Nicola Bröcker und Celina Kress
südwestlich siedeln
Kleinmachnow bei Berlin – von der Villenkolonie zur Bürgerhaussiedlung

 

…eine gelungene Mischung aus Architekturgeschichte, kunstgeschichtlichem Inventar sowie Orts- und Sozialchronik…
Die vollständige Rezension von Benedikt Hotze (BauNetz, 29. Juli 2012) können Sie hier nachlesen.

 

Eine geruhsame Radtour durch das weitläufige Kleinmachnow kann lang werden, aber immer aufregend fürs Auge. Es gibt viel zu sehen: Hübsche Ein- und Zweifamilienhäuser, oft gruppiert zu kleinen Kolonien, prächtige Villen und Landhäuser, das an eine Burgpforte erinnernde Eingangstor zum Park Neue Hakeburg und die Hakeburg selbst, die Reste des alten Dorfkerns mit der Kirche, die Bauten der Schleuse des Teltowkanals, an der die neu entstandene Schleusenbrücke mit Schwung vorbei führt. Doch man fragt sich, wie ist all dies entstanden, wer waren die Schöpfer des Gebauten, steckte ein Plan hinter dem Gewirr der großen und vielen kleinen Straßen – und warum gibt es kein richtiges Zentrum in dieser ansehnlichen Gemeinde?
Antworten gibt das Buch von N. Bröcker und C. Kress, die sich auf bisher erschienene Schriften zur Orts- und Siedlungsgeschichte stützen und die selbst eintauchten in die Welt der privaten und öffentlich zugänglichen Archive/Sammlungen. Dabei konnten sie viele, kaum beachtete Dokumente finden, sowie bisher unveröffentlichtes Bild- und Kartenmaterial ausgraben. Die Ergebnisse dieser akribischen Arbeit werden in vier Kapiteln vorgestellt. C. Kress befasst sich in »Die Entwicklung Kleinmachnows in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts« mit der Entstehung von Villenkolonien im Raum der Berliner Vororte Lichterfelde und Zehlendorf, die allmählich übergriff auf Teltow, Kleinmachnow und Dreilinden. Die Autorin zeigt, wie die erste Preußische Eisenbahnlinie von Potsdam nach Berlin um die Jahrhundertwende Einfluss auf die Entwicklung von Kleinmachnow nahm, die wenig später mit dem Bau des Teltowkanals (1901–07) noch beschleunigt wurde. Detailliert werden die Aktivitäten zahlreicher Siedlungsgesellschaften geschildert, die sich über mehrere Jahrzehnte hinweg mehr oder weniger erfolgreich in Kleinmachnow betätigten. Vier farbige Kartenskizzen vermitteln davon ein anschauliches Bild. N. Bröcker widmet sich anschließend der »Zehlendorf-Kleinmachnower Villenkolonie 1904–1914«. Sie führt durch die Geschichte von Alter und Neuer Hakeburg, beschreibt den Bau des Teltowkanals mit seiner grandiosen Schleuse und die Entstehung des »Etablissement Hermann Thürk«, ein im Burgenstil gehaltenes, sehr stattliches Gasthaus, das 1942 Opfer von Brandbomben wurde. Damit leitet sie über zur Entstehung und zu den bestimmenden Merkmalen der Architektur der Villenkolonie am Zehlendorfer Damm, zu deren Höhepunkten zweifellos das ehemalige, 1910 entstandene »Seemanns-Erholungsheim« zählt. In einem »Bestandskatalog« stellt N. Bröcker ausführlich 22 Villen, Landhäuser und Mehrfamilienhäuser vor, von denen einige Kriegsverluste sind. Den Abschluss des Buches gestaltet C. Kress mit ihrer Untersuchung zur »Bürgerhaussiedlung Kleinmachnow 1927–1937«, die sich, beginnend in der Mitte von Kleinmachnow, bis zur ehemaligen Stammbahn und deren provisorischen Bahnhof an der Grenze zu Zehlendorf hinzog. Dieses Terrain war zugleich ein wichtiges Wirkungsfeld des Architekten Adolf Sommerfeld, der unter anderem in Zehlendorf (Siedlung Onkel Toms Hütte), in Merseburg oder auf dem Balkan größere Objekte geleitet hatte. Auch hier sind drei farbige Tafeln »Kartierung und Analyse der Haustypen« eine anschauliche Ergänzung, so wie insgesamt das Bildmaterial eine Augenweide ist. Das beigefügte Literaturverzeichnis regt dazu an, sich weiter mit der Thematik zu befassen, z.B. die Arbeit von Hubert Faensen aus dem Jahre 2001 »Die Hakeburg – vom Forschungszentrum zur Kaderschmiede«, die sich u.a. intensiv mit der Architektur dieses Bauwerkes und seiner Nutzung durch die Reichspostforschung während derNS-Zeit befasst.

