Leonhard Helten (Hg.)
Der Havelberger Dombau und seine Ausstrahlung
Groß und mächtig thront er hoch über der Stadt – der Havelberger
Dom Sankt Marien. Geweiht 1170, gehört er zu den ältesten Kirchbauten östlich
der Elbe. Die Wurzeln des Havelberger Bistums gehen noch weiter zurück, es
entstand im zweiten Drittel des 10. Jahrhunderts als Teil des umfassenden
Vorhabens, die slawischen Gebiete zu christianisieren und in die
ostfränkisch-deutsche Königsherrschaft einzugliedern. Heute liegt die
Prignitz-Stadt Havelberg mit ihrem Dom im nordöstlichen Zipfel Sachsen-Anhalts –
eine Randlage, die den Blick auf sie leider häufig etwas beengt ausfallen
lässt. Doch vielleicht ermöglicht der Anfang dieses Jahres erschienene Band
»Der Havelberger Dombau und seine Ausstrahlung« eine neue Sicht gen Norden.
Das Buch – herausgegeben von Leonhard Helten im Auftrag des Vereins der Freunde
und Förderer des Prignitz-Museums und erschienen im Berliner Lukas Verlag –
setzt sich mit dem Bau und der Wirkung des Havelberger Doms in die Region und
darüber hinaus auseinander. Auf 238 Seiten vereint das Buch die Ergebnisse einer
Tagung aus dem Jahr 2009. Historiker, Bauforscher, Kunsthistoriker, Archäologen
und Museologen nahmen sich im »Jahr der Dome« dieses außergewöhnlichen Bauwerks
an. Die Gliederung des Buches gleicht einer Annäherung »von außen nach innen«,
gibt zunächst eine historische Einordnung, bevor es die verschiedenen Bauphasen
erläutert und sich spannenden Detailfragen wie nach der Herkunft des
Chorgestühls – eines der ältesten im deutschsprachigen Raum – widmet.
Ein knappes Jahrhundert nach seiner Weihe wütete ein verheerender Brand und
zerstörte den Dom stark. Noch heute sind einige Brandspuren in Form geplatzter
Natursteine sichtbar. Im Rahmen des Neu- und Wiederaufbaus, der sich in großen
Bauphasen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts hinzog, entstand ein
faszinierendes Ensemble, das die mittelalterlichen Baustile Romanik und Gotik
auf beeindruckende Weise vereint. Das heutige Erscheinungsbild des Domes ist
das Ergebnis einer gut 850 Jahre dauernden Baugeschichte, der gotische
Umbau nach dem Brand kann sicher als prägendste Veränderung bezeichnet werden.
Die enge Beziehung zum Wallfahrtsort Wilsnack mit der Wunderblutkirche, nach
Prag und Magdeburg, Vergleiche mit anderen Prämonstratenserstiften (das Domstift
gehörte diesem Orden an), Untersuchungen der Chorschranken oder neue Erkenntnisse
zur Werkstatt des Lettners sind nur einige der Themen, die die 14 Autoren
in ihren Arbeiten untersuchten.
Ergänzt werden die Aufsätze durch zahlreiche Abbildungen, die zwar in
Schwarz-Weiß gedruckt sind, aber große Lust auf eine direkte Begegnung mit dem
Dom in all seiner Pracht und Größe machen. Da die Aufsätze kurz und prägnant
gehalten, überdies auch für den Laien gut verständlich sind, funktioniert das
238 Seiten starke Buch auch hervorragend als alternativer Führer durch den
Dom. Am besten schon mal Zuhause (vor)lesen und dann direkt vor Ort mit dem
Band als Begleiter die Ergebnisse der Forscher aufspüren und nachvollziehen –
unter diesem Aspekt wirkt der Besuch im Havelberger Dom noch einmal besonders
nach.
»Möge dieser Tagungsband … dem Dom neue Freunde geben.« Mit diesem Satz schloss
Herausgeber Leonhard Helten sein Vorwort. Mit diesem Buch dürfte das gelingen.
Doreen Jonas, in: Glaube + Heimat, 22.04.2012
Zwei Jahre
mussten sich die Havelberger Heimatfreunde gedulden, nun ist es soweit: Der
Tagungsband zum Dombau-Kolloquium im Oktober 2009 ist endlich erschienen.
