Almut Andreae / Udo Geiseler (Hg.):

Die Herrenhäuser des Havellandes

Eine Dokumentation ihrer Geschichte bis in die Gegenwart

Das vorliegende Buch ist das Ergebnis eines zweijährigen ABM-Projekts (1998–2000) über die Herrenhäuser des Havellandes, dessen Veröffentlichung aber im wesentlichen der zuletzt ehrenamtlichen Arbeit der beiden Herausgeber Almut Andreae und Udo Geiseler zu verdanken ist. Schon aus diesem Grund ist die Leistung des acht Mitarbeiter umfassenden Autorenteams, bestehend aus Historikern, Kunst- und Kulturwissenschaftlern, Landschaftsarchitekten und Ingenieuren, ausgesprochen positiv zu bewerten.
Obwohl die Beschäftigung mit brandenburgischen Herrenhäusern vor allem seit der Wiedervereinigung eine Renaissance erlebt, ist das Thema bislang meistens in Darstellungen über einzelne Bauten oder Adelsfamilien sowie in Gesamtüberblicken behandelt worden. Die intensive wissenschaftliche Bearbei­tung der Adelskultur einer einzelnen Region – wie hier des heutigen Landkreises Havelland – stellt, abgesehen von den Arbeiten Claus-Dirk Langers (Die ländlichen Schlösser und Herrenhäuser in den Braunkohleabbaugebieten des Bezirkes Cottbus, maschinenschriftliche Diss. TU Dresden 1989) und Torsten Foelschs (Adel, Schlösser und Herrenhäuser in der Prignitz, Perleberg 1997), für Brandenburg ein Novum dar.
Das Buch selbst besteht zum einen aus mehreren Aufsätzen, in denen einzelne übergreifende Aspekte der havelländischen Herrenhäuser abgehandelt werden. So gibt zunächst Udo Geiseler in seinem Beitrag einen Überblick über die historische Entwicklung der havelländischen Güter, die Wandlung der Besitzstrukturen über die Jahrhunderte hinweg sowie die spezielle Situation im Havelland nach 1945. Die sehr genaue und präzise Darstellung läßt das komplexe Beziehungsgeflecht der einzelnen Familien im Verlauf der Jahrhunderte in Abhängigkeit von den jeweiligen sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Veränderungen deutlich werden. Die Kunsthistorikerin Almut Andreae stellt den Wandel in der Architektur der adligen Wohnhäuser dar, orientiert sich aber zu sehr an der bisherigen Forschungslitera­tur über das brandenburgische Herrenhaus. Hier wurde die Chance vertan, durch die selbständige Analyse der Bauten eventuelle regionale Besonderheiten und Unterschiede in der Entwicklung der havelländischen Adelssitze herauszuarbeiten. Die Landschaftsarchitektin Susanne Karn gibt in ihrem Artikel zunächst anhand von unterschiedlichen Quellen (Inventaren, zeitgenössischen Beschreibungen, Gedichten und Plänen) eine konzise Zusammenfassung über die sich vom 17. bis zum 19. Jahrhundert wandelnde Gartengestaltung der havelländischen Güter, um dann die wichtigsten Anlagen (Groß Wudicke, Groß Behnitz, Nennhausen, Paretz, Senzke und Wagenitz) im einzelnen ausführlich vorzustel­len. Im kurzen Beitrag von Dieter Seidel werden verschiedene Verwalter- oder Lehnschulzenhäuser vorgestellt, die zwar nicht den Kriterien eines adligen Herrenhauses entsprechen, da sie niemals Wohnsitz der eigentlichen Herrschaftsinhaber waren, aufgrund ihrer repräsentativen architektonischen Gestaltung aber durchaus landläufig so bezeichnet werden. Der abschließende Artikel von Klaus Schulte über Gutsherrschaft und Kirchenpatronat macht deutlich, daß sich die Präsentation der adligen Macht nicht nur auf Herrenhaus und Garten beschränkte, sondern daß sich besonders in der Ausgestaltung der zum Gut gehörenden Patronatskirchen (Herrschaftsstände, Epitaphe, Gruftanlagen, Altäre) der repräsentative Anspruch der Adligen gegenüber den Dorruntertanen widerspiegelte. Dieser Aspekt wird im Havelland vor allem in der Ausstattung der beiden Kirchen in Markau und Nennhausen sichtbar. In einem ausführlichen Katalog, der den größten Teil des Buches ausmacht (S. 67–333), werden alle im