Markus Leo Mock:

Kunst unter Erzbischof Ernst von Magdeburg

 

Die vorliegende Arbeit fügt sich ein in die in jüngster Zeit verstärkte Forschung und Ausstellungstätigkeit zur mitteldeutschen Spätgotik und Frührenaissance, insbesondere zum Wirken Kardinal Albrechts in seiner Residenzstadt Halle (Saale), das die Ausstellung »Der Kardinal. Albrecht von Brandenburg, Renaissancefürst und Mäzen« im Jahre 2006 eindrucksvoll belegte und mit zwei Ausstellungsbänden dokumentiert. Grundlage dafür sind vor allem der Tagungsband »Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1490-1545)« von Friedhelm Jürgensmeier (Hrsg.) und der Ausstellungskatalog »Albrecht von Brandenburg« von Bertold Roland (Hrsg.) -1990 und 1991 anlässlich des 500. Geburtstages Albrechts erschienen - sowie die Sammelbände der drei Moritzburg-Tagungen in Halle in den Jahren 2003, 2004 und 2006 von Andreas Tacke (Hrsg.).
Im Unterschied zu Kardinal Albrecht und auch zu Kurfürst Friedrich dem Weisen ist die Herrschaftszeit von Albrechts Vorgänger, Erzbischof Ernst von Magdeburg (1476-1513), bislang weniger umfassend untersucht worden, obwohl zahlreiche Einzelstudien vorliegen. Sehr verdienstvoll ist deshalb die 2005 an der Technischen Universität Berlin abgeschlossene Dissertation von Markus Leo Mock, die Ernsts Politik und künstlerische Auftragstätigkeit vor dem Hintergrund seiner Zugehörigkeit zur Dynastie der Wettiner untersucht. Der Verfasser wertet dazu schriftliche, zum großen Teil bisher unpublizierte Quellen (vor allem im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, im Ernestinischen Gesamtarchiv des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar und im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg) aus. Einige dieser Quellen sind im Anhang abgedruckt.
Das einleitende Kapitel widmet sich der Einführung des erst zwölfjährigen Ernst von Sachsen als Erzbischof von Magdeburg im Jahre 1476 und zeigt auf, wie seine Familie, die kursächsischen Wettiner, langfristig seine Wahl zum Nachfolger Johannes' von der Pfalz (eines Witteisbachers) vorbereitet und unterstützt hat, um Macht und Einfluss auf das benachbarte Erzstift Magdeburg auszudehnen. Mit der Ernennung Ernsts zum Administrator des Bistums Halberstadt zwei Jahre später baute Kursachsen seinen Machtbereich weiter aus.
Die engen Verbindungen Ernsts zu seiner sächsischen Familie und deren Einfluss werden auch deutlich bei der gewaltsamen Einnahme der Stadt Halle durch erzstiftische Truppen am 21. September 1478 und beim anschließenden Bau der Moritzburg, der vor allem gegen die nach Unabhängigkeit strebende Stadt gerichtet war, aber auch die Macht des Erzbischofs im wirtschaftlich ertragreichen Südterritorium des Erzstifts mit der finanzkräftigen Salzstadt Halle stärken sollte. Zur Wahl des Bauplatzes, zu Baugestalt und Baugeschichte der kastenförmigen Anlage mit vier runden Ecktürmen, die im wesentlichen zwischen 1484 (Fundamentierungsarbeiten laut Mock vielleicht bereits 1481 begonnen) und 1503 errichtet wurde, werden zahlreiche Quellen genannt, diese aber nicht mit Bauforschung verbunden, so dass eine genaue Baugeschichte der Moritzburg weiterhin ein Desiderat bleibt. (Neue Erkenntnisse erbrachten die baubegleitenden Untersuchungen von Maurizio Paul im Rahmen des jüngsten Ausbaus der Moritzburg.) Ausführlich werden die Funktionen der Moritzburg als landesherrliche Residenz dargestellt: Sie diente der Verwaltung des Erzstifts, Wohnzwecken des Landesherrn, seiner erzbischöflichen und reichsfürstlichen Repräsentation und nicht zuletzt der militärischen Sicherung. In den Bauformen lässt die Moritzburg - ebenso wie das Wittenberger Schloss Kurfürst Friedrichs des Weisen - das Vorbild der Albrechtsburg in Meißen, des Urbilds der sächsisch-wettinischen Residenzen, erkennen, was der Verfasser als architektonischen Ausdruck der »Einigkeit der Regierenden« und des Machtanspruchs der Wettiner auf das Erzstift Magdeburg deutet.