Einen kurzen Extrakt ihres Buches verfassten N. Bröcker und C. Kress für das »Jahrbuch Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf. Historische Streifzüge durch die Region. Geschichte und Geschichten aus alter und neuer Zeit«, Teltow, Stadt-Blatt Verlag, 2005. N. Bröcker, zugleich Mitglied des »Fördervereins Alter Dorfkern Klein Machnow e.V.« bearbeitete auch das Büchlein »Das Gutsdorf Klein Machnow vor 100 Jahren, mit Dorfgeschichten von Alfred Waßmund sowie Postkarten aus der Sammlung Wallberg«. Die Absicht dieser Publikation, 2006 gleichfalls im Lukas Verlag erschienen, ist es, den alten Dorfkern, der im Zweiten Weltkrieg und danach in der DDR weitgehend in Verlust geriet, in Erinnerung zu rufen. Verfasst hat diese Schrift Helfried Winzer, von 1959 bis 1990 Filmarchitekt und Szenenbildner bei der DEFA, der detailgetreue Modelle des Gutshofes und einzelner Gebäude schuf, sowie maßstabgerechte Zeichnungen aller Bauten fertigte. Auch dafür waren Recherchen in Archiven erforderlich.
Günter Nagel im »Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte«, Bd. 58 (2007)

 

Die aktuelle deutsche Debatte über den suburbanen Raum reflektiert nur ungenügend dessen komplexe planungsgeschichtliche Genese. Bisher wurde lediglich mit dem Buch »Villa und Eigenheim« (Tilman Harlander, Stuttgart 2000) ein umfassender historischer Überblick vorgelegt. Darüber hinaus gibt es nur relativ wenige Fallstudien, die sich eingehend mit planungs- und sozialgeschichtlichen Aspekten Suburbias beschäftigen. Größeres Interesse der Forschung fanden einzelne Villenvororte des Berliner Raums, vor allem im ausgedehnten suburbanen Südwesten der Stadt (vgl. z.B. Thomas Wolfes, Die Villenkolonie Lichterfelde. Zur Geschichte eines Berliner Vororts 1865–1920, Berlin 1997; Tilman Heinisch / Horst Schumacher, Colonie Alsen. Ein Platz zwischen Berlin und Potsdam, Berlin 1988). Die Architektin Celina Kress und die Kunsthistorikerin Nicola Bröcker haben sich mit ihrem Buch »Südwestlich siedeln. Kleinmachnow bei Berlin« einem der äußersten Exponenten dieses Berliner »Zuges ins Grüne« gewidmet. Das Anliegen der Autorinnen war es, einen systematischen Beitrag zur Erforschung suburbaner Siedlungsstrategien zu liefern und die vielschichtigen baulichen, sozialen und kulturellen Aspekte, Qualitäten und Probleme einer bis heute laufenden Entwicklung am Beispiel eines Vorortes zu verdeutlichen. Neben der Wohnsuburbanisierung wurden dazu auch Aspekte der Infrastruktur-, Industrie- und Freizeitentwicklung in die Analyse einbezogen.
Die meisten Untersuchungen von Vorortsiedlungen konzentrieren sich auf die großen, nach einem Gesamtplan errichteten Villensiedlungen. Gerade der davon abweichende Entwicklungspfad von Kleinmachnow macht diesen Vorort interessant, ähnelt er doch der Mehrzahl der Einfamilienhausgebiete des 20. Jahrhunderts, die eher ein Patchwork von Einzelplanungen und Fragmenten bilden. Im ersten Kapitel stellt Celina Kress in einem Überblick diese komplexe Genese Kleinmachnows in den Gesamtzusammenhang der Entwicklung des Berliner Raums. Sie verfolgt ausführlich die Einzelprojekte mehrerer