Albrecht Dümling
Verweigerte Heimat
Léon Jessel (1871–1942), Komponist des »Schwarzwaldmädel«

Plattdeutsche Singspiele oder Marschlieder, wie sie der deutschnationalgeprägte Léon Jessel in großer Zahl komponierte, sind sicher nicht die ersten Assoziationen, die sich einstellen, wenn von ihm die Rede ist. Dass er Texte vertont hat wie »Wenn sich Nigger mopsen tut, tut dem Nigger hopsen gut« (aus seiner Operette Das Detektivmädel), erscheint aus heutiger Perspektive – wo Verlage in einem Akt der political correctness aus der Kinderliteratur Vokabeln wie »Chinesenmädchen« oder »Neger« eliminieren – nur auf den ersten Blick befremdlich; es passt durchaus in die Zeit der ersten zwanzig Jahre des letzten Jahrhunderts. Jessel feierte damals seine großen Erfolge und orientierte sich ästhetisch und ideologisch am aufkommenden Nationalkonservativismus. Er war ein Sympathisant von Mussolinis Faschismusumtrieben in Italien (der Marsch Morgenröte ist ihm gewidmet), doch scheint ihm dessen antisemitische Grundhaltung nicht bewusst gewesen zu sein. Es gehört zu den unbestrittenen Verdiensten der Exilmusikforschung, dass sie die Lebensläufe verfolgter Musiker aufspürt und – wie in diesem Fall besonders augenscheinlich – sie in allen (Un-)Tiefen auslotet. Albrecht Dümling ist ein ausgewiesener Experte in diesem Fach, und er arbeitet auch hier mit gewohnter Qualität alle Facetten dieses höchst ambivalenten Komponistenlebens und dessen Verhaftetsein in den Zeitumständen heraus. Die überaus spannend und informativ zu lesende Biografie, die in erster Auflage bereits 1992 erschienen ist, wurde hier erweitert und stark überarbeitet … Mit einem Werkverzeichnis und diversen Registern im Anhang vorbildlich erschlossen, setzt dieses Buch Maßstäbe für weitere.
Claudia Niebel, in: Forum Musikbibliothek 2/2013

 

Zwei zerrissene Lebensläufe – zwei sehr lesenswerte Studien zu deutschen Komponisten, denen das Dritte Reich ihr Selbstverständnis raubte [gemeint sind die Publikationen: Albrecht Dümling: »Verweigerte Heimat« und Christian Lemmerich: »Winfried Zillig«]. Dem einst populären Operettenkomponisten und getauften Juden Leon Jessel, der vehement und aus innerster Überzeugung für seine Aufnahme in die Reichsmusikkammer stritt und 1942 Opfer der Gestapo wurde, wird hier eine erste umfangreiche Würdigung geschenkt … Wichtige Arbeiten für eine differenzierte Sicht auf die brutalen Zeitläufe einer noch jungen Vergangenheit.
Michael Wackerbauer, in: neue musikzeitung, 3/13 – 62. Jahrgang


67 years after the ending of the Nazi horrors more and more books are being written about the influence the period had on music. The distance enables us to get a sharper analyses of it all yet on the other hand eye witnesses are getting scarcer by the day. Some of the books written on the period are good and were based on excellent research, quite a few of them though consist of rehash and copy and paste material without ever having done personal research.
The name of Stefan Frey stands for quality (Kalman, Lehar, Fall) and so does the name of Albrecht Dumling. 20 years ago Dumling wrote the first biography on the life of Léon Jessel (1871–1942). This year he found a publisher in the Lukas Verlag for an updated version. In spite of the lack of research material (lots of the Jessel archive has disappeared) he managed to write an excellent account of the composer’s tragic life. Everything you want to know about the composer’s personal life and his musical output is there. From Jessel’s first triumphs with the »Parade of the tin soldiers« till his greatest success »Schwarzwaldmadel« nothing escapes Dumling’s eye.
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Rudi van den Bulck, auf:
www.operanostalgia.be

The ground-breaking biography – ground-breaking because it is, to my knowledge, the first operetta biography dealing in detail with Nazi politics – has been out of print for a very long time and only circulated among ›conoscenti as photocopies. But now the Berlin based publishing house Lukas Verlag has reissued it, in a version brought up to date by Albrecht Dümling himself: Verweigerte Heimat. It contains new material about Joseph Goebbels’ and Julius Streicher’s relationsship to Jessel and chapters on the various Schwarzwaldmädel film versions. Including great photo material that has been made available by Wolfgang Theis (who had already been involved in the Erik Charell operetta exhibition in Berlin in 2010).
In short, it is great news that this book is finally available again for a new generation of operetta lovers. It remains, even after all the new books written on operetta and Nazi times, one of the best and most important publications in this field, because it shows how deeply conflicted and contradicting operetta politics were after 1933 – and after 1945.
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Kevin Clarke, für das Operetta Research Center