Sarah Romeyke
Vom Nonnenchor zum Damenplatz
700 Jahre Kloster Stift zum Heiligengrabe

 

Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster und heute unter der Leitung einer Äbtissin stehende evangelische Kloster Stift zum Heiligengrabe gehört zu den bekanntesten kulturellen und geistlichen Einrichtungen der Mark Brandenburg und bemüht sich mit sichtbarem Erfolg, seinen Platz als Kultur- und Museumsstandort u.a. durch eine Dauerausstellung und befristete Ausstellungen mit dazugehörigen Begleitbänden zu bewahren bzw. weiter auszubauen. Ob man sich dabei bewusst die Aktivitäten aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum Vorbild nahm, als der Wallfahrtsort Heiligengrabe mit illustrierten Flugschriften und farbigen Legendentafeln im Kampf um Pilger konkurrenzfähig bleiben wollte, sei dahin gestellt.
Bevor der von Sarah Romeyke erarbeitete und von Friederike Rupprecht, der gegenwärtigen Äbtissin, sowie von Jörg Meiner redigierte Begleitband zur Dauerausstellung kurz vorgestellt wird, mag es für manche Leser oder Besucher hilfreich sein, zu erfahren, warum es bei dieser Ausstellung nicht heißt: »... zum Damenstift«, wie es auch im Klappentext des Bandes lautet, sondern: »... zum Damenplatz«, was vermutlich den Verantwortlichen werbewirksamer, weil singulärer erschien: »Damenplatz« war die Bezeichnung für den Ort der am Ende des Dreißigjährigen Krieges für die Stiftsdamen errichteten Erbhäuser, die nach einem Brand im Jahr 1719 durch den noch heute erhaltenen Häuserkomplex ersetzt wurden.
Der Begleitband führt chronologisch durch neun Zeitabschnitte von der Gründung über die Legendenverbreitung im späten Mittelalter und weiter bis hin zu der Situation um 1900 (Des Kaisers »weibliche Kadetten«), zur Stiftsschule im Nationalsozialismus und zu »Heiligengrabe nach 1945« (Zuflucht und Neuanfang). Abschließend wird »Spuren einer verlorenen Sammlung« im Heimatmuseum nachgegangen. In jeder Abteilung konkretisieren zwischen sieben und fünfzehn Objekte das jeweilige Thema, darunter die z. T. auch schon in früheren Ausstellungen präsentierten Malereien auf Eichenholz von 1532, auf denen der angebliche Hostiendiebstahl durch einen Juden und die weitere Legende dargestellt sind, darunter aber auch eindrucksvolle Portraits von Äbtissinnen und Stiftsdamen des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu monieren ist wenig, z. B. ungenaue Textwiedergaben und einzelne Druckfehler. Fleißig genutzt ist die umfangreiche – und insofern die Bedeutung und den Bekanntheitsgrad Heiligengrabes unterstreichende – Fachliteratur. Nachzutragen wäre der Artikel von Gerlinde Strohmaier-Wiederanders und Dirk Schumann im Brandenburgischen Klosterbuch I, Berlin 2007.
Ein 57 Objekte erfassender Katalog und vorangestellte zwölf Fachbeiträge füllen den von Ursula Röper herausgegebenen Band über die Ausstellung in Heiligengrabe zum Thema »Sehnsucht nach Jerusalem«. Wie die Herausgeberin einführend betont, ging es weder um Teilhabe am zeitgenössischen Pilgertourismus, noch um missionarisch geprägte Jerusalemsehnsucht, sondern, ausgehend von der Frage der Herkunft des Namens »Heiligengrabe«, um den Versuch, am Beispiel des Mikrokosmos Heiligengrabe »Spuren eines europäischen und weit darüber hinausreichenden Makrokosmos zu erkennen«. Dieses Vorhaben ist dank der behandelten Themenbereiche »Jerusalem – das leere Grab«, »Passion in den Konfessionen« und »Bilder der Passion« sowie dank zahlreicher gut ausgewählter, in der Regel farbiger Abbildungen im Rahmen des Möglichen voll geglückt.
Dietrich Kurze, in: Jahrbuch für Berlin-Bandenburgische Kunstgeschichte, 2011