Terraingesellschaften bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, einschließlich einer Vielzahl von gescheiterten Projekten. Jedes der einzelnen Gebiete steht paradigmatisch für die wirtschaftliche, soziale und städtebauliche Situation seiner Entstehungszeit, mit jeweils spezifischen Qualitäten und Defiziten. Die Anlage von Villenkolonien war traditionell ein Betätigungsfeld des privaten Städtebaus, zumeist im partiellen Zusammenwirken mit öffentlichen Entscheidungsträgern. Mit dieser Vorgehensweise konnten bestimmte gestalterische Qualitäten geschaffen werden, durch die Unfähigkeit zur überörtlichen Koordination gab es aber auch enge Grenzen.
Nicola Bröcker untersucht in ihrer nachfolgenden Fallstudie das Teilgebiet der »Zehlendorf-Kleinmachnower Villenkolonie« als ein »Musterbeispiel für die punktuell erfolgte Suburbanisierung des Berliner Umlandes vor dem Ersten Weltkrieg, das aber letztlich scheiterte«. Die Untersuchung, die sie mit einer Analyse der Haustypen dieses Siedlungsteils vertieft, macht deutlich, wie im Prozeß des Großstadtwachstums die private »Produktion« eines Vorortes auf ehemals gutsherrlichem Land erfolgte. Die am Beginn dieser Entwicklung »verpaßte« Anlage eines zentralen öffentlichen Raums konnte später trotz mehrerer Anläufe nicht nachgeholt werden. Der fehlende Verkehrsanschluß bildete über Jahrzehnte einen weiteren zentralen Nachteil Kleinmachnows. Gezielte Vermarktungsstrategien mußten diese Mängel ausgleichen.
Beiden Autorinnen gelingt es, die Sozialgeschichte des Vororts in die planungs- und bauhistorische Darstellung überzeugend zu integrieren. Die Bewohner entsprachen keinesfalls dem Klischee eines suburbanen Großbürgertums. Vielmehr gehörten sie eher mittleren Schichten, häufig künstlerischen Berufen an, die beruflich unabhängig waren und nicht nach Berlin pendeln mußten. Ein besonderes Verdienst der Arbeit ist es, daß sie auch die Suburbanisierung und den Wandel der sozialen Adressaten in 1920er und 1930er Jahren stärker in den Blick nimmt. Mit der »Bürgerhaussiedlung« stellt Celina Kress ein faszinierendes Projekt der Zwischenkriegszeit in den Mittelpunkt ihrer abschließenden Fallstudie. Der Bauunternehmer Sommerfeld, der in Berlin zuvor maßgeblich an der Entwicklung der Onkel-Tom-Siedlung beteiligt war, ließ in Kleinmachnow in der Zeit schwerster Wirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre erfolgreich eine Siedlung mit Typenhäusern für den »Mittelstand« entwickeln, bei der er das städtebauliche Leitbild der Landhauskolonie mit »rationellen Planungs- und Vermarktungskonzepten moderner Fertighausproduktion zu verbinden suchte.« Dieser Erfolg trug dazu bei, daß der Bauherr, durch seine jüdische Abstammung und sozialdemokratische Ausrichtung ohnehin im Visier der Nationalsozialisten, schon 1933 fliehen mußte und sein Eigentum »arisiert« wurde. Nach langen Jahrzehnten der Abtrennung von der Berliner Entwicklung gewann der Vorort erst nach 1990 wieder seinen Anschluß an die frühere Entwicklungsdynamik, mit all den damit verbundenen Problemen, die dem »Optimismus ungebremsten Stadtwachstums« (S. 14) um 1910 sehr ähnelt.

