Peter Walther
Der Berliner Totentanz zu St. Marien
Totentänze entstehen in
Mitteleuropa ab dem Ende des 14. Jh. Der erst 1860 wiederentdeckte
Berliner Totentanz wird »ca. 1490« datiert und ist mit 22 Metern Länge und
seinem recht guten Erhaltungszustand eine der eindrücklichsten historischen
Wandmalereien in Berlin und Umgebung. Wie in La Chaise-Dieu, wo sich der
älteste bekannte Totentanz (aus dem Jahr 1410) befindet, ist auch derjenige in
der Berliner St. Marien-Kirche an der Westwand der Turmhalle platziert.
»Entlang einem Pfeilervorsprung folgen zunächst, paarweise mit je einer
Todesgestalt, die geistlichen Stände in aufsteigender Reihe: Küster, Kapellan,
Offizial, Augustiner, Prediger, Kirchherr, Kartäuser, Arzt, Mönch, Domherr,
Abt, Bischof, Kardinal und Papst. Auf dem Backsteinpfeiler, der von der
Westwand auf die Nordwand überleitet, sind der gekreuzigte Jesus, Maria und
Johannes gemalt, auf der Nordwand folgen in absteigender Reihe, wiederum
paarweise mit je einer Todesgestalt: Kaiser, Kaiserin, König, Herzog, Rotter,
Bürgermeister, Wucherer, Junker, Kaufmann, Handwerker, Bauer, Krügerin und
Narr«. Es fehlt als letztes Bild das eines Kindes mit dem Tod; es wurde bereits
im 16. Jh. durch den Einbau einer Emporentreppe zerstört. In Beschreibung
und Interpretation des Berliner Totentanzes wird das Werk in Text und
anhand von Schwarz-Weiß-Abbildungen und manchen Zeichnungen ausführlich
vorgestellt. Das ca. 60 cm hohe Textband unter den Bildern umfasst
360 Verse; diese werden in einer kritischen Textausgabe und Übersetzung
abgedruckt. Text und Bild ergänzen sich und machen auch dem heutigen Betrachter
deutlich, dass in heilsgeschichtlicher Sicht vor dem Tod alle Menschen gleich
sind. Eine kurze Chronologie sowie ein Literaturverzeichnis runden den Band ab.
Walter Zahner, in: Archiv für
Liturgiewissenschaft, Jahrgang 52 (2010, 3. Heft)