Das zweite große Projekt Erzbischof Ernsts ist die Einrichtung seiner prunkvollen Grablege im Magdeburger Dom, und zwar im »Kleinen Chor«, zu dem die Vorhalle zwischen den Westtürmen umgewidmet wurde. Die hier erstmals untersuchte Gesamtkonzeption der Grablege mit ihrer reichen künstlerischen Ausstattung - der Raumfassung, der hervorragenden Bronzetumba des Erzbischofs von Peter Vischer d. Ä. (1495), dem großen siebenarmigen Bronzeleuchter (1494), zwei schmiedeeisernen Radleuchter, dem Abschlussgitter zum Schiff hin (1498), dem Altarretabel (seit 1664 in der Pfarrkirche Hohenmölscn), ehemaligen liturgischen Gewändern und Geräten - und mit ihrem Bezug auf die Grabmäler Kaiser Ottos des Großen, des Gründers des Erzbistums, und seiner ersten Gemahlin Edgith, ferner die Vorbildwirkung der wettinischen Grablege in der Fürstenkapelle des Doms zu Meißen und mittelbar der Altenburger Schlosskirche lassen den hohen machtpolitischen Rang und Anspruch des Erz­bischofs Ernst im Reich (als Primas Germaniae) und innerhalb seiner Dynastie erkennen, zeigen ihn aber auch als kunstsinnigen und theologisch gebildeten Kirchenfürsten.
Bau und Ausstattung der Maria-Magdalenen-Kapelle auf der Moritzburg in Halle stellen das dritte große Projekt Erzbischof Ernsts dar. Im östlichen Teil des Nordflügels gelegen und teilweise in die fortifikatorische Anlage der Burg eingebunden, sollte die Residenzkirche ein (erst unter Erzbischof Albrecht verwirklichtes) Kollegiatstift aufnehmen und als Aufbewahrungsort eines Heiltums dienen. Offen bleibt nach wie vor die Frage, wie die zweimalige Weihe der Kapelle - eine erste Teilweihe oder vorläufige Abschlussweihe durch Erzbischof Ernst vermutlich 1509 und eine zweite, feierliche Schlussweihe 1514 durch seinen Nachfolger Albrecht von Brandenburg - zu erklären ist. Auch die Herleitung der Bauform der Kapelle - ein Saalraum mit dreiseitigem Ostschluss und umlaufenden steinernen Emporen - scheint noch nicht sicher und überzeugend. Von einer »Paraphrase« der 1248 (nicht 1243) geweihten Sainte-Chapelle in Paris, der vorbildhaften Palast- und Heiltumskirche, kann kaum die Rede sein, denn in spätgotischer Zeit war dieser Bautypus in Deutschland allgemein tradiert und weit verbreitet. Eindeutig lehnt sich die Maria-Magdalenen-Kapelle in Lage, Baugestalt und Funktion an den größeren Bau der Schloss- und Stiftskirche Friedrichs des Weisen zu Wittenberg (erbaut 1496/97-1506) an. Die hier und an anderen Stellen demonstrierte Brüderlichkeit zwischen Ernst und seinen Brüdern Friedrich und Johann in künstlerischer wie auch in politischer Beziehung war indes nicht ungetrübt, wie der Verfasser aufgrund seiner umfangreichen Literatur- und Quellenkenntnis.