Die Arbeit zeichnet sich, trotz eines günstigen Preises, durch eine hervorragende Bebilderung aus, die das Nachvollziehen der komplexen Entwicklung überhaupt erst möglich macht und eindrücklich die Bedeutung von Karten und Fotos für eine planungsgeschichtliche Untersuchung aufzeigt. Das vorliegende Buch stellt einen herausragenden multidisziplinären Beitrag zur historischen Erforschung des suburbanen Raums dar. Einige Wiederholungen sind durch den einleitenden Überblick und die zwei Vertiefungen wohl nicht zu vermeiden gewesen, einzelne Aspekte wie die Entwicklung nach 1945 bleiben dagegen unbehandelt. Dem Anspruch, »einen systematischen Beitrag zur Erforschung suburbaner Siedlungsstrategien« zu liefern, werden die Autorinnen jedoch voll gerecht. Weitere Fallstudien dieser Art, insbesondere für die Zeit nach 1945, könnten wesentlich zum Verständnis suburbaner Siedlungsstrategien, ihrer Qualitäten wie Grenzen beitragen und die heutige Diskussion um die Weiterentwicklung der »Zwischenstadt« befruchten.
Carsten Benke in »Die alte Stadt», Heft 2/2005

 

Kleinmachnow als architektonisches Kunstwerk vor den Toren Berlins – hier ist es präzise vorgestellt. Der reichbebilderte Band zeigt den Weg von der kaiserlichen Villenkolonie zur Bürgerhaussiedlung der frühen 30er Jahre, vom einstigen Rittergut zu einem hochgeschätzten Wohndomizil stadtflüchtiger Berliner. Das Ortsbild in reizvoller Lage und mit hochwertiger städtebaulicher Struktur steht für den Versuch, Mensch, Architektur und Natur in Einklang zu bringen.
in: Kiez.Magazin Zehlendorf 2005

 

