Clemens Bergstedt, Heinz-Dieter Heimann (Hg.)

Wege in die Himmelsstadt

Bischof – Glaube – Herrschaft 800–1550

Im Jahr 2005 wurde die ehemalige Residenz der Bischöfe von Brandenburg, Burg Ziesar, grundlegend renoviert und zugleich Sitz eines Museums sowohl für allgemeine wie auch für brandenburgische Kirchengeschichte. Das wunderbare Burgensemble mit der ausgemalten Kapelle sowie Malereien im sog. »Jerusalemraum« stellen einmalige Höhepunkte spätmittelalterlicher Kunst dar. Während die Kapelle, 1470 fertiggestellt und geweiht von Bischof Dietrich von Stechow (1459–1471), der dort auch begraben liegt, Stück für Stück in altem Glanz erstrahlt, ist das große Flächenbild der himmlischen Stadt nur noch in Resten vorhanden. Die Ausstellungsmacher – gleichzeitig die Herausgeber dieses Bandes – machten aus der Not eine Tugend und haben in einer einzigartigen – und wohl manchen Besucher auch verstörenden – Art eine Komposition aus Bildresten mit Musik in einer besonderen Klangmischung geschaffen, die wohl einmalig ist und schon allein deshalb den Besuch dieser mittelalterlichen Bischofsresidenz lohnt. Die Ausstellung selbst führt ein sowohl in die Geschichte und Funktion der einzelnen Räume der Burg als auch – in gelungenem Rückgriff auf gezielt ausgewertete Objekte – auf die mittelalterliche Kirchengeschichte bis zur Reformation im Allgemeinen wie auf diejenige des Bistums Brandenburg im Besonderen. Der Besucher wird von der einzigartigen Aura des Ortes angetan sein, ein Abstecher ist wärmstens zu empfehlen. Die Empfehlung gilt auch für den vorzustellenden Band, der ausgehend von einer Biographie Bischof Dietrichs (Maria Müller) den Leser in konzisen und knappen Beiträgen in mittelalterliche Jenseitsvorstellungen (Matthias Wemhoff, Peter Riedel, Clemens Kosch, Helga Fabritius) einführt. Die Behandlung christlicher Missionierungsbestrebungen (Arnold Ange-nendt/ Karen Meiners) – in Verbindung mit den Kontakten zum Islam und Judentum (Michael Borgolte) – leitet über zur Darstellung des (wenig erfolgreichen) Wendenkreuzzuges von 1146 (Harald Schwillus) und der viel erfolgreicheren Tätigkeit der prämonstratensischen Seelsorge, die zu einer Rückereroberung der 982 aufgegebenen Bistümer Brandenburg und Havelberg führte. Erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde das Land flächendeckend pastoral erfasst und christianisiert (Jörg Rogge, Michael Höhle). Die Bischofsresidenz Ziesar, die Gründe für das Verlassen der Bischofsstadt Brandenburg und das Ausweichen des Bischofs dorthin, dieStellung der Bischöfe als Territorialherren – das Hochstift blieb in seiner Ausdehnung äußerst bescheiden wie im Übrigen auch der Besitz des Domkapitels – werden ausführlich beschrieben (Klaus Neitmann, Dietrich Kurze), ehe dann Kapelle und »Jerusalemraum« einer eingehenden kunsthistorischen Würdigung unterzogen werden (Hartmut Krohm, Wilfried Sitte, Anette Wigger). Das Kapitel »Reformation« und damit einhergehender Untergang des Bistums Brandenburg schließt diesen Themenbereich ab (Frank Gase).
In einem letzten Abschnitt werden die Ausstellung selbst sowie ihr konzeptueller Hintergrund erörtert (neben den Herausgebern Detlef Saalfeld und Robin Minard). Am Ende stellt sich die grundsätzliche Frage, warum eine Anzeige dieses Bandes in der ZBLG geschieht? Man könnte auf die Brandenburgreise des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel verweisen und auf dessen auch heute noch bedeutenden Aufzeichnungen zu Inschriften und Bibliotheken, oder auf die Wallfahrt auf dem Harlunger Berg bei der Altstadt Brandenburg, dessen Marienkirche Mittelpunkt des sog. »Schwanenordens« war, der den märkischen Adel mit dem zugezogenen fränkischen verbinden sollte und der einen Ableger in Ansbach hatte. Wichtiger dürfte jedoch ein anderer Aspekt sein: Die Erforschung von Bischofsresidenzen und deren Funktion für die Ausbildung und Verwaltung der Hochstifte ist auch in Bayern, Franken und Schwaben eine wichtige Forschungsaufgabe. Daher lohnt ein vergleichender Ausgriff auf Brandenburg, der den Blick vieler Landeshistoriker auf eine, vom Süden aus gesehen, ferne Region lenken sollte.
Helmut Flachenecker in der
»Zeitschrift für bayrische Landesgeschichte« (ZBLG) 70, Band 2007-1

