Armin Hanson

Denkmal- und Stadtbildpflege in Potsdam 1918–1945

 

Während der an der Geschichte Potsdams Interessierte bisher eine reiche Literatur zum 18. und 19. Jahrhundert nutzen konnte, blieben Publikationen zur Geschichte der Stadtentwicklung nach dem Ende der Monarchie im Jahre 1918 spärlicher und waren in der DDR-Zeit stark ideologisch geprägt. Der Autor konnte also kaum auf Potsdam-spezifische Literatur zurückgreifen, sondern nutzte zeitgenössische Quellen wie die einschlägigen Bestände des Potsdamer Stadtarchivs und der Unteren Denkmalschutzbehörde Potsdam, des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz sowie die entsprechenden Zeitungs-Jahrgänge u.a. der lokal sehr verbreitet gewesenen Potsdamer Tageszeitung.
Vorangestellt ist ein Exkurs über die Genese der Potsdamer Kulturlandschaft und des städtebaulichen Ensembles der Stadt als Teil dieses Gesamtkunstwerks, das erst seit dem 17. Jahrhundert als Folge des Ausbaus der Stadt zur zweiten Hohenzollernresidenz entstanden war, im 18. Jahrhundert Garnisonstadt wurde und seinen Höhepunkt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte…
In dem Kapitel über die Situation Potsdams und die Rahmenbedingungen der Denkmal- und Stadtbildpflege nach 1918 wird ausführlich auf die sozioökonomischen und politischen Rahmenbedingungen und die wenigstens bis 1924 prekäre Finanzlage der Stadt eingegangen … In dem Abschnitt über die Denkmalpflege in der öffentlichen Meinung wird die auflagenstarke Potsdamer Tageszeitung hervorgehoben, ein nationales Blatt, das durch seine fachlich kompetenten und z.T. ausführlichen Beiträge zu geschichtlichen und denkmalpflegerischen Fragen meinungsbildend war und diese Tendenz auch trotz Anpassungen an die nationalsozialistische Ideologie bis 1945 beibehalten konnte.
Im vierten Kapitel werden die theoretischen, ideellen und weltanschaulichen Grundlagen der Denkmalpflege, insbesondere während der NS-Herrschaft, dargestellt. Der konservierenden Denkmalpflege wurde die ästhetisch orientierte »schöpferische« Denkmalpflege beigesellt bzw. entgegengesetzt, die für den Verlust oder die Entstellung von Baudenkmälern aus der Zeit des Historismus und des Jugendstils – so auch in Potsdam – verantwortlich war …
Die Ideen des Heimatschutzes waren auch für den seit 1934 amtierenden Potsdamer Oberbürgermeister General a.D. Hans Friedrichs (NSDAP) Grundlage seiner Entscheidungen zur Stadtentwicklung … Im Sinne des ganzheitlichen Heimatschutzes strebte er an, den historischen Charakter Potsdams zu erhalten und die Stadt als »Landschaftsstadt« zu entwickeln. Die Ausführungen zur Biographie von Hans Friedrichs umfassen seine Stationen auf dem Weg zur Macht (NSDAP-Mitglied – Stadtverordneter – Kreisleiter), die Ernennung zum Oberbürgermeister, seine Haltung als Nationalsozialist und Parteifunktionär und die Bedeutung des NS-Führerprinzips für seine Amtsführung sowie die Flucht aus Potsdam 1945, die Internierung und die Entnazifizierung in Bielefeld, bei der er trotz seiner Funktion als NSDAP-Kreisleiter als »entlastet« eingestuft wurde. Im Ruhestand lebte Friedrichs im Schwarzwald und starb in Meran, wo er bestattet ist. Zwei Drittel des Buches befassen sich sehr gründlich mit seiner Amtszeit als Oberbürgermeister 1934 bis 1945 in Potsdam. Dabei steht sein Einfluss auf die Stadtgestaltung im Vordergrund, sein politisches Wirken als Nationalsozialist wird kaum berührt…
In einem weiteren Kapitel werden die Organisation und die rechtlichen Grundlagen der Potsdamer Denkmalpflege nach 1918 dargestellt. Für die Denkmalpflege waren das Hochbauamt und die Baupolizei – beide unter der Leitung des Stadtbaurates, ab 1932 Dr. Georg Fritsch – und vor allem die gemäß Ortsstatut eingerichtete Bauberatung (Stadtarchitekt Reinhold Mohr) zuständig.
Das sechste und umfangreichste Kapitel, das etwa die Hälfte des Bandes einnimmt, widmet sich ausführlich der Praxis der Stadtgestaltung vor allem in der diktatorischen NS-Zeit, in welcher der Oberbürgermeister die Stadt nach dem verordneten Führerprinzip regieren konnte und dies auch bis in die kleinsten Details bis hin zur Straßenbeleuchtung durchsetzte … Ein zentrales Anliegen war die im Sinne des »schöpferischen Denkmalschutzes« betriebene Bereinigung, auch »Entschandelung« genannt, bei der für das Stadtbild wichtige Gebäude verstümmelt wurden. Heute noch sichtbare Beispiele sind die Hauptpost, die ihre Kuppeln verlor, die Vereinfachung der burgturmartigen Gestaltung des Turmes des Reichsarchivs (z.Z. Landtag Brandenburg) oder die Bereinigung der Jugendstilfassade des Karstadt-Kaufhauses in der Brandenburger Straße…
Ein weiteres Kapitel befasst sich mit Potsdam als Stadt der Kultur und des Tourismus zwischen 1918 und 1945. Abschließend werden der Zweite Weltkrieg und die Folgen für die Potsdamer Denkmalpflege wie auch die Zerstörung der Stadt durch Luftangriffe mit dem Höhepunkt der Angriffe am 14. April 1945 beschrieben. Das Buch schließt mit einem Ausblick auf die Nachkriegszeit und einem Vergleich der Potsdamer Denkmal- und Stadtbildpflege der Zwischenkriegszeit und der Denkmalpflege der Gegenwart.
Als Dokumente sind im Anhang dem Band beigegeben das »Publicandum betreffend die Veränderungen an Häusern in Berlin und Potsdam, welche auf Königliche Kosten erbaut worden sind« vom 31. August 1787, das preußische Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907 sowie die Potsdamer Ortssatzung zur Verhütung der Verunstaltung des Stadtbildes Potsdam vom 23. März 1920. Ein Personen- und Sachregister ist dem Buch, das erstmals und tiefgreifend einen bisher in dieser Form faktenreich beschriebenen Abschnitt der Potsdamer Bau- und Denkmalpflegegeschichte darstellt, leider nicht beigegeben.
Klaus Arlt, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, Band 63 (2012)