Die Heiligenverehrung und das Kunstverständnis Erzbischof Ernsts spiegelt die reiche, in zwei Inventaren (1513, 1608) überlieferte ehemalige Ausstattung seiner Kapelle mit Tafeln, Ornaten, liturgischem Gerät, Reliquiaren sowie vor allem dem repräsentativen Dreikönigsretabel (heute Gemäldegalerie Berlin) und dem mehr »privaten« Sebastiansretabel (heute Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) von Hans Baidung Grien (1506/07) wider. Insbesondere wird natürlich die kostbare, umfangreiche Reliquiensammlung Ernsts behandelt, die sein Nachfolger weiter vermehrte und in dem gedruckten Heiltumsbuch (1520) und dem Aschaffenburger Codex (1526/27) katalogartig dokumentieren ließ. Ebenso wie der Bau der Maria-Magdalenen-Kapelle typologisch, wie erwähnt, der Wittenberger Schloss- und Stiftskirche folgt, so stimmt auch ihre Ausstattung mit der des Wittenberger Vorbilds im Programm überein, auch wenn sie nicht deren Umfang erreichte.
Ein Personen- und Ortsregister (leider kein Sachregister) erschließt den Band, der einen bedeutenden Beitrag zur mitteldeutschen Kunst und Geschichte der Zeit um 1500 sowie zur fürstlichen Memoria darstellt und mit den Anstoß geben könnte, Erzbischof Ernst von Magdeburg anlässlich seines 500. Todestages im Jahr 2013 zu würdigen.
Irene Roch-Lemmer, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, 2011

 

Ernst von Wettin steht beispielhaft für ein spezi­fisch bischöfliches Stiftungsverhalten, das sich durch die Kombination einer Grabmalstiftung mit gattungsübergreifenden Kunstaufträgen auszeichnet. Dieser sächsische Prinz, der als Elfjähriger für den Magdeburger Bischofsthron designiert wurde, ist als Auftraggeber durch Markus Leo Mock unter dem Titel »Kunst unter Erzbischof Ernst von Magdeburg« ausführlich gewürdigt worden (2007). Neben der Baupolitik des Erzbischofs am Beispiel seiner Hallenser Residenz Moritzburg wird die Grablege im Magdeburger Dom sowie die Ausstattung der Maria-Magdalena-Kapelle in der Moritzburg untersucht. Auch die Stiftung von Werken der Schatzkunst, Altarretabeln und Ornaten berücksichtigt der Autor. Hohes Qualitätsbewusstsein zeigt sich in der Rekrutierung der beauftragten Künstler (der Vischer-Hütte und Hans Baidung Griens). Für Mock sind die Baudenkmäler Erzbischof Ernsts ein Ausdruck von Herrschaftspräsenz, wobei die Grablege im Magdeburger Dom als gleichermaßen politisches wie dynastisches Manifest interpretiert wird.
Hinsichtlich ihrer thematischen Überschneidungen sind die Abhandlungen von Mock und Rie­gel mit ähnlichen Problemen konfrontiert, doch aufgrund ihrer methodisch sehr divergenten Ansätze sind sie kaum miteinander vergleichbar. Ein zentraler Unterschied besteht darin, dass Mock den geistlichen Fürsten in einen dynastischen Kontext stellt, während Riegel das Amt als Maßstab der Entwicklung ansieht. Das Hintanstellen dieser Aspekte erlaubt es Mock, seinen Protagonisten Ernst von Wettin »ganzheitlicher« zu sehen, während Kardinal Matthäus Lang primär als Bauherr auftritt, dessen sonstige Kunstaufträge im Einzelfall kontextualisiert werden. Riegels Schlussfolgerungen wiederum zeigen die grundlegenden Strukturen geistlicher Auftraggeberschaft auf. Neben dem deutlicher konturierten Bild, das nun von Kardinal Matthäus Lang vorliegt, ist die Differenziertheit hervorzuheben, mit der hier die Kunstpatronage eines geistlichen Herren betrachtet wird: Insbesondere die Entscheidung für einen bestimmten, politisch oder anderweitig inhaltlich aufgeladenen Stil, ist von vielerlei Faktoren be­dingt.