 

Die Grußworte von Vertretern beider kirch­lichen Konfessionen, der Landes- und Kommunalpolitik sowie das Vorwort der beiden Herausgeber spiegeln die vielfältigen Hoffnun­gen und Erwartungen, die an die Eröffnung des Museums für brandenburgische Kirchen- und Kulturgeschichte des Mittelalters im Sommer 2005 geknüpft werden. Sie alle betonen die neue Dimension der historischen Betrachtung Brandenburgs jenseits der Fixierung auf preu­ßische Geschichte und verweisen auf die zu erwartenden Erträge: die Erweiterung des wissenschaftlichen Fragehorizontes für die brandenburgische Landesgeschichte, die Schaf­fung eines Bewusstseins für lange vernachläs­sigte kirchliche und religiöse Zusammenhänge, die es neu zu entdecken gilt, die Entstehung eines, durchaus auch touristisch zu vermark­tenden Ziels für geschichtlich interessierte Laien und wissenschaftlich forschende His­toriker.
Der in Ziesar ausliegende zweite Band der Museumspublikationen ist kein Ausstellungs­katalog, doch er leistet höchst wertvolle Unter­stützung für das Verständnis der verschiede­nen Themenfelder, die in dem im Laufe seiner Geschichte mehrfach umgebauten Gebäude­ensemble zur Ansicht gebracht werden. Ein­schlägig ausgewiesene Mediävisten stellen in allgemein verständlicher Sprache die politische und kirchliche frühmittelalterliche Erschlie­ßung der brandenburgischen Territorien vor, zentrale mittelalterliche Glaubensvorstellun­gen und ihre Vergegenwärtigung in Bildern und Gegenständen, die Organisation bischöfli­cher Herrschaft und ihre Realisierung am Beispiel Ziesar, schließlich die Umbrüche im Zuge der Reformation. Eingedenk der Adres­saten, die man vornehmlich erreichen möchte, geschieht dies ohne ausführlichen Anmer­kungsapparat, wohl aber mit einer im Anhang zusammengefassten mehrseitigen Literatur­liste.
Der letzte Teil des Buches erläutert in drei Beiträgen die inhaltliche und gestalterische Konzeption der Ausstellung. Zwei Themen­wege laufen kontinuierlich parallel zueinander: Der burgseitige Weg sucht durch eine gelenkte Blickführung und an entscheidenden Stellen durch eine entsprechende Offenlegung im Mauerwerk, an Decken und Wänden die ständigen Veränderungen zu erfassen, die das Gebäude durch Umbauten und Umnutzungen erlebte. Der »Himmelsweg« dagegen konzentriert sich auf die Präsentation von Religions- und Kirchengeschichte sowohl im europäischen Kontext als auch im branden­burgischen Raum. Die »Ausstellungsmacher« weisen dabei zum einen auf die didaktischen Schwierigkeiten hin, die der vehemente (Ab-) Bruch in der und für die Darstellung und Wahrnehmung kirchlicher Zusammenhänge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den östlichen Bundesländern Deutschlands zeitigte. Zum anderen aber lenken sie die Aufmerksamkeit vor allem auf die heraus­ragenden Highlights, die Ziesar auszeichnen: die Kapelle der bischöflichen Residenz mit ihrer in Gänze überkommenen Ausmalung des 14. Jahrhunderts als auch die fragmentarisch erhaltenen, aber mittlerweile restauratorisch gesicherten Wandbilder innerhalb der Burg­räume, vor allem im sog. Jerusalemraum und seiner als großformatiges Wandgemälde gestaltete Pilgerkarte mit einer Stadtansicht Jerusalems im Zentrum.

Zusätzlich zu zahlreichen Abbildungen ist dem Buch eine CD mit geistlichen Gesängen des Hoch- und Spätmittelalters beigegeben, aufgenommen in der Burgkapelle von Ziesar, auf dass man sich des Ortes in vielfältiger sinnlicher Wahrnehmung erinnert.
Ziesar liegt nicht unbedingt zentral. Aber es liegt, gut ausgeschildert und leicht erreichbar, nur wenige Kilometer abseits der A 2 auf dem Weg von und nach Berlin – nicht als Stätte rückwärts gewandter Erinnerung, sondern als Ort der wissenschaftlichen Aufarbeitung eines lange vernachlässigten Stücks brandenburgi­scher Geschichte in sehr modernem Gewand. Möge die dem Publikum aufs Neue zugänglich gemachte Bischofsresidenz Ziesar, die künftig auch eine eigene Bibliothek zur regionalen Kirchengeschichte beherbergt, viele Besucher anziehen und das Buch über seine Wege in die Himmelsstadt ihnen eine klärende Lektüre sein, die zum Wiederkommen anregt.
Gudrun Gleba in der »Zeitschrift für Kirchengeschichte« (ZKG) 118, Band 2007-2