Untersuchungsgebiet vorhandenen oder ehemals existierenden Herrenhäuser in 79 Einzelmonographien vorgestellt, wobei zu betonen ist, daß neben der historischen und baulichen Entwicklung bis 1945 auch die Nachkriegsgeschichte der Objekte eine umfassende Würdigung erhält. Besonders hervorzuheben ist die reiche Bebilderung (rund 480 Abbildungen). Die vielen Außen- und Innenaufnahmen sowie historischen Pläne ermöglichen eine umfassende Dokumentation des historischen und heutigen Zustandes der Bauten. Die Bildqualität hätte man sich zum Teil etwas besser gewünscht, ist aber aufgrund der historischen Vorlagen - handelt es sich doch oftmals um die einzigen erhaltenen Fotos, die ein heute stark verändertes oder zerstörtes Haus dokumentieren - verständlich. Zu kritisieren ist, daß durch das kleine Format der Abbildungen vor allem auf den historischen Plänen zumeist nur wenig zu erkennen ist; hier wäre ein Ausschnitt sinnvoller gewesen.
Ein Anhang, bestehend aus einer alphabetischen Auflistung der adligen Wohnhäuser mit einer Übersicht ihrer wichtigsten Bauphasen, ihrer ehemaligen Nutzung und ihres heutigen Zustands, einem Glossar sowie einem Quellen- und Literaturverzeichnis, rundet das Buch ab. Zu loben ist auch das ausführliche Orts- und Namenregister, das die Recherche zu einer bestimmten havelländischen Familie oder einem speziellen Herrenhaus erleichtert.
Von den erwähnten Monita abgesehen, handelt es sich bei dem vorliegenden, vom Lukas Verlag ansprechend gestalteten Buch um ein ausgesprochen beachtliches, die verschiedenen historischen, bau- und kunstgeschichtlichen sowie genealogischen Aspekte der havelländischen Herrenhäuser umfassend
behandelndes Werk, das den Wunsch nach vergleichbaren Untersuchungen in den restlichen branden­burgischen Landkreisen weckt.
Christiane Salge, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, Bd. 54 (2003), S. 248–249

 

Im Unterschied zu anderen Regionen haben sich die Herrenhäuser des Havellandes überwiegend erhalten. Dies allein wäre heutzutage aber noch kein ausreichender Grund, eine inventarartige Erfassung der Bauten mit einer Buchpublikation zu bedenken. Vielmehr dürfte hierfür nicht unwesentlich die jüngste deutsche Geschichte Anlaß gewesen sein.

Nachdem viele Gebäude bis 1945 unzerstört geblieben waren, galten danach Herrenhäuser in ihrer architektonisch-juristisch-ökonomischen Manifestation bald als Symbol eines überkommenen Feudalismus und erschienen für eine neue Gesellschaftsordnung nicht mehr tragbar. Viele der seit Generationen ansässigen Besitzerfamilien wurden daher offiziell enteignet, die »Altbesitzer« ausgewiesen, der Besitz den neuen sozialistischen Wirtschaftsund Gesellschaftsstrukturen eingepaßt. Die Gebäude selbst wurden dabei überwiegend kommunaler Verwendung zugewiesen und als Schulen, Kindergärten, Heime, Bibliotheken und Kulturzentren genutzt. Dies rettete die meisten Häuser zwar nicht vor substantiellem Verfall und gravierenden Schäden in der Bausubstanz, sicher aber vielfach vor dem endgültigen Untergang. Bekanntermaßen hat die Wiedervereinigung Deutschlands diese Enteignungen nicht rückgängig gemacht. Andererseits konnten staatliche Einrichtungen und Denkmalpflege nicht alle Folgen und baulichen Erfordernisse allein tragen. So ist dieser Katalog der Herrenhäuser des Havellandes letztlich bis zum gewissen Grad auch ein Angebot an Investoren: Er zeigt nicht nur die Vielfalt und Schönheit dieser landschaftsprägenden Bau- und Lebensform, nicht nur die erheblichen Anstrengungen der öffentlichen Hand, von Alt- und Neubesitzern, die sich (oftmals durch Rückkauf) bei der Erhaltung engagieren, sondern auch viele, aus finanziellen Gründen oftmals bereits abgeschriebene Objekte in der Hoffnung auf private Initiativen, auf Investoren, auf Anstoß und Überlegungen zu Umnutzungen usw.