Das Verdienst dieser ungemein lesbar geschriebenen Geschichte des an Zehlendorf angrenzenden Wohngebietes ist die komplexe Darstellung von Siedlungs-, Städtebau-, Architektur- und Kulturgeschichte. Die Arbeit könnte für die stark reglementierte Kunstdenkmälertopographie der Bundesrepublik so etwas wie ein Maßstab sein, denn angesprochen werden soll ja nicht nur die Fachöffentlichkeit, sondern besonders die interessierte Öffentlichkeit, was mit »Kleinmachnow bei Berlin« sicher gelingt.
Denkmalspiegel, Januar 2005

 

Unter dem Titel »Südwestlich siedeln« liegt jetzt ein erstklassiger Beitrag zur Siedlungsgeschichte Kleinmachnows vor. Die beiden Autorinnen, die Kunsthistorikerin Nicola Bröcker und die Architektin Celina Kress, haben die Quellen in den Archiven und die zeitgenössische Literatur sorgfältig und genau aufgearbeitet. Der Band ist reich mit historischen Fotos, Zeichnungen und Plänen illustriert und im Lukas Verlag erschienen, der sich einen Namen gemacht hat mit Editionen zur Kulturgeschichte Brandenburgs.
Im Kern handelt es sich um zwei wissenschaftliche Arbeiten zu speziellen Themen: der Zehlendorf-Kleinmachnower Villenkolonie und der Geschichte der Bürgerhaussiedlung von 1927–37. Mit der an der Ortsgrenze zu Zehlendorf gelegenen sogenannten Zehlendorf-Kleinmachnower Villenkolonie beschäftigt sich Nicola Bröcker und ergänzt ihr Kapitel durch einen Bestandskatalog. Sie untersucht die Entwicklung vom Hakeschen Gutsdorf zum Berliner Vorort während der Kaiserzeit – zu dem mit dem Bau des Teltowkanals ein reger Ausflugsverkehr einsetzte. Sie zeichnet den Ankauf durch die 1904 gegründete Terrain-AG nach, die Bauplanung, Erschließung und Vermarktung. Man hoffte, durch die naturgegebene Schönheit des Bauplatzes zahlreiche Kaufinteressenten zu werben, die sich vergleichbare Grundstücke im Grunewald, am Schlachtensee oder Wannsee nicht leisten konnten. Allerdings blieb der Erfolg vor dem Ersten Weltkrieg wegen der mangelhaften Verkehrsanbindung und Nahversorgung versagt.
Die Bauherren der zwischen 1906 und 1913 errichteten 21 Villen waren Ingenieure, Kaufleute, kleine Fabrikanten, Schriftsteller und vor allem Künstler, die sich untereinander kannten und nicht täglich nach Berlin pendeln mußten. Mehr denn als Repräsentation galt ihnen Funktionalität und Individualität als Lebens- und Wohnbedürfnis. In kulturhistorisch interessanten Zusammenhängen stellt Bröcker das von Kaiser Wilhelm II. geförderte Seemanns-Erholungsheim und die Wohnbauten vor, mit Vorliebe für »Künstlerbauherren«, unter anderem die Maler Fritz Burger und Robert Hoffmann, den Bildhauer Ferdinand Lepcke, die Schriftsteller Lily und Heinrich Braun und Adolf Reinicke. Sie verdeutlicht anhand von Grundrissen die Raumstrukturen und untersucht die stilistische Vielfalt, an der namhafte Architekten wie Bruno Paul, Albert Rieder und Wilhelm von Tettau Anteil haben. Einflüsse des Historismus kreuzen sich mit Jugendstil, Heimatschutz- und Reformbewegung.
In der Werbung der Terraingesellschaft wurde immer wieder der schöne alte Wald mit seinen hohen Nadel- und Laubbäumen gerühmt, der dem Bauzweck dann größtenteils zum Opfer fiel. Allerdings blieb im Vergleich zur Verdichtung, die der heutige Bebauungsplan ermöglicht, die Rodung durchaus maßvoll – wie Fotos von Waldemar Titzenthaler aus dem Sommer und Winter 1906 zeigen. Das Management und die Teltower Baubehörde versuchten, durch die Festlegung auf große Grundstücke, eine lockere Bebauung und den Landhausstil den Charakter der Landschaft zu bewahren. Als Fachberater wurde damals der bekannte Berliner Architekt Bruno Schmitz engagiert, der auch selber zwei Häuser errichtete. Für bemerkenswert hält Bröcker die »oftmals geringe Größe, die sich am Außenbau zunächst gar nicht abschätzen läßt«, sowie die großzügige Raumqualität der Straßen, die später auf andere Wohnviertel übertragen wurde.
Kress beschäftigt sich mit der Bürgerhaussiedlung in den Jahren 1927–37. Hier handelt es sich nicht um Architektenhäuser, sondern um Einfamilien-Typenhäuser. Initiator des innovativen und angesichts der Wirtschaftskrise mutigen Großsiedlungsprojekts war der jüdische Unternehmer Adolf Sommerfeld, der über seine Firmengruppe ein großes Gelände südlich der Stammbahn erwarb. Er hatte schon 1919 zu Walter Gropius Kontakt aufgenommen und Arbeitsabläufe in der Bauproduktion rationalisiert. Bei seinen Sympathien für das Bauhaus verwundert es, daß er ab 1930 als Chefarchitekt Alfred Schild engagierte, einen Schüler von Bodo Ebhard, dem Baumeister der Neuen Hakeburg und Vertreter eines konservativen Historismus – offenkundig aber zum Vorteil des Siedlungsplans. Denn dieser steht, so Kress, im deutlichen Gegensatz zu funktionalistisch-rigiden Zeilenbausiedlungen und orientiert sich »an Motiven englischer Gartenstädte«. Die »Einfühlung in topographisch-landschaftliche Gegebenheiten« führte zur Anlage breiter Grünzüge und zu einer figurativen und intimen Straßenführung, andererseits zum Verzicht auf Zentrum, Plätze und Sichtachsen.