Dieses Buch erschien Pfingsten 2005 anlässlich der Eröffnung des »Museums für brandenburgische Kirchen- und Kulturgeschichte« mit der Dauerausstellung »Wege in die Himmelsstadt. Bischof-Glaube-Herrschaft 800–1550«. Herausgeber und Autoren wählten statt eines Katalogs der originalen Ausstellungsexponate der in der Ausstellung aufgebauten Objekte bewusst das vorliegende Begleitbuch mit Bezug auf die Bischofsresidenz und auf zentrale Themenfelder der Ausstellung hinsichtlich der Wirkungszusammenhänge brandenburgischer Kirchen- und Kulturgeschichte des Mittelalters bis in die Reformationszeit. Zu Themen wie die Bischofsresidenz Ziesar, das Wirken mittelalterlicher Bischöfe, die Reichweite der christlichen Religion und der eigentypische Verlauf der Missionierung äußern sich fachkundige Historiker, Kunst- und Kirchenhistoriker auf dem neuesten Stand der Forschung, Das führt zu Fragestellungen, wie Heiden und Christen zusammenfanden, wie Macht, Herrschaft, Repräsentation und die Residenz der Brandenburger Bischöfe gestaltet wurden und wie das mittelalterliche Christentum und seine Kirche in der kulturellen Entwicklung Brandenburgs als Teil eines grundlegenden Prozesses in der europäischen Geschichte wirksam wurden. Wie das reich illustrierte Buch die brandenburgische Kirchen- und Kulturgeschichte des Mittelalters im europäischen Kontext schildert, bezeugen die neunzehn Beitrage, die hier kurz aufgelistet werden.
Mario Müller befasst sich mit Bischof Dietrich von Stechow unter dem Gesichtspunkt der Frömmigkeitsforderung. Matthias Wernhoff setzt sich mit der mittelalterlichen Begräbniskultur auseinander. Peter Riedel widmet sich Jenseitsvorstellungen des Mittelalters. Clemens Kosch informiert über Heilszeichen und Heilsträger. Helga Fabritius entwirft das Bild vom Paradies im Mittelalter (Jerusalem und andere Paradiese). Das christliche und das nichtchristliche Europa um die erste Jahrtausendwende wählt Michael Borgolte als Thema. Arnold Angenendt und Karen Meiners äußern sich über christliche Mission als Religionswechsel. Harald Schwillus beschäftigt sich mit Bernhard von Clairvaux und dem Wendenkreuzzug, Jörg Rogge mit der Kirchenorganisation im Bistum Brandenburg vom 10. bis zur Mitte des 13. Jhs. und Michael Höhle mit dem kirchlichen Leben im Bistum Brandenburg. Klaus Neitmann schildert die bischöfliche Residenz Ziesar, Dietrich Kurze die weltliche Macht der Brandenburger Bischöfe, Hartmut Krohm die Kapelle der Bischofsresidenz Ziesar, Wilfried Sitte die mittelalterlichen Wandmalereien im »Jerusalemraum« und Anette Wigger die Grablegen der Brandenburger Bischöfe. Clemens Bergstedt und Heinz-Dieter Heimann weisen Wege und Wegzeichen in die Himmelsstadt. Detlef Saalfeld erschließt das Gestaltungskonzept der Ausstellung. Robin Minrad erläutert die mehrkanalige Klanginstallation, die den Besucher im Museum begleitet.
Das Begleitbuch ist ein faszinierender »Museumsführer« von hohem Informationswert, der in ein spannendes, wissenschaftlich noch wenig erforschtes Kapitel der brandenburgischen Geschichte im europäischen Kontext einführt.
Fritz Wagner in »Cistercienser Chronik«, 114. Jg. 2007, Heft 2

 

Dieses Buch ist kein Katalog. Soll es auch gar nicht sein! Das jedenfalls lassen uns die Herausgeber von »Wege in die Himmelsstadt«, Clemens Bergstedt und Heinz-Dieter Heimann, schon im Vorwort wissen. Mit gutem Recht. Schließlich kann man im brandenburgischen Museum für Kirchen- und Kulturgeschichte des Mittelalters auf der Burg Ziesar wirklich jede Menge Wissenswertes erfahren. Und so geht dieser zweite Band der Schriftenreihe des Museums weit über das in der einstigen Bischofsresidenz Gezeigte hinaus. Die Wandmalereien im Jerusalemraum zum Anlaß nehmend, erzählen die Autoren nicht nur davon, wie die Bischöfe ihren Himmel und die heilige Stadt in das eigene Heim holten. Sie ordnen die feste Burg im Westen der Mark in den Kontext europäischer Religions- und Kulturgeschichte ein und geben so anregenden Nachhilfeunterricht auf einem hierzulande lange mehr als nur mißtrauisch beäugten Gebiet.
Martin Stefke in der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« vom 17./18. September 2005