Eva Bender
Die Prinzenreise
Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext
gegen Ende des 17. Jahrhunderts
[…] Wie
schon aus dem Titel der Arbeit hervorgeht,
konzentriert sich Bender auf diejenigen Reisen, die der männliche Nachwuchs der
Spitzenfamilien des deutschen Reichsadels zwischen dem sechzehnten und fünfundzwanzigsten
Lebensjahr absolvierte, und hier wiederum auf die Geburtsjahrgänge 1671–81.
Aufgrund der Tatsache, dass deren Kavalierstouren in die Zeit des Neunjährigen
Krieges (1688–97) fielen, können diese Geburtsjahrgänge mit einigem Recht auch
als eine Generation bezeichnet werden. Insgesamt kann die Verf.in 63 Prinzen
aus ›altfürstlichen‹ Familien nachweisen, die in diesem Jahrzehnt geboren
wurden, und zu 43 von ihnen biographische Angaben ermitteln, die in einem ausführlichen
prosopographischen Anhang aufgeführt sind. Quellenmäßig hinreichend belegt sind
jedoch nur acht Touren aus den Häusern Hessen-Kassel, Sachsen-Gotha und
Altenburg, Baden-Durlach, Brandenburg-Ansbach, Anhalt-Zerbst und Anhalt-Köthen.
Aus dem Umkreis dieser Reisen stammt das Quellenkorpus, das in der Arbeit
untersucht wird. Das Sample ist also sorgfältig ausgewählt und gut begründet.
Ob die Studie tatsächlich, wie von Bender behauptet, darüber hinaus als erste
auch statistische Repräsentativität beanspruchen darf, mag dahingestellt
bleiben. […]
Das eigentliche Verdienst der Arbeit liegt denn auch darin, das von der
eingangs erwähnten Potsdamer Arbeitsgruppe entwickelte Konzept der
Prinzenreise aufgegriffen und weiter ausgearbeitet zu haben. Überzeugend
arbeitet sie heraus, dass die Prinzenreisen sowohl vom planerischen und
finanziellen Aufwand als auch von den politischen Implikationen her die Reisen
des Landadels, aber auch reichsritterlicher oder reichsgräflicher Familien
deutlich in den Schatten stellten. […]
In der Zusammenfassung greift die Verf.in noch einmal
die eingangs aufgeworfene Frage auf, weshalb gerade die zwischen 1671 und 1681
geborene Prinzengeneration so häufig und zahlreich reiste. Sie führt dies auf
Veränderungen innerhalb des europäischen Staatensystems zurück, die »den
deutschen Reichsständen Möglichkeiten bot, als Akteure in den Kreis der
obersten politischen Liga aufzusteigen«. Diese These ist zwar durchaus bedenkenswert,
aber auch die umgekehrte Lesart wäre wohl vertretbar: Der Westfälische Frieden
hatte für die Reichsstände nicht nur die Möglichkeit gebracht, als
eigenständige völkerrechtliche Subjekte zu handeln, sondern auch die
Notwendigkeit, dies zu tun. Gerade die mindermächtigen Reichsstände, die
ohnehin von den Arrondierungsbestrebungen der Großen bedroht waren, sahen sich
durch die neuen Möglichkeiten an den Rand des finanziell Machbaren geführt.
Der Unterhalt regelmäßiger Gesandtschaften war vielfach nur eingeschränkt finanzierbar.
Gemessen daran mochten Prinzenreisen eine vergleichsweise günstige Alternative
bieten, um bestehende Netzwerke in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren und
von Vätern auf Söhne zu übertragen. Diese Überlegungen sollen Benders Arbeit jedoch
in keiner Weise schmälern, sondern vielmehr unter Beweis stellen, dass diese
wertvolle, wenngleich im Detail auch noch zu diskutierende Anregungen liefert.
Unterm Strich ist Benders Studie daher gewiss ein Meilenstein, der all jenen,
die sich für die Prinzen- und Adelsreisen im Europa der Frühen Neuzeit
interessieren, nur empfohlen werden kann.
Mathis Leibetseder, in: Nassauische
Annalen, 123, 2012
Reisen von Fürsten und ihrer Nachkommen wurden bisher im Kontext
der Kavalierstour fast ausschließlich für das 18. Jahrhundert erforscht. In
ihrer 2009 vorgelegten und nun erschienenen Dissertation, verschiebt Bender diesen
üblichen Betrachtungsrahmen sowohl zeitlich an das Ende des 17. Jahrhunderts
als auch personell, da sie Prinzen der kleineren und mittleren Territorien des
Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in den Blick nimmt. Nach ihrer
These lässt sich das gestiegene Reiseverhalten der Prinzen zum einen durch den
Abschluss der mehrjährigen Prinzenerziehung, der eine Reise an andere
europäischen Höfe vorsah um das Gelernte direkt anzuwenden, zum anderen durch
den Wunsch der Fürsten, das eigene Ansehen und damit den Einfluss des
Territoriums zu steigern, erklären. Diese These wird in der hervorragend
strukturierten und gut leserlichen Untersuchung bewiesen. […] Ein Anhang der alle
Daten über die Prinzen, Kurzbiographien, Kostenübersichten,
Länderaufschlüsselung und sogar den Stundenplan eines Prinzen enthält, rundet
das Buch ab. Bender gelingt es ihre These sicher und quellenreich zu beweisen.