Im April 1932 begann der Bau der ersten 250 Bürgerhäuser. Schon Ende Mai waren mehr als 60, nach vier Monaten über 200 verkauft, so daß ein zweiter Bauabschnitt eingeleitet werden konnte. Die Entwürfe stammten von den Berliner Architekten Heinrich Straumer und Ernst Rossius-Rhyn, die als Vertreter der gemäßigten Moderne galten. Sie wollten die Nüchternheit der Bauhausarchitektur überwinden und das bürgerliche Wunschbild vom idyllischen Leben in der Natur zusammenführen mit einer preiswerten, rationalisierten Bauproduktion. Nach einem Spruch von Sommerfeld sollte »der Ministerialrat neben dem einfachen Mann wohnen«, von dem er freilich Eigenkapital erwartete. Immerhin bot er einen sehr günstigen Kaufpreis: Haus und Garten (zirka 600 Quadratmeter) für 12900 Reichsmark bei einer Finanzierung mit Eigenanteil von nur 4900 Reichsmark. Als weitere Motive für den Erfolg nennt Kress die ungewöhnliche Größe der Wohnräume, die rationelle, aber variable Grundriß- und Raumgestaltung und die dem Eindruck der Gleichgültigkeit entgegenwirkende äußere Erscheinung.
Das Angebot sprach unterschiedliche mittelständische Berufs- und Einkommensgruppen an. Zu den Käufern gehörte auch der Luftwaffengeneral Walter Wever. Ob die dezentrale Einrichtung kleiner Läden das Einkaufsproblem behob und neue Buslinien sowie der Haltepunkt an der Stammbahn den Verkehr mit Berlin erleichterten, läßt sich heute schwer beurteilen.
Unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 erfolgte ein tätlicher Anschlag auf Sommerfeld, so daß er ins Ausland flüchten mußte. Die Firma wurde von einer NS-Leitung übernommen und das Siedlungsprojekt bis 1936/37 in vier weiteren Bauabschnitten fortgeführt, zunächst unverändert, dann mit der Möglichkeit einer Aufteilung des Typenhauses in zwei kleine Wohnungen. Andere Siedlungsfirmen, die sich in Kleinmachnow eingekauft hatten, modifizierten das Erfolgsmodell.
Eingangs gibt Kress einen Überblick über die Entwicklung Kleinmachnows in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ordnet sie ein in die soziokulturellen Prozesse des Berliner Umlands und die Planungen und Architekturen, die aus der Intention des stadtnahen Wohnens im Grünen resultierten. Aufschlußreich und teilweise unbekannt sind die Informationen zur 1909 gegründeten Kolonie Dreilinden, zur Siedlungsgenossenschaft Eigenherd, die 1920 aus dem deutschen Siedlerbund hervorging, und zur 1921 beginnenden Gesamtflächenplanung der Gemeinde, die um die einzelnen Siedlungsbereiche große Grünzonen vorsah.
Das Einführungskapitel weist Wiederholungen, aber auch Lücken auf. Man hätte gern etwas gelesen zur Bebauung der Zehlendorfer Villenkolonie in den 20ern und 30ern, zur Eigenherd-Schule, zum Musiker- und Weinbergviertel, zu den Bauten der Reform-Architekten Walter Gropius, Egon Eiermann, Hermann Henselmann und Max Taut (errichtet für Adolf Grimme), zu den Wohnhäusern von Kurt Weill und Friedrich Kayssler, zu den Holländischen Häusern usw. Auf den Rüstungsbetrieb Bosch wird eingegangen, nicht aber auf die Forschungsanstalt der Reichspost, auf die Baugesellschaft der Deutschen Arbeitsfront, nicht aber auf weitere Eingriffe des NS-Regimes (Siedlungsgesetz von 1933, Gesetz zur Beschaffung von Boden für Siedlungen von 1936, Umorientierung der NS-Siedlungspolitik auf Mietwohnungen). Ein Index hätte den Umgang mit dem Gesamttext erleichtert.
Zu hoffen ist, daß der Bürgermeister das Leitbild von den naturräumlichen Qualitäten einer Gartenvorstadt, zu dem er sich im Geleitwort bekennt, in der Baupolitik umsetzt. Indes ist zu befürchten, daß eine Trabantenstadt heranwächst und von Kleinmachnow nur der Mythos fortlebt. Jedenfalls leisten die Autorinnen wirklich, was sie sich im Vorwort vornehmen. Sie bieten eine interessante und gediegene Fallstudie zu suburbanen Siedlungsstrategien und Grundstücksspekulationen. Man kann sie nur zur Fortführung ihrer Forschungen ermutigen.
Hubert Faensen in den »Potsdamer Neuesten Nachrichten« vom 29. Dezember 2004. Der Autor lehrte Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität und hat unter anderem ein Buch über die Hakeburg geschrieben.

