Annette Vowinckel

Hannah Arendt

Zwischen deutscher Philosophie und jüdischer Politik

 

[…] Kommen wir abschließend noch zu drei eher biographisch orientierten Einführungen. Zwei legt zwischen 2004 und 2006 Annette Vowinckel vor, das erste unter dem Titel Hannah Arendt – Zwischen deutscher Philosophie und jüdischer Politik, erschienen im berliner Lukas Verlag, das zweite in der Reihe ›Grundwissen Philosophie‹ des Reclam Verlages in Leipzig unter dem schlichten Titel Arendt. In beiden Fällen handelt es sich um knappe Einführungen, die Arendt zwischen Heidegger, Jaspers einerseits und dem Judentum andererseits politisch und philosophisch verorten.
Beide Bücher stellen ihr Werk weitgehend chronologisch in Beziehung zu ihrem Leben dar, mehr oder weniger beginnend in Marburg mit der Beziehung zu Heidegger, die Stationen Berlin, Paris, New York durchlaufend, somit theoretisch wirklich einsetzend mit dem Totalitarismus-Buch, um dann den Schritten ihrer weiteren Werke und der um sie herum stattfindenden Zeitereignisse zu folgen. Daß dabei vieles unerwähnt bleiben muß ob der Enge des zur Verfügung stehenden Raumes, darf man getrost als Absicht solcher kompakten Einführungen unterstellen. Ärgerlich aber sind nicht allein im ersten Buch, sondern auch noch teilweise in der Reclam-Einführung zahlreiche Fehler: Da heißt Husserl mal Martin mit Vornamen und Heidegger übernimmt das Rektorat in Heidelberg oder Arendt emigriert zusammen mit ihrer Mutter 1933 von Berlin nach Paris. In der Reclam-Einführung sieht Arendt sich aufgrund ihrer Affäre mit Heidegger gezwungen ›Marbach‹ zu verlassen. Oder Vowinckel unterstellt Jürgen Habermas, sich in seiner zweibändigen Theorie des kommunikativen Handelns auf Arendt zu beziehen, was schlicht nicht der Fall ist, kommt Arendt nicht mal im Personenregister vor. Offenbar verzichtet auch der Reclam-Verlag auf ein gutes Lektorat. […]
Im Buch Hannah Arendt – Zwischen deutscher Philosophie und jüdischer Politik erklärt Vowinckel die Beziehung zu Heidegger als Plot von Arendts Biographie. Sie eröffnet den Spannungsbogen zwischen rassistischer Verfolgung und der deutschen Kultur, der Arendt entstammt. Im Reclam-Buch betont Vowinckel die Abkehr von der Philosophie und die Hinwendung zur politischen Theorie. Auch wenn Arendt dementierte, Philosophin zu sein und wenn sie einen Spannungsbogen zwischen Philosophie und Politik erblickte, sie schuf – und darin kann ich Vowinckel nur zustimmen – ein neue Grundlage für die politische Philosophie. […]
Hans-Martin Schönherr-Mann in »Philosophische Rundschau«, 54/1, 2007

 

[…] Abgesehen davon, daß Vowinckel bereits zu Arendts Geschichtsbegriff bei Dan Diner promovierte und über den notwendigen Überblick verfügt, schafft sie es auch, Arendt von ihrem unwürdigen Popsockel zu holen, ohne sie dabei zu diskreditieren.
Bea Dorn in: »konkret«, Heft 12/2005

 

Vowinckel stellt das Wiedersehen von Hannah Arendt und Martin Heidegger im Winter 1949/50 an den Anfang ihrer biographischen Erzählung und entspricht damit der Vorgehensweise Arendts, »nicht die Geburt, sondern den Wendepunkt der

Lebensgeschichte als Einstieg in die Erzählung zu wählen«. Arendts deutsch-jüdische Doppelexistenz kam besonders in der Beziehung zu Heidegger zum Vorschein, der ihr Leben mehr als jeder andere Intellektuelle geprägt hat. Vowinckel arbeitet jedoch nicht nur die persönliche Beziehung zu Heidegger heraus, sondern legt auch seinen Einfluß auf das Gesamtwerk Arendts dar. Im Mittelpunkt dieser Biographie steht daher die Person Heidegger. Davon ausgehend hinterfragt die Autorin die Bedeutung der jüdischen Herkunft für Arendts Leben und Werk und prüft, ob Arendt als »jüdische Gelehrte« bezeichnet werden könne. Arendt, der es unmöglich war, sich aus der geistigen Welt der deutschen Philosophie zu lösen, »auch und gerade da, wo sie sich mit den Angelegenheiten jüdischer Politik und Geschichte befaßte«, sei »Deutsche und doch keine Deutsche, […] Jüdin und doch keine Jüdin« gewesen. Sie habe eine Generation deutscher Juden verkörpert, die zwar voll emanzipiert gewesen sei, aber dennoch immer wieder auf die Tatsache ihrer jüdischen Herkunft zurückgeworfen wurde. Gerade weil sich Arendt »zu jeder Zeit der Unausweichlichkeit und der Fragilität ihrer jüdischen Existenz bewußt war«, sei sie eine »jüdische Intellektuelle« gewesen, Vowinckel gelingt es, in kleinen und sehr gut lesbaren Kapiteln, die wesentlichen Stationen im vielschichtigen Leben der Philosophin deutlich zu machen.
MEV in: Zeitschrift für Politik, Heft 4/05, S.1493