Sie erweitert und präzisiert den bisherigen Forschungsstand über fürstliches
Reisen bis ins kleinste Detail. Ein wichtiges Buch für alle Neuzeit-,
Diplomatie- und Reisehistoriker.
Ingo Löppenberg, in: Das Historisch-Politische Buch, 60. Jahrgang 2012,
Heft 3
»Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im
höfischen Kontext gegen Ende des 17. Jahrhunderts«: Mit diesem Titel ist
der Inhalt von Eva Benders Dissertation gut umrissen. Sie hat die Reisen und
Reiseziele von 61 deutschen Prinzen erforscht, die wichtige europäische Höfe
besuchten.
»Diese Prinzenreisen gehörten in der Frühen Neuzeit zum Kern der
Fürstenerziehung«, erläutert Eva Bender. Die jungen Männer, die in Begleitung
eines Hofmeisters und weiterer Begleiter das erste Mal längere Zeit von zu
Hause weg waren, sollten auf diesen mehrjährigen Europareisen – auch
Kavalierstouren genannt – ihren Horizont erweitern und sich an den wichtigsten
Höfen ihrer Zeit vorstellen. Neben der Erweiterung der Sprachkenntnisse dienten
die Prinzenreisen auch der Vervollkommnung der körperlichen Fertigkeiten.
Dokumentiert wurden die Reisen unter anderem auf eigens geprägten Münzen (die
für die Rückkehr von Erbprinz Friedrich von Sachsen-Gotha und Altenburg
geprägte Medaille in der Mitte dieses Textes zeigt das Schiff »Katherine«). Auf
ihr Thema stieß die Marburger Geschichtswissenschaftlerin, nachdem sie den
Lebensweg des hessischen Prinzen Friedrich I. von Hessen-Kassel in ihrer
Magisterarbeit erforscht hatte. Dabei war ein zentraler Punkt auch die
Bildungsreise des Prinzen. Bei der Recherche in den Quellen fiel der Forscherin
auf, dass der hessische Prinz unterwegs auch viele andere Prinzen getroffen
hatte. Bei den weiteren Nachforschungen bemerkte sie, wie häufig diese
Prinzenreisen am Ende des 17. Jahrhunderts waren.
»Das wichtigste Ziel dieser Reisen waren die Aufenthalte an den befreundeten
Fürstenhöfen«, macht die Marburger Historikerin klar. Der Weg sei also in
diesem Fall eher weniger das Ziel der Reise gewesen. Dennoch hätten die
prinzlichen Reisegesellschaften natürlich auch die Ziele am Rande der
Reisetouren besichtigt. »Man muss sich schließlich vorstellen, dass die
Reisegeschwindigkeit damals deutlich langsamer als heute gewesen ist«, sagt
Bender. Auf den Reisen, die per Pferdekutschen erfolgten, wurden kaum mehr als
30 Kilometer am Tag zurückgelegt. Dabei mussten die Prinzen häufig sehr weite
Strecken zurücklegen, was viel Zeit in Anspruch nahm. Zudem war in der von der
Forscherin untersuchten Zeit das zuvor als Pflichtregion für eine Prinzenreise
geltende Frankreich wegen des Neunjährigen Krieges als Reiseziel nahezu
ausgefallen. Stattdessen führten immer mehr Reisen der jungen Männer aus dem
deutschen Hochadel nach Italien. Aber auch die Niederlande sowie England und
Skandinavien waren wichtige Reiseziele. Die Reisen dienten aber nicht nur der
Bildung der Prinzen, sondern hatten auch noch das Ziel, deren Stellung in der
Welt der Fürstenhöfe zu festigen. »Das den Prinzen von den auswärtigen
Souveränen entgegengebrachte Verhalten wurde genau dokumentiert und an den
heimischen Hof weitergegeben«, erklärt Bender. »Die dem Prinzen
entgegengebrachte Ehre galt als Gradmesser für die Stellung seiner Dynastie und
seines Territoriums innerhalb der höfischen Gesellschaft«.Bender wies in ihrer
Doktorarbeit nach, dass die Vielzahl an Prinzenreisen vor allem an der
ungeklärten Situation der Reichsstände nach dem Ende des Dreißigjährigen
Krieges ab 1648 lag. Es war eine Zeit, in der viele Fürstenhäuser um den
Aufstieg in der Adelshierarchie konkurrierten.