Die vorliegende Publikation ist dafür sicher hervorragendes Schaufenster und Inspirationsquelle, aber auch – bei Vergeblichkeit dieser Zielsetzung – letztes Denkmal einer in dieser Vielfalt dann untergegangenen Welt. Und diesem Memorialcharakter wird nicht allein durch Einführungsartikel zum Typ und zur historischen Bedeutung der Herrenhäuser, zu ihren Parks und Gartenanlagen und unter dem Aspekt »Gutsherrschaft und Kirchenpatronat« zu den Patronatskirchen des Havellandes Genüge getan, sondern vor allem durch den eigentlichen Katalogteil, in dem in alphabetischer Folge die havelländischen Herrenhäuser vorgestellt und beschrieben werden. Dies erfolgt in ausführlichen und reich illustrierten Artikeln, die sowohl die ältere als auch die jüngere Geschichte des Gebäudes, seiner Nutzungen und seiner Besitzer berücksichtigen und die Informationen mit wichtigen Literatur- und Quellenhinweisen ergänzen. Tabellarische Übersicht der Herrenhäuser, Glossar, allgemeines Quellen- und Literaturverzeichnis, Orts- und Namensregister und eine Überblickskarte runden die ansprechende und informative Publikation ab. ‚Ansprechend’ insofern, als sie neben aller fundierten und gut aufbereiteten Sachinformation auch Lesewelten entstehen läßt, in denen etwa Fontanes Ribbeck und sein Birnbaum wieder einen Sitz im Leben erhalten, Lesewelten also, die auch zu weiteren Bezugsetzungen und Entdeckungen anregen.
Angela Karasch in IFB: digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft (http://www.bsz-bw.de/ifb), Nr. 12/2004

Das öffentliche Interesse an den brandenburgischen Herrenhäusern und Schlössern hält seit der Wiedervereinigung ungebrochen an. In der DDR ideologisch stigmatisiert und bewußt vernachlässigt, sind sie vor allem durch die Kontroversen über die Eigentumsverhältnisse der Immobilien, ihr Nachkriegsschicksal und die Probleme ihrer Restaurierung und künftige Nutzung wieder stärker in das Bewußtsein der Bevölkerung gerückt. Nicht zu unterschätzen ist auch die besondere Faszination, die von den steinernen Relikten einer untergegangen Adelskultur ausgeht und sich in einem regen Besucherinteresse niederschlägt. Das gesteigerte Informationsbedürfnis hat seit 1990 eine Reihe von Veröffentlichungen hervorgebracht, die jedoch nur zum geringeren Teil einen wissenschaftlichen Anspruch erheben. Besonders zu erwähnen sind die verdienstvollen Publikationen des »Freundeskreises Schlösser und Gärten der Mark«, der seit 1991 in 59 Heften einzelne Baudenkmäler vorgestellt hat, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen und für eine fachgerechte Wiederherstellung zu werben. Ein anderes gelungenes Beispiel stellt die Neuausgabe des brandenburgischen Teiles von Alexander Dunckers Ansichtenwerk aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar (Herrenhäuser in Brandenburg und der Niederlausitz, hg. von Peter-Michael Hahn und Hellmut Lorenz, 2 Bde., Berlin 2000). Die ausführliche Kommentierung der einzelnen Bauwerke und ihre Einordnung in den architektur- und kulturgeschichtlichen Zusammenhang macht es zu einem der wichtigsten Nachschlagewerke zu diesem Thema. Nachdem Torsten Foelsch bereits im Jahre 1997 den Guts- und Herrenhäusern des Landkreises Prignitz eine eigene Untersuchung gewidmet hat (Adel, Schlösser und Herrenhäuser in der Prignitz. Ein Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte einer märkischen Landschaft, Leipzig 1997), liegt nunmehr auch eine Publikation über das Havelland vor. Als Ergebnis eines ABM-Projektes »Schlösser und Herrenhäuser in Brandenburg« haben die acht Autoren eine umfangreiche historische Dokumentation zusammengestellt, die verdeutlicht, welche kultureile Prägung das Havelland über Jahrhunderte hinweg durch diese historischen Stätten erfahren hat.
