Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums, Bd. 18

Zum 200. Geburtstag von Ferdinand Quast

Erster preußischer Konservator der Kunstdenkmäler

 

Kaum eine denkmalpflegerische Sonntagsrede, die sich nicht auf Karl Friedrich Schinkel als Ahnherren der modernen Denkmalpflege beruft. Die Rolle von Ferdinand von Quast hingegen, seit 1843 Konservator der preußischen Baudenkmale, wird in der (Fach-) Öffentlichkeit nicht immer angemessen gewürdigt. Umso verdienstvoller ist es, dass sich das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege nun mit einem seiner Arbeitshefte des 1807 auf dem Familiengut in Radensieben in der Grafschaft Ruppin geborenen von Quast annimmt. Der Band fasst die Beiträge eines Symposiums aus dem Jahr 2007 zusammen.
Die unverzichtbaren biografischen Grundlagen zu von Quast liefert Nicole Wesner: Von der Theologie ließ der junge von Quast schnell die Finger, da ihm die Kunst mehr am Herzen lag. Kontakte zu den Berliner Klassizisten wie Schinkel und Strack gingen mit Reisen nach Italien einher. 1828 legte von Quast sein Feldmesserexamen ab, 1836 bestand er die Baumeisterprüfung. Zu den Grundlagen der modernen deutschen Denkmalpflege zählt seine Denkschrift »Promemoria« von 1836. Darin beklagt er sich »über die Vorgehensweise vieler Architekten, die bei Restaurierungen oft einem modernen Stil folgten und dadurch die Geschichte des Gebäudes zerstörten«. Diese Position klingt vertraut und könnte ohne weiteres aus Diskussionen stammen, die 170 Jahre später geführt werden.
Dass es sich bei Schinkel und seiner Haltung zur Denkmalpflege um ein durchaus zweischneidiges Schwert handelte, verdeutlicht Rita Mohr de Perez. So weist sie in ihrem Beitrag »Der Beginn der Staatlichen Denkmalpflege in Brandenburg-Preußen« darauf hin, dass Schinkel keineswegs jedes Denkmal älterer Zeiten erhalten wissen wollte, sondern durchaus auch einmal dessen Entfernung empfahl. Ganz anders ließ sich da der preußische Kultusminister Johann Eichhorn 1844 vernehmen, der im Jahr zuvor von Quast in sein Amt berufen hatte: »Bei der Erneuerung des inneren Zustands alter Kirchen ist aber auch deshalb mit Schonung gegen die alten Denkmäler zu verfahren, weil dabei jedes Mal die Geschmacksrichtung des Augenblicks zu entscheiden pflegt, deren Billigung seitens künftiger Generationen nicht immer vorauszusetzen ist.«
Und von Quast? Finanziell und personell auf sich selbst gestellt, bemüht er sich als Konservator – wie seine Nachfolger – dennoch redlich, durch die Inventarisation einen Überblick über die preußischen Denkmale zu erlangen (Beitrag Ralph Paschke) und durch die »Denkmale der Baukunst in Preussen. Ermland« auch jenseits der Fachöffentlichkeit Interesse für die »vaterländischen Alterthümer« zu wecken (Beitrag Christopher Hermann). Zwar ist von Quast dem barocken »Zopfstil« gegenüber kritisch eingestellt und hat seine Probleme mit dessen »Denkmalwürdigkeit«. Gleichwohl, so Eberhard Grunsky in seinem Beitrag »Von Quast bis Riegel. Zur Entwicklung einiger Grundsätze konservatorischer Praxis«, weiß von Quast bereits Mitte des 19. Jahrhunderts um die Bedeutung von Zeitschichten: »Wir erkennen das Recht einer jeden Zeit an, ihren Bedürfnissen und Wünschen im Anschluss an die Monumente der Vorzeit einen Ausdruck zu geben, und haben dieselben, in welchem späteren Styl sie auch immer ausgeführt sein mögen, zu respektieren«, schreibt er 1859. Damit bezieht von Quast nicht nur Stellung gegen die »stilreinen« Restaurierungen seiner Kollegen, sondern beweist zugleich eine geradezu modern anmutende denkmalpflegerische Haltung, die die Lektüre dieses schmalen Bandes gleichsam zu einem Lehrstück in Hinblick auf den aktuellen Denkmalpflege-Diskurs werden lässt. Abgerundet wird der facettenreiche Band durch Andreas Meineckes Blick auf die »Denkmalpflege in der Provinz Brandenburg nach Ferdinand von Quast«, Georg Mörschs kritischen Blick auf die Denkmalpflege in Deutschland in den Zeiten der vorherrschenden Rekonstruktionswut sowie durch eine denkmalpflegerische Würdigung von Radensieben, dem Geburtsort Ferdinand von Quasts.
Jürgen Tietz in »Bauwelt«, 9 . Jg. 2008, Nr. 16/08