Stefan Heinz, in: Kunstchronik, 64. Jahrgang, Heft 4, April 2011

 

Das Buch, hervorgegangen aus einer kunsthistorischen Dissertation an der TU Berlin unter Robert Suckale, untersucht erstmals zusammenfassend die Kunstpatronage des Erzbischofs Ernst von Magdeburg. 1464 geboren, regierte er 1476 bis zu seinem Tod 1513 das Erzstift Magdeburg und fungierte ab 1480 auch als Administrator des Bistums Halberstadt. Lange Zeit in der Forschung im Schatten seines Vaters Ernst von Sachsen, des Bruders Friedrichs des Weisen und des Amtsnachfolgers Albrecht von Brandenburg stehend, erweisen seine Stiftungen die prominente Rolle eines Auftraggebers, der Kunst als Mittel der politischen und religiösen Propaganda zu nutzen versteht: Mit der 1484 bis 1504 errichteten Moritzburg wird Halle zum sichtbaren Teil des erzbischöflichen Herrschaftsbereiches, anschließend stiftet er hier die Maria-Magdalenen-Kapelle und stattet sie überreich, unter anderem mit zwei Altären Hans Baidung Griens, aus; auch die Anfänge des Halleschen Heiltums verbinden sich mit dieser Stiftung. Planungen für die eigene Grablege beginnen ab 1494 mit der Umwandlung des westlichen Eingangs in die Magdeburger Kathedrale in den sog. kleinen Chor und der Einrichtung eines Kollegiatsstiftes, das de facto sogar bis 1677 Bestand hatte.
Markschies, in: Archiv für Reformationsgeschichte, Vol. 39 (2010)

 

Kunst bzw. Kultur an der Wende von der Spätgotik zur Renaissance in Sachsen-Anhalt verbindet man heute wohl vor allem mit dem Magdeburger Erzbischof Kardinal Albrecht von Brandenburg, mit dessen Neuer Residenz in Halle, dem dortigen »Dom« und seiner einst prachtvollen Ausstattung sowie mit dem Halleschen Heiltum. Kaum einem Kirchenfürsten wurden in den letzten Jahren mehr Ausstellungen und Kolloquien gewidmet. Und fast ebenso bekannt sein dürfte auch der zeitgleich von Wittenberg aus regierende Kurfürst von Sachsen, der Wettiner Friedrich III., genannt der Weise (1463–1525).
Meist im Schatten der beiden Vorgenannten steht jene Persönlichkeit, mit der sich Markus Leo Mock in seiner 2007 als Buch erschienenen kunsthistorischen Dissertation beschäftigt hat: Erzbischof Ernst von Wettin (26. oder 27. Juni 1464 bis 3. August 1513). Schon als Knabe 1476 zum Erzbischof von Magdeburg gewählt, wenn auch erst mit 25 Jahren geweiht, war er Albrechts unmittelbarer Amtsvorgänger und als drittes Kind des Kurfürsten Ernst von Sachsen (1441–1486) jüngerer Bruder Friedrichs des Weisen. Angesichts dieser Konstellation ist es kaum zu glauben, dass dies die erste übergreifende Untersuchung der wichtigsten Kunst- und Architekturaufträge dieses Kirchenfürsten ist. Ausführlich vorgestellt werden – chronologisch Ernsts um manch neue Facette bereicherten Lebenslauf zugeordnet – der Bau und die Ausstattung der von Ernst nach 1478 erfolgter Unterwerfung Halles ab 1484 dort errichteten Residenz und Zwingfeste »Moritzburg«, Ernsts Grablege in der dafür ab 1494 zum »Kleinen Chor« umgestalteten Eingangshalle zwischen den Türmen im Westen des Magdeburger Doms, dessen Fertigstellung man unter Ernst nach über 100 Jahren Baustillstandes (seit 1363) in Angriff genommen hatte, und – in diesem Zusammenhang – das kurz darauf erneuerte Sandsteinkenotaph für Ed[g]ith, die 946 verstorbene erste Gemahlin Kaiser Ottos I. in der Chorscheitelkapelle, sowie die wohl bis 1509 weitgehend ausgestattete Maria-Magdalenen-Kapelle auf der Halleschen Moritzburg; als Stiftskirche gedacht war sie erster Aufbewahrungsort des Halleschen Heiltums, dessen Anfänge unter Ernst ebenfalls dargelegt werden. Ein Abschnitt zu Ernsts Wahl und Ordination zum Erzbischof von Magdeburg und ein Kapitel zu Tod und Begräbnis runden die Ausführungen ab.