Während ihrer Studienaufenthalte an den ausländischen Höfen wurden die Prinzen
intensiv in Studien und ritterlichen Exerzitien ausgebildet. Für diesen
Unterricht gab es detaillierte Stundenpläne. Dabei wurden die Prinzen
mindestens an fünf Tagen in der Woche jeweils acht bis zehn Stunden lang unterwiesen.
Ziel dieses Unterrichts war es, einen vielseitig gebildeten und nach höfischen
Idealen erzogenen Höfling auszubilden. Einen breiten Unterricht nahm aber auch
die konfessionelle Unterweisung und die Festigung des Glaubens ein.
Latein war wichtigstes Unterrichtsfach. Denn die wichtigsten juristischen,
theologischen und naturwissenschaftlichen Texte waren auf Latein verfasst.
Zusätzliche Unterrichtsfächer waren Mathematik, Geographie und moderne
Fremdsprachen. Die ritterlichen Exerzitien nahmen einen breiten Raum ein. Dazu
zählten der Unterricht im Reiten, Fechten und Tanzen. Die künftigen Herrscher
übten auch zeremonielle Praktiken ein. Im Anschluss an den Unterricht wurden
die Prinzen oft in militärischen Praktiken unterrichtet. Vor allem die Prinzen,
die nicht als Erstgeborene ein Anrecht auf die Nachfolge des Fürsten hatten,
wurden anschließend als hochrangige Offiziere in den Militärdienst übernommen.
»So wurde nicht nur eine standesgemäße Versorgung und Beschäftigung
organisiert«, erläutert die Historikerin Dr. Eva Bender. »Durch die Kombination
von theoretischen Studien, Exerzitien und militärischen Erfahrungen wurde die
Erziehung dem Ideal der umfassenden Bildung gerecht, die schließlich zu Ruhm
und Ehre des Prinzen führen konnte«.
Anhand von Dokumenten wie den Korrespondenzen der mitreisenden Hofmeister mit
dem Hof oder mit Hilfe von Fürstenspiegeln analysierte die Marburger
Historikerin Dr. Eva Bender die Reisen aller zwischen 1671 und 1681 geborenen
deutschen Prinzen. Dabei reichte die Liste dieser Prinzen von Johann Georg von
Anhalt-Bernburg bis hin zu Eberhard IV.
Ludwig von Württemberg.
Die Reisen dieser 61 Prinzen wertete Weber detailliert aus, unter anderem in
Bezug auf die Reisedauer, die Reiseziele und Reiserouten und die im Rahmen der
Prinzenreise getätigten Ausgabe.
Außerdem listete sie die späteren Karrierestufen der früheren Prinzen auf: Die
Liste der erreichten Positionen reichte vom Generalmajor bis zum König von
Dänemark. Mit den Reisen von acht der Prinzen beschäftigte sich Bender in ihrer
Forschungsarbeit zudem ausführlicher.
Der Tradition folgend brachen die Prinzen zum Abschluss ihrer Erziehung auf,
üblicherweise im Alter von 15 oder 16 Jahren.
Manchmal wurden die erstgeborenen Prinzen auf ihrer Reise aber auch von
jüngeren Brüdern begleitet. Grundsätzlich bestand die Prinzenreise im
ausgehenden 17. Jahrhundert aus einem rund zweijährigen Bildungsaufenthalt
an einem anderen Hof im Ausland. Abgeschlossen wurde diese Reise dann mit einer
rund sechs Monate andauernden Tour durch Italien oder das deutsche Reich.
Zwischen dem Bildungsaufenthalt und der abschließenden Tour kehrten die Prinzen
üblicherweise für einige Zeit an den heimischen Hof zurück.
Aus Gründen der Kostenersparnis reisten die Prinzen meist nicht unter ihrem
eigenen Titel, sondern mit dem Titel eines Grafen oder Herrn, der eindeutig mit
dem eigenen Territorium verbunden war.
Trotzdem war es immer noch eine beeindruckende Anzahl von Menschen, die die
Prinzen bei ihrer wichtigen Reise begleiteten. Neben dem Hofmeister, dem als
eine Art »Reise-und Studienleiter« die entscheidende Position der
Reisegesellschaft zukam, waren das zwischen 11 und 15 Personen.
Wenn ein Erbprinz ohne Inkognito auftrat, dann konnte seine Begleitung auf bis
zu 50 Personen ausgedehnt werden.
Manfred Hitzeroth, in: Oberhessische
Presse, 10. Juni 2011