übersichtlichkeit, zwängt jedoch auch die unterschiedlichen Klöster in ein einheitliches Raster. In der vergleichenden Zusammenfassung, die die Darstellung abrundet, geht Oefelein auch auf die Frage der kirchenrechtlichen Stellung ein. Alle vier Klöster waren dem Bischof von Halberstadt direkt unterstellt und sind bis zur Gegenreformation »päpstlich privilegierte nicht inkorporierte« Klöster des Zisterzienserordens gewesen. Bei keinem der Klöster konnte sie Anzeichen dafür entdecken, daß eine Inkorporation in den Orden angestrebt wurde. Sie wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob dieser kirchenrechtliche Status für die Gemeinschaften selbst und für ihr soziales Umfeld überhaupt von Bedeutung gewesen ist. Für das geistige Leben sind offenbar nur im Falle des Klosters Helfta aussagekräftigere Quellen zu ermitteln gewesen. In dem Kapitel über dieses Kloster ist nicht nur ein zusätzlicher Abschnitt »Geistiges Leben« dem Wirken der Mystikerinnen gewidmet, sondern in der Rubrik »Geschichtlicher Überblick« wird auch Niedergang und Reform des Klosterlebens im 15. Jahrhundert behandelt, sowie der von Luther aufgegriffene Fall der entflohenen Nonne Florentina von Oberweimar, die unter der strengen Observanz im Kloster Neu-Helfta sehr gelitten hatte. Im Schlußkapitel geht Oefelein auf die ungleichmäßige Quellenlage zum geistigen Leben der vier Konvente jedoch nicht näher ein, sondern beläßt es bei der Feststellung, »das geistige Leben dieser Frauengemeinschaften lässt Einheit in der Vielheit erkennen«. Der Arbeit sind drei Urkunden und drei Urkundenabschriften als Reproduktionen beigegeben, deren Schriftbild teilweise groß genug für eine Entzifferung ist.
Auf der hier vorgelegten fundierten, verdienstvollen Materialsammlung zur Geschichte dieser Klöster werden weitere Forschungen aufbauen können.
Susanne Wittern, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 25 (2006)

 

Nach einer Blütezeit während der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts erscheinen Kloster- und Stiftsmonographien aktuell in einem deutlich langsameren Rhythmus. Dass der Buchmarkt hier lediglich als Spiegel aktueller Forschungstrends fungiert, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Umso begrüßenswerter ist es, dass die klassische und keinesfalls antiquierte Form der Klostermonographie mit dem Werk von Cornelia Oefelein wieder zu neuen Ehren kommt.
Die im Jahre 2003 an der Freien Universität Berlin eingereichte Dissertation ist in vier Hauptkapitel gegliedert, die jeweils ein Kloster behandeln. Neben das Kloster St. Jacobi-St, Burchardi zu Halberstadt (S. 28–95) treten so nacheinander das Kloster St. Marien zu Helfta (S. 95–144), das Kloster St. Nikolaus in Adersleben (S. 144–165) und das Kloster St. Gertrud in Hedersleben (S. 165–203). Die Binnengliederung der einzelnen Kapitel ist identisch und ermöglicht ein hohes Maß an Vergleichbarkeit: neben Bemerkungen zur Quellen-und Forschungslage treten Ausführungen zur geschichtlichen Entwicklung des jeweiligen Klosters, seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, den Patronaten und Inkorporationen, den geistlichen Stiftungen, sozialen und rechtlichen Verhältnissen, der Bibliotheksgeschichte und schließlich der Bau- und Kunstgeschichte. Der zeitliche Schwerpunkt liegt dabei klar auf dem Mittelalter, doch erhalten auch die Ereignisse während und nach der für die Klöster existenzgefährdenden Umbruchzeit der Reformation den ihnen zustehenden Raum.