 

Der städtebaulichen, architektonischen und gartenkünstlerischen Entwicklung des Berliner Südwestens wird in den letzten zwanzig Jahren zunehmend Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei standen zu Beginn naturgemäß die spektakulären Exponenten wie das Grunewaldviertel oder die Kolonie Alsen im Mittelpunkt. Insofern verdient es Beachtung als Signal für eine neue Forschergeneration, wenn sich die Kunsthistorikerin Nicola Bröcker und die Architektin Celina Kress für ihre Studie nicht eine der »naheliegenden« Kolonien wie etwa Lichterfelde oder Zehlendorf gewählt haben, sondern ein besonders sperriges Objekt, nämlich Kleinmachnow. Denn während dieser Ort in vieler Hinsicht dem Stereotyp der Berliner Koloniegründungen entspricht, fehlt doch eines der wesentlichen Elemente, nämlich ein S-Bahn- oder U-Bahn-Anschluß. Wie zur Bestätigung dieses planerischen Geburtsfehlers ist Kleinmachnow als einziger südwestlicher Villenvorort 1920 nicht nach Groß-Berlin eingemeindet worden.
Die beiden Autorinnen gehen den Ursachen und Auswirkungen dieses Makels im einzelnen nach und präsentieren dabei das Bild einer nur in Teilen aufgegangenen Spekulation. Wäre die S-Bahn oder die U-Bahn gekommen, mit Sicherheit hätte Kleinmachnow eine ganz andere Entwicklung genommen. So aber spielte die Kolonie seit ihrer Gründung vor allem ihren Preisvorteil gegenüber den besser an den öffentlichen Nahverkehr angebundenen Siedlungsgebieten aus: Man konnte (und kann) dort in jeder Hinsicht so wohnen, wie es einem typischen Berliner »grünen Vorort« entspricht, nur zu einem viel günstigeren Preis.
Das Werk ist in vier Abschnitte gegliedert. Einer städtebau- und siedlungsgeschichtlichen Einführung zur Entwicklung Kleinmachnows in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Celina Kress folgt eine Beschreibung des ersten Entwicklungsabschnitts, der Zehlendorfer-Kleinmachnower Villenkolonie 1904–14 von Nicola Bröcker, nebst einem Bestandskatalog der kaiserzeitlichen Villenkolonie (ebenfalls von Nicola Bröcker). Den Abschluß bildet ein Abschnitt über den letzten Entwicklungsabschnitt vor dem 2. Weltkrieg, der Bürgerhaussiedlung Kleinmachnow 1927–37 von Celina Kress. Mit dieser Aufteilung gelingt es den Autorinnen, das Thema sowohl hinsichtlich der Gesamtentwicklung als auch im Hinblick auf die architektonische Ausformung im Detail auf eine ebenso anspruchsvolle wie verständliche und gut lesbare Art darzustellen.
Zudem haben sie mit der Auswahl und Anordnung des außerordentlich reichhaltigen Abbildungsmaterials eine sichere Hand bewiesen, so daß das Werk nicht nur den vielen neuen und alten Bewohnern Kleinmachnows eine Freude, sondern dem wissenschaftlichen Nutzer ein wertvolles Arbeitsmittel sein wird. Dabei gelingt es den Autorinnen in jedem Abschnitt des Buches, ihre Forschungsergebnisse in das jeweilige gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld einzuordnen, wenn sie etwa im einzelnen die Rolle des Architekten Bruno Schmitz in der ersten und die des Bauunternehmers Adolf Sommerfeld (heute bekannt vor allem als Bauherr des Gropius’schen Blockhauses in der Lichterfelder Limonenstraße) in der letzten Phase der Siedlungsentwicklung darstellen und in ihrer Bedeutung erläutern. Sehr illustrativ wirken auch die Werbeanzeigen der Terraingesellschaften aus den verschiedenen Entwicklungsphasen, die stets aufs neue eine zufriedenstellende Antwort auf die wichtigste Vorort-Frage (zugleich der wunde Punkt Kleinmachnows) zu geben versuchen: »Wieviel Minuten Fahrzeit bis zum Potsdamer Platz?«
Von den verschiedenen Siedlungsabschnitten der zwanziger und dreißiger Jahre, die sämtlich im Einführungskapitel vorgestellt werden, wie etwa die »Eigenherd«-Siedlung, die »Winkler-Siedlung« oder die »Villen-Kolonien« von Andresen oder der Villen-Parzellen AG, wird nur die »Bürgerhaussiedlung 1927–1937« im Detail behandelt. Angesichts der hohen Qualität dieser Einzeldarstellung, wie auch derjenigen zur »Villenkolonie 1904–1914« nebst dem Bestandskatalog wäre es wünschenswert gewesen, auch zu den anderen Siedlungen mehr Details zu erfahren, zumal auch einige Architekten der Bauhaus-Moderne in Kleinmachnow gebaut haben. Bleibt zu hoffen, daß solche sinnvollen Nachträge in einer zweiten Auflage noch ergänzt werden.
Abgesehen von solchen Erweiterungswünschen handelt es sich nach alledem um ein Werk, das weit mehr darstellt als einen Beitrag zur Lokalgeschichte Kleinmachnows. Es bildet schon jetzt ein wichtiges Teilstück der »neuen« wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Siedlungs- und Architekturgeschichte des Berliner Südwestens. Insofern ist »Südwestlich siedeln« ein besonders gut gelungener Obertitel. Es bleibt zu hoffen, daß die Autorinnen ihm noch weitere monographische Untertitel hinzufügen werden, denn auf der architektur- und stadtplanungsgeschichtlichen Landkarte dieser Region gibt es noch viele weiße Flecken.
Die Geschichte Berlins seit der Reichsgründung ist ohne seine Villenkolonien und Siedlungen im Grünen nicht verständlich. Solche Viertel entwickelten sich nicht einfach, sie wurden entwickelt. Das Werk von Nicola Bröcker und Celina Kress zeigt exemplarisch, welche Erfolgsfaktoren dafür erforderlich waren und welche Gestalt solche Entwicklungen zu verschiedenen Zeiten annahmen. Jedem, der sich für bauliche Geschichte Berlins seit der Reichsgründung und natürlich jedem, der sich speziell für die Geschichte Kleinmachnows interessiert, kann »Südwestlich siedeln« ohne Einschränkung empfohlen werden.
Martin Schaefer in http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-202