Die Mehrzahl der von Mock betrachteten Objekte ist nicht nur der Forschung lange schon auf Grund ihrer hohen Qualität und der an ihrer Fertigung beteiligten Künstler bekannt, hervorzuheben sicher Ernsts Magdeburger Messing-Grabtumba von 1494 aus der Nürnberger
Werkstatt Peter Vischers d.Ä. sowie das Dreikönigs- und das Sebastians-Triptychon Hans Baidungs, gen. Grien aus der Kapelle der Moritzburg von 1507/08 (Nürnberg, GNM und Berlin,
SMPK, Gemäldegalerie). Gleichwohl hat Mock auch ihnen bislang Unbekanntes abgewinnen können; so ist etwa auf Baldungs Retabeln die Farbwahl für bestimmte Kleidungsstücke unmittelbar auf den Wettiner Ernst bezogen, was die These unterstreicht, Ernst habe auf beiden Retabel sein Kryptoportrait integrieren lassen. Auch ein nach Albrecht Dürers Entwurf (W 233) gefertigter großer Tischbrunnen, dessen oberer Teil sich 1526 zum Reliquiar umgearbeitet im Halleschen Heiltum befand, könnte ursprünglich in der Hofstube der Moritzburg gestanden haben (S. 87–89).
Gefördert von der Düsseldorfer Gerda Henkel Stiftung und der Magdeburger GERO AG hat Mock für seine Analyse den historischen Hintergrund in akribischer Archivarbeit (Dresden, Weimar, Magdeburg) vielfach erstmals erarbeitet. Dabei hat er eine Vielzahl neuer Fakten erschlossen, die weit über seine eigene Fragestellung hinaus insbesondere für die historische Forschung wichtig sind. Sieben teilweise bislang unbekannte oder nur gekürzt publizierte Quellenschriften sind dem Leser zudem im Anhang zugänglich gemacht, darunter ein Inventar des »Kleinen Chores« im Magdeburger Dom von 1583 sowie ein auch Retabel, Tafelbilder und Skulpturen auflistendes Inventar der Maria-Magdalenen-Kapelle von 1608, eine Quelle, die umso wichtiger ist, scheint man doch nach dem Weggang Kardinal Albrechts von Brandenburg aus Halle 1541 hier – das Heiltum weitgehend ausgenommen – in etwa den Zustand von 1513 wiederhergestellt zu haben. Auch Hans Baidungs »altar taffein« sind aufgelistet; den interessanten Sachverhalt, dass beide Triptychen einst Standflügel besessen haben dürften, hat Mock allerdings nur in einer Fußnote erwähnt (S. 233, Anm. 233).
Mocks Grundinteresse gilt zweifelsohne dem historischen Kontext. Insbesondere zielt es darauf, ob bzw. wie Ernsts Bau- und Ausstattungsprojekte seine Zugehörigkeit zum sächsischen Herzogsgeschlecht der Wettiner widerspiegeln. Doch auch andere Fragen werden angesprochen, etwa hinsichtlich des Verhältnisses zu den Einwohnern der aufbegehrenden Städte Halle, Magdeburg und Halberstadt oder zu den Nachbarterritorien, Fragen zu Glaubensvorstellungen, etwa seiner Heiligenverehrung, und der Memoria. Zitate aus historischen Beschreibungen, Ordinarien, Inventare etc. füllen die ausführlich vorgestellten Räumlichkeiten und ihre Ausstattungselemente anschaulich mit Leben.