 

Die dritte und jüngste Publikation ist ebenfalls als Ausstellungsbegleitband erschienen. Diesmal handelt es sich um die 2008 eröffnete Dauerausstellung »Vom Nonnenchor zum Damenplatz«. Entsprechend der Abfolge in der Ausstellung wird die Geschichte Heiligengrabes anhand der erhaltenen Sachquellen nachgezeichnet, beginnend mit den Kapiteln »Das Zisterzienserinnenkloster Heiligengrabe. Gründer, Stifter und ihre Motivationen« und »Die Verbreitung einer Legende. Heiligblutverehrung und Wunderglaube im Spätmittelalter« zur mittelalterlichen Geschichte des Klosters. Hier treten die umfangreichen Verluste, die das Stift erleiden musste, in aller Deutlichkeit vor Augen, wenn etwa auf Schwarzweißfotos zurückgegriffen werden muss, wo Originale nicht mehr erhalten sind. Es folgen »Streitbare Frauen. Kloster Heiligengrabe zur Zeit der Reformation« und »Zwischen den Fronten. Vom Dreißigjährigen Krieg zum wahren Glauben«, Kapitel zur Umbruchszeit und zum Wechsel vom katholischen Kloster zum protestantischen Damenstift, sowie »Disziplinierung und Unabhängigkeit. Leben am ‚Damenplatz' im 18. Jahrhunder«, »Königliche Reformpläne. Die Reorganisation des adligen Damenstifts im 19. Jahrhundert« und »Des Kaisers ‚weibliche Kadetten'. Heiligengrabe um 1900« zur neuzeitlichen Geschichte. Der Katalog schließt mit drei Kapiteln (»Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung. Die Stiftsschule im Nationalsozialismus«, »Zuflucht und Neuanfang. Heiligengrabe nach 1945«, »Mehr als ein Heimatmuseum. Spuren einer verlorenen Sammlung«) zur Heiligengraber Geschichte im 20. Jahrhundert. Innerhalb der einzelnen Kapitel folgen auf allgemeinere Einleitungen kurze Texte zu den ausgestellten Objekten. Überaus bedauerlich ist, dass es der Autorin des Buchs nicht gelingt, an die zuvor vorgestellten, hervorragenden Publikationen anzuknüpfen. Es ist wohl nicht allein dem knapp bemessenen Platz von 145 Seiten anzulasten, dass die Texte an der Oberfläche bleiben. Allzu offensichtliche Mißverständnisse, die beim Lesen entstehen, sowie problematische Pauschalierungen machen den anfänglich postitiven Eindruck schnell zunichte, etwa wenn die Autorin über die Zeit unmittelbar nach dem 30jährigen Krieg schreibt, die »Damen hingen einer vom Pietismus kommenden, zum Teil sogar mystisch geprägten Frömmigkeit und Spiritualität an«. Wenn die nachweislich nationalsozialistisch geprägte Äbtissin von Auerswald einen Brief auf den 10. Scheiding datier, so ist dies nicht einfach eine »alte Bezeichnung für September«, sondern steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versuch der Nationalsozialisten, germanische Monatsnamen als Ersatz für die römischen einzuführen. Leider sind diese Ungenauigkeiten kein Einzelfall.
Alle drei Bücher [Chronik des Klosters zum Heiligengrabe von der Reformation bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts; Von blutenden Hostien, frommen Pilgern und widerspenstigen Nonnen. Heiligengrabe zwischen Spätmittelalter und Reformation] zusammen liefern dennoch in Text und Bild eine umfassende und gelungene Vorstellung von Kloster und Stift und seiner wechselvollen Geschichte, so dass zu hoffen ist, eine so reiche und konzentrierte Untersuchung einer gut erhaltenen Anlage wie Heiligengrabe nicht nur diesem beschieden bleibt, sondern reiche Nachahmung erfährt.
Almuth Klein, in: Analecta Cisterciensia 59 (2009)