Der Titel ist ein wenig irreführend und hätte besser »Die Gutshäuser des Landkreises Havelland« gelautet, da das Buch den heutigen Verwaltungsbezirk behandelt, dieser jedoch nur teilweise mit der historischen Landschaft identisch ist. Der Leser wird daher vergeblich die havelländischen Herrensitze von Bornstedt, Fahrland, Groß und Klein Ziethen, Ketzür oder Plane suchen, dafür aber westlich der Elbe liegende Ortschaften finden, die bis 1952 zum Kreis Jerichow II der Provinz Sachsen gehörten und danach an Brandenburg fielen. Das Prinzip, moderne Verwaltungsgrenzen zur Grundlage einer Inventarisierung zu machen, ist – gerade bei größer konzipierten Werken – sicherlich sinnvoll. Jedoch sollte in einer historisch-landeskundlichen Publikation der Bezugspunkt eindeutig erkennbar sein. Ohnehin ist feststellbar, daß die seit 1992 rein nach administrativen Gesichtspunkten gebildeten neuen Kreise, wie z.B. Barnim, Teltow-Fläming und Uckermark, das Bewußtsein vom Umfang historisch gewachsener Landschaften langsam verdrängen.
Der Hauptteil des Buches bildet eine Inventarisierung von 79 Herrenhäusern in 63 Orten des heutigen Landkreises. Ausführlich wird die Besitz-, Bau- und Nutzungsgeschichte beschrieben und durch Karten und Ansichten illustriert. Ergänzt und belebt wird die Darstellung durch Einzelheiten aus der Familiengeschichte der Bewohner. Erfreulicherweise wird das Herrenhaus nicht isoliert betrachtet, sondern im Komplex der Gutsgebäude, die die ökonomische Basis bildeten, der Lage zum Dorf und nicht zuletzt der Dorfkirche dargestellt, die in nicht wenigen Fällen dem gutsherrlichen Patronat unterstand. Ein besonderes Verdienst der Autoren liegt zweifelsohne in der Ermittlung und Dokumentation geeigneter Quellen. Während die äußere Hülle beim Ende des Zweiten Weltkrieges in den meisten Fällen stehenblieb, wurde die Ausstattung der havelländischen Gutshäuser fast ausnahmslos geplündert, zerstreut oder vernichtet. Neben den Mobilien gingen auch die Archivalien verloren. Nur wenige Gutsarchive aus dem Havelland haben sich erhalten und sind – oft nur noch als Rest- oder gar Splitterbestände – im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam (z.B. Gutsarchive Hohennauen, Friesack, Senzke und Haage) oder anderen Institutionen vorhanden. Welche wichtigen Quellen dadurch verlorengingen, zeigt sich am Beispiel der Baugeschichte der Herrenhäuser und ihrer Gartenanlagen. Die Autoren konnten in vielen Fällen nur ungefähre Angaben über ihre Entstehung machen und selten den Baumeister benennen, weil die dafür zentralen Unterlagen der privaten Auftraggeber nicht mehr erhalten sind und erst ab dem 19. Jahrhundert die staatliche und kommunale Überlieferung einen Ersatz bieten kann. Um so erfreulicher sind die Bemühungen der Verfasser, die verstreut in privater und öffentlicher Hand befindlichen Quellen zu ermitteln und zu publizieren. Das gilt insbesondere für Ansichten und Fotos, die oft ein Stiefkind öffentlicher Sammlungen sind und in diesem Buch zahlreich zum Abdruck kommen. Die Abbildungen sind ohnehin am besten geeignet, das Schicksal der Herrenhäuser nach 1945 durch die Gegenüberstellung von Ansichten aus der Vor- und Nachkriegszeit zu veranschaulichen. Durch den Vergleich wird eindrucksvoll deutlich, daß die Bausubstanz nicht durch die Kriegszerstörungen, sondern durch die DDR-Zeit am nachhaltigsten geschädigt und bewußt bis zur Unkenntlichkeit überformt worden ist. Mißlich für den Benutzer ist jedoch, daß der Abbildungsnachweis gerade bei Archiven und Bibliotheken keine genauen Bestandsangaben enthält. Hier wird dem interessierten Forscher, der die Quellen im Original einsehen möchte, unnötige Doppelarbeit aufgebürdet.