Das Interesse an der Buchpräsentation war rege: Etwa 70 Heimatfreunde und
Interessenten hatten sich am Sonnabend in der Stadtgeschichts-Abteilung des
Prignitz-Museums eingefunden. Frank Hoche, Leiter der Museen des Kreises,
dankte vor allem dem Förderverein des Museums, ohne dessen Engagement das Buch
nie herausgekommen wäre. Peter Reichel vom Verein hatte zwei Wünsche: Dass eine
weitere Neuerscheinung in diesem Jahr herauskommt und dass am Dom endlich
Grabungen stattfinden – er vermutet unter dem Sakralbau das einstige slawische
Heiligtum.
Zumindest was das nächste neue Buch betrifft, konnte ihm Dr. Frank Böttcher vom
Lukas Verlag aus Berlin Hoffnung machen. Die Dissertation von Joachim Hoffmann
zur Geschichte des Dombaus soll im Sommer dieses Jahres in den Handel kommen.
Mit dem jetzt erschienenen Band zur Tagung werde im Übrigen auch auf die historische
Bedeutung der Domstadt hingewiesen.
Ziel der wissenschaftlichen Tagung im Dom-Jahr 2009 sei es gewesen, die
Ergebnisse der unterschiedlichen Forschungen zum Havelberger Dom zu bündeln,
erklärte der Herausgeber des Buches, Professor Leonhard Helten von der
Martin-Luther-Uni Halle-Wittenberg. So gibt es Arbeiten zur Baugeschichte, zum
Lettner, zur Ausstattung sowie zu den Klausurgebäuden des Domstiftes. Die
Baugeschichte bildet die Grundlage für die Datierung und Einordnung der
Ausstattung.
Vermutungen von Fachleuten, dass Teile des Domes im 10.Jahrhundert errichtet
wurden, bestätigten sich bei den Untersuchungen nicht, alles wurde erst nach
dem 1147 erfolgten Kreuzzug gegen die Slawen errichtet. Und das, obwohl der
Westriegel für das 12.Jahrhundert seltsam altertümlich anmutet. Unbeantwortet
bleiben weiterhin Fragen nach den unterschiedlichen Achsen in Klausur und
Kirchenbau, dem ungewöhnlichen Chorbau oder den freistehenden Figuren.
1279 zerstörte ein Brand den damals romanischen Bischofssitz, er wurde vorerst
nur provisorisch wiederhergestellt, später dann gotisch umgebaut. Im weiteren
Verlauf floss ein Großteil der Einnahmen aus den Pilgerfahrten nach Wilsnack in
den Umbau des Domes, von dem Geld wurde vor 600 Jahren unter anderem der
imposante Lettner geschaffen.
Ingo Freihorst, www.volksstimme.de, 06.02.2012
Havelberg • Hoch oben auf dem Berg thront er, der Havelberger Dom.
Weithin sichtbar ist er das markante Zeichen für die Hansestadt, die einst
Bistumssitz war. Sein Bau beschäftigte bereits viele Forscher und noch immer
gibt es nicht auf alle Fragen Antworten.
Im Oktober 2009 bekam der Dombau im sachsen-anhaltischen »Jahr der Dome« mit
einer ersten wissenschaftlichen Tagung endlich die Aufmerksamkeit, die er schon
lange verdient hat. Aus ganz Deutschland reisten rund 100 Tagungsteilnehmer an,
die von Mitarbeitern des Havelberger Prignitz-Museums sowie Stadt- und
Landkreisvertretern herzlich begrüßt worden waren. Gemeinsam mit dem Institut
für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Martin-Luther-Universität
Halle hatten die Museen des Landkreises Stendal die Veranstaltung vorbereitet.
Moderiert wurde sie von Leonhard Helten, Professor am Institut. Er ist mit dem
Verein der Freunde und Förderer des Prignitz-Museums Herausgeber des Buches und
hat das Vorwort geschrieben.
»Havelberg gehört zu den ersten Bistumsgründungen östlich der Elbe, sein Dom
St. Marien zu den bedeutendsten Großbauten seiner Zeit«, leitet er seinen
geschichtlichen Abriss in die Geschichte des Dombaus ein. Er geht ein auf den
mächtigen Westriegel, auf die Havelberger Chorlösung mit der
segmentbogenförmigen Apsis, auf den romanischen Ursprung des 1170 geweihten
Kirchenhauses und den gotischen Umbau nach dem Brand 1279 sowie auf verschiedene
Fragen zur Chronologie des Baus bis hin zu seiner reichen spätgotischen
Ausstattung, die auch heute noch Forscher beschäftigt.
