Bettina Marten, Ulrich Reinisch und Michael Korey (Hg.)
Festungsbau
Geometrie – Technologie – Sublimierung

 

Lesen Sie hier die Besprechung Guido von Bürens (sehepunkte. Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften).

 

Der frühneuzeitliche Festungsbau ist ein Phänomen, das in seinen lange anhaltenden architektonischen, urbanistischen, gesellschaftlichen, künstlerischen und geistesgeschichtlichen Auswirkungen auf die europäische Kulturgeschichte noch immer wenig erforscht ist. Dem im Oktober 2008 in Dresden stattgefundenen Kolloquium »Festung im Fokus. Mathematische Methoden in der ›architectura militaris‹ des 16. und 17. Jahrhunderts und ihre Sublimierung in der ›architectura civilis‹«, einer Kooperation des Instituts für Kunst- und Musikwissenschaft der Technischen Universität Dresden und des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, kommt das Verdienst zu, eine aktuelle Zusammenschau des Forschungsstandes zum Festungsbau initiiert zu haben. Mit dem Tagungsband »Festungsbau. Geometrie – Technologie – Sublimierung« liegen die Ergebnisse nun in Buchform vor …
Der Titel der vorliegenden Publikation lässt die … Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas bereits anklingen: Mit der Trias aus Geometrie, Technologie und Sublimierung ist eine Lesart von Architektur ins Visier genommen, die Festungsbauten des 16. und 17. Jahrhunderts, aber nicht nur diese, vor dem Hintergrund gleich mehrerer Disziplinen beleuchtet und damit exemplarisch vor Augen führt, welch reiche Früchte interdisziplinäres Arbeiten ermöglicht.
Entstanden als Ergebnis des eingangs erwähnten Kolloquiums an der Technischen Universität in Dresden, an dem Architekten, Kunstwissenschaftler, Architekturhistoriker, Wissenschaftshistoriker, Mathematiker und Militärhistoriker aus sieben Nationen teilnahmen, bietet der Band kaleidoskopartig höchst verschiedene Zugänge zu dem Thema. Es umfasst die »architectura militaris« und die »architectura civilis« gleichermaßen und findet, so betonen es die Herausgeber Bettina Marten, Ulrich Reinisch und Michael Korey in ihrem Vorwort, eine gemeinsame Basis in der Mathematik, deren Bedeutung als »Kulturträger« seit geraumer Zeit auch Geisteswissenschaftler wieder beschäftigt. Bettina Marten hatte für ihr Forschungsprojekt »Festung im Fokus«, von dem wesentliche Impulse für das Kolloquium ausgingen, den Preis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gerade für diese Zusammenführung von Mathematik und Geisteswissenschaften erhalten.
In fünf Kapiteln gehen die Autoren Grundlagen des neuzeitlichen Festungsbaus, dessen medialen Aspekten, seiner Verankerung zwischen den Polen von Macht und Technologie, Fragen theoretischer und praktischer Geometrie und den in Festungs-, Städte- und Palast- sowie Gartenbaukunst offenbar werdenden Strategien von Sublimierung und Kultivierung nach. Dass einige der gehaltenen Vorträge nicht im Druck erscheinen konnten, ist zu bedauern, ihr Fehlen schmälert die Publikation nicht, hätte sie jedoch auch in vollkommener Weise abgerundet.
Die Mathematikerin Orietta Pedemonte verweist eingangs die Euklidische Geometrie als ausschlaggebende Grundlage von Festungs- und Stadtbaukunst in das Reich der Legende. Weitaus besser als damit lassen sich Formen und Strukturen erklären, wenn man bei arabischen und indischen Mathematikern des 13. Jahrhunderts und deren trigonometrischen Kenntnissen in die Lehre geht und musikalische Zahlenverhältnisse, das heißt Proportionslehren in die Betrachtung einbezieht. Der Architekt Nicola Aricò zeigt als Grundlegung zum Thema die Kontinuität einer insbesondere räumlichen Vorstellung, die über Jahrtausende hinweg zu beobachten ist: … ist es vor allem der Aspekt einer schnellen, leichten Orientierung, auf dem die fortwährende Beschäftigung mit verwandten Strukturen basiert.
Der Historiker Ralf Gebuhr und der Kunsthistoriker Stephan Hoppe widmen sich der Darstellung der Festungsbauten in Karten und Plänen und stehen stellvertretend für die in jüngster Zeit anwachsenden Forschungen zur frühen Entwicklung der Verteidigungssysteme (Geschützrondelle) …
Im dritten Teil, »Festung zwischen Macht und Technologie« kreisen die Beiträge, ausgehend von dem der Architektin Kim Williams zu Leonardos Militärarchitektur, um die Hochzeit der Festungsbaukunst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts … [Der vierte Teil] ist dem Verhältnis von Theorie und Praxis vorbehalten und bestätigt aus verschiedenen Blickwinkeln das zu Erwartende. Von einem in sich geschlossenen, stets eng aufeinander bezogenen System kann zu keinem Zeitpunkt die Rede sein. Mitunter dominiert sogar das Gegenteil: Theoretiker und Praktiker rügen, ganz ähnlich wie es Philosophen und Historiker nicht nur zu dieser Zeit gern tun, die eingeschränkte Sicht und Erfahrung der je anderen. Praxis und Theorie gehen so durchaus getrennte Wege.
Der fünfte Teil des Buches wird ausschließlich von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern der Humboldt- Universität zu Berlin bestritten. Ulrich Reinisch legt eingangs eine Deutung des Festungsbaus vor, die eine explizit moderne Analysemethode zur Grundlage wählt: Sublimierung als psychoanalytische, von Sigmund Freud begrifflich geprägte Strategie kann im Festungsbau des 16. und 17. Jahrhunderts ausgemacht werden, auch wenn die Zeit sie als solche nicht benennen konnte …
Frank Böttcher hat das Buch in seinem Lukas Verlag in gewohnt bester Qualität realisiert, eine große Leserschaft ist ihm sehr zu wünschen.

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Sigrid Brandt und Nils Meyer, auf: http://kunsttexte.de/, Nr. 2, 2013

 

 

Der Aufsatzband dokumentiert die Bei­träge einer Tagung unter dem Titel »Fes­tung im Fokus – Mathematische Metho­den in der architeclura militaris des 16. und 17. Jahrhunderts und ihre Sublimierung in der architectura civilis«, die als Kooperationsprojekt zwischen dem Insti­tut für Kunst- und Musikwissenschaften der TU Dresden, dem Institut für Kunst-und Bildgeschichte der Humboldt-Universität Berlin und dem Mathema­tisch-Physikalischen Salon der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Oktober 2008 in Dresden stattfand…
Die mit dem gut zu lesenden und reich illustrierten Band dokumentierte Tagung fand mit Architekten, Kunstwissenschaft­lern, Mathematikern, Architektur-, Mili­tär- und Wissenschaftshistorikern aus sie­ben Nationen statt…
Es ist gut zu sehen, dass die Festungsfor­schung mit Tagungen wie dieser nunmehr auch ihren Einzug in die Geisteswissen­schaften hält. Abgesehen davon, hält der Leseband eine Menge an Informationen bereit, die sich, wie z.B. für die Idealstadtforschung, unmittelbar umsetzen lassen.
Hans-Rudolf Neumann, in: Am Wall 80/2012