Clarita von Trott zu Solz
Adam von Trott zu Solz
Eine Lebensbeschreibung

 

Das Gedenken an den Widerstand gegen das Nazi-Regime ist Teil der deutschen Staatsräson. Bundeswehrrekruten werden auf das Erbe des Attentats vom 20. Juli 1944 vereidigt. Das war in der (west-)deutschen Nachkriegsgesellschaft nicht immer so. Als Clarita von Trott zu Solz 1958 zum ersten Mal ihre Erinnerungen an ihren von den Nazis gehängten Mann Adam vornehmlich in einem privaten Kreis in einer kleinen Auflage verteilte, war die öffentliche Stimmung keineswegs eindeutig auf ihrer Seite. Und es gab auch noch jede Menge Alt-Nazis auf allen staatlichen Ebenen. In den angelsächsischen Ländern hielten sich hartnäckig Vorbehalte gegen den Diplomaten Adam von Trott zu Solz bis hin zu dem Verdacht, er sei ein nicht ganz glaubwürdiger Doppelagent gewesen.
In diesem von Nichtwissen, Verdächtigungen und Ressentiments geprägten Umfeld publizierte die Autorin ihre Erinnerungen an das Leben von Adam Trott zu Solz. Dass wir heute ein so genaues Wissen über die Leben dieses integren antinazistischen Diplomaten besitzen, ist nicht zuletzt auch dem schon so frühzeitig nach dem Krieg von Ciarita von Trott zu Solz niedergeschriebenen Porträt ihres Mannes zu verdanken. Diese Aufzeichnungen gaben anderen Biographen den Anstoß für eigene, detaillierte Recherchen. In dieser Neuauflage ihrer Erinnerungen würdigt in einem umfangreichen Geleitwort der Historiker Peter Steinbach die Bedeutung des diplomatischen Widerstands und die besondere Rolle des Trott zu Solz. Besonders wichtig ist auch die Aufnahme zentraler Texte, in denen dieser seine grundsätzlichen Positionen gegenüber dem Nazismus und der Zeit nach Hitler niederlegt.
Bewegend die Aufzeichnungen der Autorin über die letzten elf Tage ihres Mannes vor der Hinrichtung. Bemerkenswert, lehrreich, vorbildlich aber ist vor allem die Art wie Ciarita von Trott zu Solz das Leben und die Ideen ihres Mannes an die jüngeren Generationen weitergibt. Ohne jede Rhetorik, ohne jedes Pathos, ohne jede Heldenverehrung, die das staatsoffizielle Gedenken an den »20. Juli 1944« oft so leer und formelhaft erscheinen lassen.
Carl Wilhelm Macke in Süddeutsche Zeitung vom 7. September 2009

 

 

Die »Lebensbeschreibung« eines der führenden Widerstandskämpfer gegen das Dritte Reich entstand Ende der fünfziger-Jahre als hektografierte Blattsammlung und lag nur in wenigen gebundenen Ausfertigungen vor. Erst 1994 brachte Ciarita von Trott zu Solz diese Lebensbeschreibung erstmals als Buch heraus. Der ursprüngliche Entwurf blieb unverändert, wurde lediglich durch einen Anhang mit Texten von Trotts ergänzt, geschrieben zwischen 1936 und 1943. Die »Lebensbeschreibung« erhält ihren Wert nicht allein dadurch, dass von Trotts Witwe sie verfasste, sondern vor allem durch die von ihr gewählte reflektierte Perspektive – Ciarita von Trott stützt sich auf eine Vielzahl von Zeitzeugenaussagen –, die aber keineswegs ein nahes Herangehen an den Menschen von Trott verhindert. Gerade durch die sehr persönliche Sicht der Autorin, die an keiner Stelle eine Hagiografie beabsichtigt und auch nicht erlaubt, lässt sich wesentlich besser verstehen als in den bisherigen Biografien geschehen, weshalb von Trott gegen das Regime agierte, und wieso gerade von Trott zu einer treibenden Kraft des Widerstandes werden konnte.
Axel Gablik in ZPol-online am 2. September 2009

 

 

