Dieter Hoffmann-Axthelm
Perleberg im Mittelalter
Stadtentwicklung und Geschichte

 

Gewissermaßen mit einem Doppelschlag rückt Dieter Hoffmann-Axthelm dem überlieferten Perleberg-Bild zuleibe. Gemeint sind zwei druckfrisch vorliegende Broschüren: »Perleberg im Mittelalter – Stadtentwicklung und Geschichte« sowie »St. Jakobi in Perleberg – Die Baugeschichte«. Beide Schriften wurden gestern erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Baugeschichte der St. Jakobi-Kirche rollt Dieter Hoffmann-Axthelm neu auf. Als ältester Bauteil gilt der Turmsockel, der auf der höchsten Erhebung im Stadtgebiet errichtet wurde. Vom Kirchenbau hieß es bislang, beim Chor aus dem Baujahr 1361 handele es sich um den älteren Teil, das Langhaus sei erst im 15. Jahrhundert entstanden. Dieter Hoffmann-Axthelm zieht nun jüngste dendrochronologische Untersuchungen hinzu, wonach die Balken im Dach des Langhauses im Jahr 1334 geschlagen wurden. Dass die Hölzer gelagert und erst später eingebaut wurden, schließt er aus. »Die wurden sofort eingebaut«, versichert er. Das Langhaus ist demnach älter als der Chor. Die Baugeschichte muss an dieser Stelle also neu geschrieben werden.
Der anerkannte Stadtplaner geht auch der Frage nach, wie es zu diesem in Brandenburg untypischen Kirchenbau kommen konnte. Ähnliche Hallenkirchen hat er in Westfalen ausgemacht. Er schlussfolgert, dass eine starke Gruppe der Stadtgründer aus Westfalen stammen muss.
Ausführlich geht er auf die umstrittene Stülersche Umgestaltung der Kirche ein. Nur mit einer Mehrheit von einer Stimme beschloss sie der Magistrat im 19. Jahrhundert. Wenige Jahrzehnte später galt die neogotische Überformung als hässlich und wurde weitgehend zurück gebaut. Geblieben sind aber ein viel zu großer Altar und eine daran anschließende hölzerne Verbauung oder Querung. Durch Türen darin kommt man in die Sakristei. Um den schönen Baukörper des gotischen Chores wieder zur Geltung zu bringen, regte er an, die Verbauung zu entfernen und einen kleineren Altar aufzustellen, der nicht die Sicht auf das gotische Fensterwerk behindert.
Superintendent Hans-Georg Furian, der bei der Buchvorstellung zugegen war, hält die Anregung für nachvollziehbar. Er sprach sich dafür aus, darüber mit Fachleuten bei einem Symposium zu diskutieren. Er verwies auf die Denkmalpflege, die sich bislang selbst gegen kleinste Veränderungen in der Kirche gestemmt habe.
In der zweiten Broschüre setzt sich Dieter Hoffmann-Axthelm mit der Geschichte des mittelalterlichen Perleberg auseinander. Er beschränkte die Periode auf die Spanne von 1200 bis 1500. Er beschreibt die Konflikte in der Stadt und deren ganz langsamen Niedergang als Kaufmannsstadt.
Fast nebenbei löste Dieter Hoffmann-Axthelm auch ein altes Rätsel. Im 13. Jahrhundert muss bei Perleberg das Dorf Dobberzin existiert haben. Wo es aber lag, konnte bislang nicht bestimmt werden. Es gab Vermutungen, der Ort haben sich im Gebiet zwischen Friedhof, Stepenitz, Bollbrück und Totenfeld befunden – wurde doch dieser Teil des Perleberger Stadtwaldes, die Vorderheide, auch als Dobberziner Revier bezeichnet. Dieter Hoffmann-Axthelm legt nun dar, dass das Dorf wahrscheinlich nie wüst geworden ist. Vielmehr habe es sich direkt vor dem Dobberziner Tor befunden, dem Stadtausgang am Ende der Bäckerstraße nach Pritzwalk und Kyritz. Auf der Stadtansicht von Merian ist tatsächlich eine Bebauung vor dem Dobberziner Tor zu sehen. Aus dem Dorf entwickelte sich eine Vorstadt, meint der Autor. Die alte Bebauung verschwand erst 1827, als die Berliner Chaussee (heute Berliner Straße) angelegt wurde. Bis dahin verlief der alte Postweg nach Kyritz durch die Karlstraße.
Bei der Buchvorstellung gestern gab es viel Lob für Dieter Hoffmann-Axthelm, der am Dienstag seinen 70. Geburtstag feiern konnte.
Hartmut Schneider, Vorsitzender des Kulturvereins, äußerte, die beiden Bücher seien kein Muss für jeden Perleberger, aber für jeden, der sich mit Perleberger Geschichte befasse. Ebenso wie Hartmut Schneider zollte Hans-Georg Furian dem Autor herzlichen Dank für die Arbeit. Es komme nun darauf an, die Ergebnisse in der Stadt bekannt zu machen. Kulturamtsleiter Martin Sengebusch sprach von zwei tollen Produkten, die als Startsignal für die Perleberger 775-Jahr-Feier 2014 zu verstehen sind. Die Stadt will demnächst die Perleberger aufrufen, sich an der Festvorbereitung zu beteiligen.
Michael Beeskow, in: Märkische Allgemeine, 26.08.2010