Begleitet wird der Katalogteil durch eine Reihe von Aufsätzen, die verschiedene Aspekte des Themas beleuchten. Udo Geiseler untersucht die Entwicklung der havelländischen Rittergüter seit dem Mittelalter und zeigt auf, welchen Veränderungen sie durch wirtschaftliche und politische Zäsuren unterworfen waren. Während Almut Andreae sich der Architekturgeschichte der oft unscheinbaren und künstlerisch unspektakulären Adelssitze widmet, die zum überwiegenden Teil aus dem 19. Jahrhundert stammen, betrachtet Susanne Karn die funktional und ästhetisch untrennbar mit dem Gutshaus verbundenen Gärten und Parke, Klaus Schulte unterzieht das gutsherrliche Kirchenpatronat, das 1946 (nicht im Jahre 1945) als letztes Herrschaftsrecht de jure beseitigt wurde, einer näheren Untersuchung und dokumentiert Beispiele für das Innenleben der Patronatskirchen.
Interessant ist die Beobachtung, daß zwischen der künstlerischen Ausstattung von Herrenhaus einerseits und Kirche gutsherrlichen Patronates andererseits im 17. und noch im 18, Jahrhundert eine auffällige Diskrepanz besteht. Waren jene eher bescheiden in ihrem Repräsentationsanspruch, sind diese in der Barockzeit der »Ort, an dem sich Rittergutsbesitzer und Patronatsherren ein würdiges Denkmal setzen«, in dem sie aufwendig gestaltete Erbbegräbnisse und Patronatslogen in Auftrag gaben. Der bereits von Hellmut Lorenz (Duncker-Neuausgabe) festgestellte und hier für das Havelland am Beispiel von Nennhausen und Markau beispielhaft illustrierte Gegensatz verdiente eine eingehendere Betrachtung. Neben der Bedeutung des barocken Totenkultes wäre die Frage zu untersuchen, ob hier ein unterschiedliches Verständnis von privatem und öffentlichen Raum zum Ausdruck kommt.
Eine tabellarische Zusammenstellung im Anhang bietet einen schnellen Überblick über die Baugeschichte und aktuelle Nutzung der dokumentierten Herrensitze. Von der erfaßten 79 Häusern sind zwar rund zwei Drittel (47) noch erhalten, viele aber in schlechtem baulichen Zustand und durch Teilabriß oder Umbauten in der Bausubstanz stark verändert. Positive Beispiele privater oder öffentlicher Investoren (z.B. Paretz, Kleßen, Lochow, Nennhausen) dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß viele der Baudenkmäler unrettbar verloren sind, wenn nicht in den nächsten Jahren tragbare Sanierungs- und Nutzungskonzepte gefunden werden.
Den Autoren ist es gelungen, eine ansprechend gestaltete und umfassende Bestandsaufnahme der Herrensitze im Landkreis Havelland vorzulegen, die den bisherigen Kenntnisstand wesentlich erweitert. Es wäre zu wünschen, daß auch andere Teile Brandenburgs in gleicher Weise bearbeitet werden.