[…] Mit seinen vielen Reisen hatte sich der konsequente Hitler-Gegner stets der Gefahr ausgesetzt, im Ausland für einen Spion und im Vaterland für einen Verräter gehalten zu werden. Um dieses »Doppelspiel« zu entwirren, verwob Ciarita von Trott schon 1958 Auszüge aus hinterlassenen Briefen, Aufsätzen, Koltegmitschriften und Manuskripten ihres Mannes sowie ausgewählte Zeugnisse des Freundeskreises mit erklärenden Zwischentexten zu einer bewegenden »Lebensbeschreibung«. Sie erschien erstmals zum fünfzigsten Gedenktag des 20. Juli in der Reihe »Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand« im Jahr 1994 und liegt nun in einer leicht erweiterten Neuausgabe vor, die »weitere Schlaglichter auf Adam von Trotts Gedanken- und Gefühlswelt werfen« soll.
Auswahl und Art der Präsentation sagen auch manches aus über die mittlerweile 91 Jahre alte Witwe des Widerstandskämpfers, die bis 1997 als Psychoanalytikerin praktizierte, und über ihre frühe Geschichtspolitik. Sie arbeitet seit 50 Jahren beständig am (außen-)politischen Monument ihres Mannes. […]
Rainer Blasius in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. August 2009

 

 

Dieses Buch ist eine Neuauflage des Bandes, der 1994 in der Edition Hentrich erschienen ist (mit herausgegeben durch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand). Die Neuauflage enthält, verglichen mit der früheren, einen Anhang mit mehreren Dokumenten (u.a. von Trotts »Bemerkungen zum Friedensprogramm der amerikanischen Kirchen« und Willem A. Visser ’t Hoofts »A View from Geneva«), zusätzliche Bilder, ein Personenregister sowie einen Rückblick von Ciarita von Trott auf die gemeinsame Zeit mit ihrem Mann, den sie 1987 verfasst hat. Das Buch ist immer noch das Standardwerk zu Adam von Trott, vor allem weil es viele Originalzitate aus Briefen und Lebenszeugnissen enthält.
Stiftung Adam von Trott zu Solz – Imshausen e.V. am 3. August 2009

 

 

Adam von Trott zu Solz gehörte zum Zentrum des deutschen Widerstandes um Stauffenberg. Diese »Lebensbeschreibung«, umfasst Briefe, Notizen, Aufzeichnungen und Manuskripte, die von seiner Ehefrau Clarita bereits 1958 aus dem umfangreichen Nachlass von Trotts ausgewählt, kommentiert und für die Veröffentlichung vorbereitet wurden. Die Bedeutung von Trotts rechtfertigt es, dieses Werk, älteste zusammenfassende Darstellung, vielschichtige Biografie und umfangreiche Quellensammlung, heute anlässlich seines 100-jährigen Geburtstags, erneut zugänglich zu machen. Neu in dieser Ausgabe ist ein dokumentenreicher Anhang. Die von Clarita von Trott genannte »Materialsammlung« bereichert ausgebaute Bestände neben Henric Wuermelings Biografie »Doppelspiel«
Dankert in ekz-Informationsdienst

 

 