Das Buch herauszugeben, wurde bei der Dombautagung als Ziel genannt. Jetzt ist
es im Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Berlin erschienen.
Verlagschef Frank Böttcher wird zur Buchvorstellung an diesem Sonnabend, 4.
Februar, ebenso erwartet wie Leonhard Helten, kündigt Museologin Antje Reichel
an. Alle Interessenten sind zu 14 Uhr im Prignitz-Museum willkommen. Leonhard
Helten wird zur Domgeschichte, Architektur und Ausstattung sprechen. Für
Gemütlichkeit und Zeit zum Plaudern ist im Anschluss an die Buchpräsentation
mit Kaffee und Kuchen gesorgt.
Auch viele der insgesamt 15 Autoren haben ihre Teilnahme angekündigt, freut
sich Antje Reichel über die gute Resonanz. Sie ist froh, dass das Buch jetzt
erschienen ist und im Buchhandel erhältlich ist. Viel Zeit der Vorbereitung hat
auch sie investiert, arbeitete in der Redaktion mit. Die Finanzierung des
Tagungsbandes haben sich Land, Landkreis, das für den Dombau zuständige
Planungsbüro und der Förderverein des Prignitz-Museums geteilt.
Der farbige Buchtitel zeigt das mächtige Westwerk des Havel-berger Domes von
der Genehmigungszeichnung für den Turmumbau aus dem Jahre 1907. Auf 238 Seiten
gibt es weitere Fotos und Abbildungen in Schwarz-Weiß. So zum Beispiel von
mittelalterlichen Grabplatten im Dom, ein Kapitel von Karl Heinz Priese. 62
Sandsteingrabmäler befinden sich im Dom, wovon fast die Hälfte mittelalterliche
Ritzgrabplatten sind. Allein 14 waren für Havelberger Bischöfe bestimmt.
Vor allem ab Mitte der 90er Jahre hatte es rege Forschungsarbeiten zur
Baugeschichte des Doms gegeben. Joachim HofTmann befasste sich in seiner
Magisterarbeit mit Studien zum Westbau und Langhaus des Doms und hat mit der
Dissertationsschrift »Die mittelalterliche Baugeschichte des Havelberger Domes«
an der Universität Trier promoviert. Dieses Kapitel ist ebenfalls im Buch
enthalten. Der Autor hatte mit seinen Untersuchungen zum Umbau des Domes nach
dem Brand von 1279 eine längere Bauphase von 100 Jahren nachgewiesen und somit
die bis dahin angenommene Chronologie geändert. Dafür sprechen auch die
Forschungen von Tilo Schöfbeck und Dirk Schumann. Unter dem Titel »Die
gotischen Umbauten« und »Zur Havelberger Bauskulptur und den Bautätigkeiten des
späten 12. bis 14. Jahrhunderts« sind die Ergebnisse der Bau- und
Kunsthistoriker nachzulesen. Sie hatten von Ost nach West verschiedene Baunähte
im Kirchenschiff aus gemacht und unterschiedliche Stein- und Putzarten
festgestellt. Untersuchungen des Holzes unter dem Dach des Hauptschiffes
ergaben, dass es zu unterschiedlichen Zeiten geschlagen wurde.
Allein diese Ergebnisse waren schon zur Tagung aus Sicht etlicher Teilnehmer
Grund für weitere Forschungen. So auch für Ernst Badstübner, der im Buch über
die ersten Kirchenbauten östlich der Elbe schreibt. Gegenüber der Volksstimme
sagte der Bau- und Kunsthistoriker 2009: »Der Ha-velberger Dom ist nicht nur
von territorialer Bedeutung, sondern von überregionaler. Er ist einer der
ersten Kirchenbauten aus Stein östlich der Elbe, vielleicht sogar der erste. Er
gibt Auskunft über die kirchliche Bautätigkeit in der Mitte des 12.
Jahrhunderts, denn er steht im Kern noch fast unberührt so da wie in dieser
Zeit. Das ist das Phänomen.«
Andrea Schröder, in: Volksstimme (Altmark
Umschau), 02.02.2012