 

Kleinmachnow jubelt über ein neues Buch, das Verständnis für die oft kontrovers diskutierte Architekturgeschichte des Ortes weckt.

Es ist ein Blick in Kleinmachnower Wohnstuben. In die des »kleinen Mannes«, der in der Bürgerhaus-Siedlung oder in der Landhauskolonie Dreilinden zuhause ist. Und in die der Reichen in der Alten Zehlendorfer Villenkolonie. Das Buch »Südwestlich siedeln« beschreibt und illustriert die bemerkenswerte architektonische Entwicklung des Ortes, wie es bislang kein anderes Werk vermochte. Genau zum 100jährigen Bestehen der Alten Zehlendorfer Villenkolonie haben die Architektin Celina Kress und die Kunsthistorikerin Nicola Bröcker ein Buch vorgelegt, das sich um eine detaillierte und akribische Beschreibung der Kleinmachnower Ortsentwicklung bemüht. Ein Jahr haben die beiden Autorinnen an ihrem Buch geschrieben, wobei sie die kaiserliche Villenkolonie und die in den frühen 1930er Jahren entstandene Bürgerhaussiedlung umfassend untersucht und dokumentiert haben. Als Quellen dienten neben dem Kreis-, Landes- und Bundesarchiv zahlreiche Privatsammlungen, die zum Teil bislang unveröffentlichtes Bildmaterial behüteten. So fanden sich auf dem Dachboden von Haubold Schild Pläne seines Vaters, der als Architekt in Kleinmachnow tätig war.
Seit Jahren wird im Ort gestritten, was zu viel und zu groß ist, was untypisch erscheint und dem ursprünglichen Charakter widerspricht. Bröcker und Kress werden diesen Disput nicht aufhalten, im Gegenteil: Sie betrachten ihn für notwendig und förderlich. Aber die Lektüre ihres Buches kann dazu beitragen, Entwicklungen einzuordnen und zu verstehen, sie kann sensibilisieren für die Eigenarten und Qualität des Ortes. Und, auch das spiegeln die 200 Seiten wider: In Kleinmachnow wurde schon immer gestritten, über das, was dem Ort gut tut, was er braucht und was ihm schadet. »Was wir 500 Jahre lang mit eisernen Händen festgehalten haben, das wollen die jungen Herren nun auf einmal verschleudern?«, zitieren die Autorinnen den Text über einen Geist der Hakeschen Ahnen, die Kleinmachnows Geschichte begründeten. Manch einer wird sagen, daß die vorgelegte Darstellung der Kleinmachnower Architekturgeschichte zeitlich begrenzt ist. Den Wert der Arbeit mindert das keinesfalls. Den Anspruch, Bewohnern, Gästen, Planern und Architekten zu erklären, warum sich Kleinmachnow weitab von seinem einstigen Dorfkern entwickelte, es keinen Bahnanschluß gibt oder welche Rolle Siedlungsgesellschaften spielten, erfüllt das Buch vortrefflich.
Peter Könnicke in den »Potsdamer Neuesten Nachrichten« vom 15. September 2004

 

Die eine forschte an der TU Berlin, die andere an der FU. Kunsthistorik auf der einen und Architektur auf der anderen Seite sind die unterschiedlichen Arbeitsbereiche, die sich eines Tages auf wunderbare Weise zusammenfügten. Celina Kress, die in Kleinmachnow lebende Architektin, hat bei ihrer Arbeit die suburbane Stadtgeschichte im Blick, konzentrierte sich dabei auf den eigenen Wohnort. Kunsthistorikerin Nicola Bröcker aus Berlin liegt die Denkmalpflege am Herzen mit dem Schwerpunkt auf Einfamilienhäusern aus der Zeit von 1900 bis 1940, von denen es in der Gemeinde jede Menge gibt.
Folgerichtig mußten sich beider Wege irgendwann überschneiden, ein Vortrag Nicole Bröckers im Augustinum machte Celina Kress auf die Kollegin aufmerksam. Dann stimmte auch noch die Chemie zwischen den Frauen, und so saßen sie bald an einer gemeinsamen Arbeit zur baugeschichtlichen Entwicklung Kleinmachnows.

Das Ergebnis der rund einjährigen intensiven Recherchen liegt nun in gedruckter Fassung vor: »südwestlich siedeln. Kleinmachnow bei Berlin – von der Villenkolonie zur Bürgerhaussiedlung« heißt das im Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte erschienene Werk. 228 Abbildungen – zum Teil bislang unbekannte historische Aufnahmen aus Nachlässen und Archiven, Postkarten aus der Sammlung Wallberg, etliche alte Land- und Straßenkarten, Werbeprospekte, Grundrisse und Häuserskizzen sowie jede Menge aktueller Bilder, die der Fotograf Markus Hilbich von der Technischen Universität Berlin beisteuerte –, illustrieren das auf Hochglanzpapier gedruckte Buch.
Unterstützt wurden die beiden Autorinnen bei ihrer Arbeit von der Verwaltung der Gemeinde. Bürgermeister Wolfgang Blasig steuerte denn auch ein Grußwort für das 183 Seiten starke Buch bei.
Berichtet wird darin von der Entwicklung Kleinmachnows
vom Rittergut zum dichtbesiedelten Vorort Berlins und wie es dazu kam, daß eine Terraingesellschaft um 1900 weit entfernt von der Stadt mitten im Wald Straßen anlegte und Bauland anpries. Die Forscherinnen gingen außerdem der Frage nach, welche Menschen damals auf das Angebot reagierten, aber auch wer die mehr als 1000 Typenhäuser der Sommerfeldsiedlung entwarf.
Hauptaugenmerk wird in dem Buch also auf das Baugeschehen der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gelegt. Genau untersucht und ausführlich dargestellt wird von Nicole Bröcker dabei zum einen die einheitlich geplante und realisierte Villenkolonie, die ihre Anfänge noch zu Kaiserzeiten hatte und jetzt 100 Jahre alt wird. Zum anderen liefert Celina Kress eine umfassende Dokumentation zu
der im Kontrast dazu stehenden Bürgerhaussiedlung aus den 1930er Jahren.
Kleinmachnower Zeitung, September 2004