Da es sich bei allen behandelten Klöstern um Nonnenkonvente handelt, kommt die Autorin bereits in der Einleitung nicht umhin, zum Problem der Inkorporation von Frauenklöstern in den Zisterzienserorden Stellung zu nehmen. Nach einem Überblick über die Forschungslage, die durch eine Vielzahl widersprüchlicher und nur schwer miteinander in Einklang zu bringender Meinungen charakterisiert ist, wird dafür plädiert, dem rein juristischen Kriterium der formellen Inkorporation nicht die alles entscheidende Bedeutung zuzumessen und stärker die Lebenswirklichkeit in den Frauenklöstern selbst zu beachten. Wird hier also nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht, um Widersprüchliches harmonisieren zu können, scheint das mit der Arbeit verbundene Ziel, nämlich einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte dieser Zisterziensernonnenklöster zu leisten (S. 27) sehr viel selbstbewusster formuliert.
Die Detailuntersuchungen zu den vier Klöstern zeigen zwar ein hohes Maß an Übereinstimmungen, demonstrieren jedoch auch, wie trotz identischer politischer Gemengelage Entwicklungen nicht zwangsläufig in die gleiche Richtung laufen mussten, belegen somit auch, welch hoher Stellenwert dem personalen Element insbesondere in der Leitungsgestalt der jeweiligen Äbtissin zukam. Im Falle des Klosters St. Jacobi-St. Burchardi zu Halberstadt konnte auf 170, den Zeitraum von 1199 bis 1789 abdeckende Originalurkunden und zwei Kopiare des Klosters aus dem 17. und 19. Jahrhundert zurückgegriffen werden. 1199 von Mechthild, der Schwester eines Grafen von Blankenburg, gegründet, scheint der Konvent zunächst vom Glück begünstigt gewesen zu sein. Eine kluge Grunderwerbspolitik, die bewusst auch auf Streubesitz setzte, führte zu einer Grundausstattung, die ausreichte, um einen Konvent mit ca. 20–30 Nonnen angemessen zu versorgen. Auf Phasen der Prosperität und vorbildlicher Lebensgestaltung folgten Schwächeperioden, wie sie in den Visitationsberichten von 1496 und 1498 greifbar werden, wo man massive Verstöße gegen die Klausur beklagte. Ob diese Ermahnungen zu einer Hebung des moralisch-spirituellen Niveaus führten, wird aus den erhaltenen Quellen nicht recht ersichtlich, hatte das Kloster doch seit 1525 mehrere Schicksalsschläge hinzunehmen. Im Bauernkrieg 1525 gestürmt und geplündert, brannte es 1542 ab und sah sich spätestens ab 1552, als in Halberstadt zum ersten Mal ein evangelischer Bischof amtierte, einem verstärkten Legitimationsdruck ausgesetzt. Doch St. Jacobi hielt Stand, suchte beim Kaiser offenbar recht erfolgreich um Schutzbriefe nach und konnte bis zum Einmarsch der schwedischen Trappen 1631 weiter existieren. Auch danach sorgte man sich um die Aufrechterhaltung klösterlichen Lebens. Auf die Edition des aus dem Klosterarchiv stammenden Augenzeugenberichts der Äbtissin Margarete Salgen, in dem die Ereignisse der Jahre 1631 /32 detailliert beschrieben werden, darf man gespannt sein, doch brachte die Zeit bis zur Aufhebung des Klosters und der Profanierung des sich an Citeaux II orientierenden Kirchenbaus 1810 kein neues Erblühen mit sich. Auf die aus gedruckten und ungedruckten Quellen und weiterer Literatur zusammengestellte Konventsliste greift man gerne zurück, spiegeln sich in ihr neben der sozialen Zusammensetzung doch unmittelbar die Wechselfälle der Klostergeschichte wider.