Werner Heegewaldt im »Jahrbuch für Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands« 48/2002

»Alles behauptet noch die alte Stelle; auch die Supraporten blieben, die Genien und Amoretten über der Tür. Noch flattern ihre Bänder, noch streuen sie Rosen, aber die Bänder sind vergilbt und die Rosen sind verwelkt. Selbst das Bild des Glückes konnte die Jugend nicht wahren, schrieb Fontane 1870 nach dem Besuch des Schlosses Paretz. Zwar nicht im Falle Paretz, jedoch für die Betrachtung vieler anderer einst repräsentativer Sitze des ländlichen Adels im heutigen Landkreis Havelland behält der melancholische Grundton Fontanes bis heute seine Berechtigung. Lange haben die Gebäude ein Dasein in bescheidener Zurückhaltung führen müssen. Als regionaler Verwaltungssitz, Schule, Kindergarten oder Internat überdauerten sie in den besten Fällen die Zeit der DDR, mußten Eingriffe hinnehmen oder gingen auf dem Weg der sozialen Umorientierung verloren. Nicht selten handelte es sich dabei um bedeutende Denkmalsubstanz.
Pünktlich zum ausgerufenen »Preußenjahr« treten die Häuser in das Licht einer umfassenden Darstellung, unabhängig davon, ob sie noch bestehen, im Vergehen begriffen oder schon verloren sind. Hervorgegangen aus einem ABM Projekt »Schlösser und Herrenhäuser in Brandenburg« haben die Herausgeber und ihre Autoren Verdienstvolles geleistet, und so steht am Anfang erst einmal die Klärung des Begriffes. Nach weiteren Ausführungen zur Geschichte und Funktion der Herrenhäuser sowie einer eingehenden Würdigung der sie umgebenden Parks und Gärten als ein wesentliches kulturräumliches Moment folgt die katalogartige Bearbeitung der Häuser in alphabetischer Reihenfolge. Hier eröffnet sich trotz oder vielleicht gerade wegen der nicht immer gleich gewichteten, collageartigen Beiträge eine umfangreiche Materialsammlung, aus der uns der untergegangene preußische Landadel als eine nicht zu unterschätzende kulturelle Größe entgegentritt. Hierfür wurden Archive eingesehen und zum Teil wenig bekannte historische Ansichten, Karten und Pläne abgebildet. Dabei will die Publikation keinesfalls die vorhandenen Denkmalinventare wie die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg ersetzen oder aktualisieren, verschiedentlich kommt die Bausubstanz als historische Quelle sogar ein wenig zu kurz. Ungeachtet dessen hat eine solche aktuelle und exemplarische Dokumentation einer Region neben den bereits seit längerem erscheinenden Einzelpublikationen »Schlösser und Gärten der Mark« ihren Bedarf und ihre Berechtigung. Dirk Schumann im Mitteilungsblatt der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V., 1/2002

07.12.2001: Der Redakteur der »Berliner Zeitung« Stephan Speicher nennt das Buch als Empfehlung für Weihnachten.

»Die Herrenhäuser des Havellandes« – was für eine Chronik klangvoller preußischer Namen, architektonischer Kostbarkeiten! Und was für eine ermutigende Liste des Überkommenen: Während gleichartige Anwesen näher an der Oder durch Krieg und Nachkrieg dutzendweise zugrundegingen, blieben dem Havelland zwei Drittel der beschriebenen 79 Häuser erhalten. Alle haben, als Teil des brandenburgischen Kulturerbes, ihre Geschichte, die nun erstmals in der Verbindung zwischen Bau-, Kunst- und Familienhistorie bis zur Gegenwart vorgestellt wird.