Zum 100. Geburtstag des Widerstandskämpfers Adam von Trott zu Solz erscheint seine Biografie in einer historisch-kritischen Ausgabe.
Es war gegen 15 Uhr am Nachmittag, als der Diplomat Adam von Trott in seinem Büro einen geheimen Anruf entgegennahm. Er hörte das Codewort und legte auf. Dann sagte er zu einem Kollegen im Auswärtigen Amt: »Es ist gemacht!« Mit dem Zeigefinger tat er, als drücke er eine Pistole ab. Der Widerstandskämpfer Adam von Trott war sich an diesem Nachmittag des 20. Juli 1944 sicher, dass Adolf Hitler von Stauffenbergs Bombe zerfetzt wurde. Einen Monat später hing Trott am Galgen.
Historiker sind sich heute einig, dass der 20. Juli eine Sternstunde der deutschen Geschichte war. Aber die Deutschen werden mit ihren Helden bis heute nicht richtig warm. Einmal, weil ihnen das Wort Held gründlich verleidet worden ist. Und weil die Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg vielen als Vorbilder zu sperrig sind: Sie gehörten zur Beamten- und Militärelite im Staat Hitlers. Eine demokratische Grundordnung wäre den meisten von ihnen nicht in den Sinn gekommen. Die Vorbehalte wurden Anfang dieses Jahres noch einmal ausführlich diskutiert, als der Film »Operation Walküre« mit Tom Cruise in die Kinos kam.
Ein neues Buch bringt uns dagegen einen Mann näher, der den zivilen Teil des Widerstands repräsentiert und aus unserer heutigen demokratisch-parlamentarischen Sichtweise sozusagen eine weiße Weste hat. Adam von Trott zu Solz, Jurist, England-Liebhaber und Diplomat im Dienste des Teufels. Er gehörte dem Kreisauer Kreis an, der Gruppe bürgerlicher Oppositioneller um Helmuth James Graf von Moltke.
Nach seiner Hinrichtung fand seine Witwe Clarita in einer Truhe einen Haufen Dokumente. Briefe, Notizen, Exzerpte und Fotos. Sie durchsuchte das Material und fügte Auszüge daraus zu einer Art chronologischem Lesebuch über ihren Mann zusammen. Fehlende Informationen ergänzte sie durch eigene Erinnerungen. So entstand bereits 1958 eine Lebensbeschreibung des Widerstandskämpfers Trott. Der bescheidene Untertitel: »Eine erste Materialsammlung, Sichtung und Zusammenstellung.«
Die »erste Sammlung«, die anfangs nur an Freunde und Verwandte der Trotts verteilt wurde, etablierte sich als wichtige Quelle in der Widerstands-Forschung. Nun erscheint das Buch anlässlich des 100. Geburtstags von Trott in einer neuen, um einen Quellenanhang erweiterten Ausgabe. Mittlerweile lautet der Untertitel etwas selbstbewusster: »Eine Lebensbeschreibung.« Die Autorin ist heute 91 Jahre alt.
Die Gretchenfrage, wie es denn der Widerständler mit der Demokratie hielt, lässt sich nun eindeutig beantworten. Adam von Trott entstammte zwar einem althessischen Rittergeschlecht und einer Familie hochrangiger Beamter. Trotzdem sympathisierte er früh mit dem Sozialismus. Trott wählte SPD, war wohl auch Mitglied. Seine Corpsbrüder und sein Vater schämten sich für ihn.
Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, war Trott gerade Stipendiat in Oxford. Er las die Nachricht in der Abendzeitung. Ein Kommilitone erinnert sich: »Er wusste sofort, dass sein Land von einem schrecklichen Unglück betroffen war, dass viele seiner Freunde und Bekannten ab sofort persönlich gefährdet waren.« Am selben Abend zog Stauffenberg noch durch die Straßen von Berlin und feierte die »nationale Erhebung«.
Von 1939 an begann sich das Leben des Adam von Trott zu verändern, parallel zum Krieg. Er trat seinen Dienst im Auswärtigen Amt Ribbentrops an. Schon während seines Studiums hatte er England, die USA, Japan und China bereist. Vor allem nach England unterhielt er zahlreiche Kontakte zu Parlamentariern und Intellektuellen. Nun nutzte er seine Dienstreisen, um heimlich Memoranden des wachsenden Widerstandes in Umlauf zu bringen. Die Briten und Amerikaner misstrauten ihm trotzdem und hielten ihn für einen German spy. 1940 heiratete Trott seine Verlobte Clarita.
Adam von Trott nahm nur selten belastende Dokumente mit nach Hause. Und wenn er es tat, legte sich Clarita vorm Schlafengehen Streichhölzer ans Bett. Damit sie die Papiere im Notfall jederzeit verbrennen könnte.
So klar die sozialistische Gesinnung Trotts in der »Lebensbeschreibung« hervortritt, so vage ist der Bericht der entscheidenden Monate vor dem 20. Juli 1944. Die Quellenbasis ist dünn. Clarita von Trott verließ im Mai 1943 mit ihrer einjährigen Tochter Berlin wegen der Bombenangriffe. Ihr Mann blieb zurück. Sie haben seitdem nie wieder zusammen gewohnt, sahen sich nur selten an Wochenenden oder Feiertagen. Dazwischen konnten sie sich nur mit Briefen und Telefonaten verständigen, beides wurde überwacht. Deshalb wurde der Schreibstil Trotts in den letzten Wochen immer nebulöser, aus Angst vor den Spionen der Gestapo. Von seiner Bekanntschaft mit einem »jungen, feurigen Offizier« erzählte er seiner Frau beim Osterspaziergang, ohne den Namen Stauffenberg zu nennen.
Clarita von Trotts Beschreibung des Attentats und der Tage danach bis zur Hinrichtung durch den Strang am 15. August 1944 beruht weitgehend auf Protokollen Dritter. Die genaue Rolle ihres Mannes bleibt unklar, auch ihr selbst. Historiker m
ögen das bedauern. Leser werden dennoch gerade die letzten Kapitel des Buches besonders spannend, um nicht zu sagen, bewegend finden. Sie erzählen von der Ungewissheit nach der Bombenexplosion, vom kurzen Gefühl des Triumphs, vom Warten auf die Gestapo-Schergen. Sie erzählen von einem jungen Mann, der für die gute Sache in den Tod geht. Sie erzählen von einem deutschen Helden.
Am Schluss steht sein letzter Brief. Am Tag seiner Hinrichtung schrieb Adam von Trott seiner Frau: »Liebes Claritchen, dies ist nun leider wohl das Allerletzte. Ich liebe Dich sehr. Es bliebe noch so viel zu schreiben – aber es ist keine Zeit mehr…«
Lucas Wiegelmann, in: Die Welt, 20.07.2009 – auch in: Berliner Morgenpost, 20.07.2009.