Das um 1229 von St. Jacobi aus gegründete, in seiner Geschichte mehrmals verlegte und in der Reformation untergegangene Kloster St. Marien in Helfta ist durch die Persönlichkeiten der Helftaer Mystikerinnen noch heute bekannt. Gertrud und Mechthild von Hakeborn entfalteten zusammen mit Gertrud von Helfta im 13. Jahrhundert eine erstaunliche schriftstellerische Wirksamkeit und trugen zum hohen Ansehen des Klosters bei. Auch wenn die Verfasserin die Konventsstärke im 13. Jahrhundert von hundert auf siebzig Nonnen korrigiert, handelt es sich noch immer um eines der größten Klöster der Region, dessen beeindruckende Bibliothek noch heute in Resten in der Turmbibliothek der Andreaskirche in Eisleben aufbewahrt wird. Die Ausführungen der Verfasserin bringen weiteres Licht ins Dunkel der umstrittenen Observanzenfrage: sie liefert bislang unbekannte Quellenbelege, die klar gegen eine benediktinische und für eine zisterziensische Observanz sprechen. Trotz aller wirtschaftlicher Katastrophen zeigte sich das Kloster in Helfta zu einer Neugründung fähig: 1253 begann die Geschichte von St. Gertrud in Hedersleben, das ebenso wie die zweite Tochtergründung von St. Jacobi, St. Nikolaus in Adersleben, sicherlich nicht zu denjenigen Klöstern gehörte, denen eine große Wirksamkeit beschieden war. Immerhin ist die Geschichte der beiden Klöster nach der Auswertung der erhaltenen Urkunden und Archivalien nun in weiten Teilen nachvollziehbar, auch wenn zwangsläufig einige Fragen unbeantwortet bleiben müssen.
Der Vergleich der vier zwischen Harz und mittlerer Elbe gelegenen Frauenklöster zisterziensischerObservanzdemonstriertzwareinerseitsunterschiedlicheGründungsvorgänge, verdeutlicht andererseits aber ähnliche wirtschaftliche Entwicklungen wie den Ausbau der Grundausstattung durch Güterankäufe bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts, gefolgt von einer Phase der Besitzkonsolidierung durch gezielte Ankäufe, Verkäufe und Tausch. Auf dieser Basis konnte es den einzelnen Klöstern gelingen, dass zur Versorgung Notwendige jeweils selbst zu beschaffen. Die unterschiedlichen Konventsgrößen von Hedersleben mit durchschnittlich elf und Helfta mit über sechzig Nonnen sind hier freilich stets in Rechnung zu stellen.
Die in der Einleitung aufgeworfene Frage nach der rechtlichen Stellung der Klöster wird in der Zusammenfassung (S. 203–206) noch einmal aufgenommen. Im Falle von St. Jacobi besteht immerhin die Möglichkeit einer Inkorporation in den Ordo Cisterciensis, während Helfta, Adersleben und Hedersleben ohne jeden Zweifel zu den nicht inkorporierten Klöstern gehörten. Diese geringe Inkorporationsdichte wird von der Verfasserin mit überzeugenden Argumenten weniger auf machtpolitische Rivalitäten zwischen geistlichen und weltlichen Gewalten als auf logistisch-praktische Probleme bei der Betreuung von Frauenklöstern durch wenige Männerklöster zurückgeführt.
In der vorliegenden Monographie wird der überzeugende Versuch unternommen, auf Grundlage einer in einigen Fällen defizitären Quellenlage ein Gesamtbild von vier voneinander abhängigen Frauenklöstern zu zeichnen. Eine Vielzahl von Aspekten, die nicht allein auf die Klärung juristischer, wirtschaftlicher oder politischer Probleme abzielen, sondern auch den religiösen Kontext der Zeit miteinbeziehen, erfährt eine solide Darstellung, die – ein weiterer Vorteil der Arbeit – auch neue Forschungsfelder insbesondere im Bereich der Frühen Neuzeit eröffnet.
Ralf Lützelschwab in »Cîteaux« 2006