Eine beiläufige Unterhaltungslektüre ist das nicht. Zwar befleißigten sich die Autoren um das Herausgeber-Duo Almut Andreae / Udo Geiseler einer populären Stoffvermittlung, doch hinreichende Aufmerksamkeit für vielfach gebrochene Geschlechterfolgen, bauliche Umgestaltungen, wechselnde ökonomische Bedingungen muß der Leser schon mitbringen. Es ehrt die Verfasser, daß ihr Bemühen um Komplexität fast durchweg zu klarem Verständnis führt.
Nicht geschadet hätte es der Seriosität dieser Arbeit, wäre die eine oder andere lockere Episode aufgenommen worden. Ziemlich unvermittelt wird etwa mitgeteilt, der Dichter Friedrich de la Motte Fouqué (1777–1843) sei »verarmt« gestorben. Wie das? Als Witwer der Gutsherrin von Nennhausen hatte er in dem Moment ein Erbe verloren, da er wieder heiratete. Sozusagen selber schuld... »Berliner Morgenpost«, 28. November 2001

Begonnen hatte die Arbeit vor drei Jahren im Rahmen eines vom Arbeitsamt und dem Europäischen Sozialfonds geförderten Projekts für arbeitslose Akademiker. Verschiedene Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit Schlössern und Herrenhäusern im Land Brandenburg. Architekten, Kunsthistoriker, Bauingenieure, Schriftsteller, Grafiker, Fotografen und Historiker zogen aus, Spuren zu sichern. Andreae und Geiseler waren mit einer Gruppe im Havelland unterwegs. »Ältere Bewohner haben uns Fotos zur Verfügung gestellt und aus ihren Erinnerungen berichtet. Es war eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit«, berichtet Almut Andreae. Unter Berücksichtigung des Archivmaterials und der Fachliteratur wurde daraus eine umfassende Dokumentation. »Alle Informationen wurden geprüft, so daß die Arbeit wissenschaftlichen Ansprüchen genügt«, versichert Udo Geiseler. Ziel sei es gewesen, für die Bewohner des Havellandes und für Fachleute gleichermaßen interessant zu schreiben.
In 69 Texten wurden 79 Häuser mit ihrer Baugeschichte, den Schicksalen der Bewohner und ihrer Nutzung bis in die Gegenwart vorgestellt. Die Autoren machten um die Zeit nach 1945 keinen Bogen, legten dabei aber Wert auf eine Situationsbeschreibung ohne Polemik. Von den beschriebenen 79 Häusern sind rund zwei Drittel erhalten, auch wenn einige in sehr schlechtem Bauzustand sind. Abrisse gab es infolge von Kriegszerstörungen, in den 50er Jahren und noch einmal in den 70er Jahren. Auch nach der Wende sind vereinzelt noch Häuser »verschwunden«, etwa weil eine Saniening zu aufwendig schien.
Vor einem Jahr war die ABM-Stelle für die acht Herrenhaus-Forscher im Havelland ausgelaufen. Andreae und Geiseler machten in ihrer Freizeit allein weiter und machten aus den Autorenbeiträgen ein Gesamtwerk. Außerdem warben sie um Unterstützung. Die Landesregierung als Fördernmittelgeber, die Mittelbrandenburgische Sparkasse und weitere Spender beteiligen sich an den Druckkosten. »So ein Buch ist auch ein Appell für den Erhalt dieser Häuser. Sie prägen das Bild einer Gemeinde, schaffen Identifikation und beleben den Tourismus«, sagt Kai Wulfes, Pressesprecher der Mittelbrandenburgischen Sparkasse.
Mit dem Buch ist für Andreae und Geiseler die Arbeit an den Herrenhäusern des Havellandes abgeschlossen. »Es war eine spannende Erfahrung«, sagt Udo Geiseler und hebt das Zusammenspiel von Leuten mit Ost- und West-Herkunft, aus unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichen Alters hervor. Einen Wiedereinstieg in den Beruf erreichte durch die Projektarbeit jedoch keiner. Der Historiker Udo Geiseler ist heute Referendar an einer Schule in Brandenburg. Die Kunsthistorikerin Almut Andreae aus Groß Glienicke sucht wieder nach einem neuen Tätigkeitsfeld. »Märkische Allgemeine«, 8. August 2001