An Hand historischer Quellen skizziert Mock, dass Ernst zunächst in unmittelbarer Abhän
gigkeit von seinem Vater regierte, sich aber nach dessen Tod 1486, dem 1489 die Ordination zum Erzbischof folgte, emanzipierte und nach 1500 in teilweise offene Konkurrenz zu seinem inzwischen zum Kurfürsten ernannten Bruder in Wittenberg trat, was aber den familiären Banden nur bedingt Abbruch tat. Wichtig für sein Handeln ist nun sein Amts Verständnis, als Magdeburger Erzbischof »Primas Germaniae« zu sein. Genau in dieses sich wandelnde Beziehungsmuster hat Mock überzeugend die von ihm vorgestellten Projekte einordnen können. Manche darüber hinausgehende Erkenntnis droht dabei allerdings ein wenig unterzugehen. Hierzu gehört etwa, dass die Moritzburg zwar ohne das Vorbild des »Prototyps der sächsisch-wettinischen Residenz«, der Albrechtsburg zu Meißen, kaum denkbar ist, dass aber durchaus auch architektonische Bezüge zu dem ab 1476 südlich des Meißner Domes errichteten Bischofsschloss feststellbar sind; dessen Bauherr war der im selben Jahr gewählte Bischof Johannes von Weißenbach, nicht nur ein enger Freund Kurfürst Ernsts von Sachsen, sondern auch engster Berater Erzbischof Ernsts (S. 68–70).
Stilkritische Fragen spielen eine eher untergeordnete Rolle. Bei zwei Triptychen hält sich Mock aber diesbezüglich etwas länger auf, bei einem bereits bekannten Marienretabel aus Ernsts Magdeburger Grabkapelle (S. 131–143) und bei einem von Mock – Eduard Flechsig hatte es schon einmal 1900 erwähnt – wieder in die Forschung eingebrachten Retabel mit einer Darstellung des hl. Thomas im Zentrum, wohl Erzbischof Ernsts persönlichem Schutzpatron (S. 206–210). Beide Retabel waren 1664 der Kirchengemeinde zu Hohenmölsen im Süden des heutigen Sachsen-Anhalt geschenkt worden. Hinsichtlich des Marienretabels, es zeigt unter anderem elf Wappen haltende Engel, hat Mock sich im Übrigen – gegen Robert Suckales und Gude Suckale-Redlefsens Zuschreibung an die Nürnberger Wolgemut-Werkstatt – Ingo Sandners Zuschreibung an den wohl in Sachsen tätigen, eventuell in Franken geschulten »Meister der Sachsenburger-Altäre« angeschlossen. Interessant ist die Feststellung, dass dieses Marienretabel anscheinend dem in Leipzig lokalisierten »Meister der byzantinischen Madonna« für das Epitaph für den 1516 verstorbenen Theologen Nicolaus Celer aus der Leipziger Nicolaikirche als Vorbild diente, gemalt im Auftrag Adolfs von Anhalt, seit 1488 Dompropst von Magdeburg und ab 1514 Bischof von Merseburg. Dies ist umso interessanter, wird doch das Hohenmölsener Thomas-Retabel, das Mock zwar nicht verorten, dessen Heiligenauswahl aber mit Ernsts persönlichen Lebensumständen in Verbindungen bringen konnte (in einer Darstellung des hl. Wolfgang sogar ein weiters Kryptoporträt des Auftraggebers wähnend), mit eben jenem »Meister der byzyntinischen Madonna« in Verbindung gebracht; sprach sich Flechsig für eine unmittelbare Zuschreibung aus, hat Mock für das engste Umfeld votiert. Ist schon diese Entscheidung angesichts des Celer-Epitaphs durchaus anfechtbar, ist noch weniger verständlich, warum Mock die Werkstatt des Malers des Thomas-Retabels hypothetisch nach Halle verortet. Nur weil dort auf Grund großer Verluste einerseits und an Hand von Schriftquellen durchaus nachweisbarer Maler und Schnitzer andererseits ein Vakuum besteht, sollte man nicht versuchen, ohne näheren Anhalt hier Werkstätten zu verorten. Warum soll nicht Ernst, wie im Übrigen auch sein Bruder Friedrich der Weise, Tafelbilder Leipziger Werkstätten erworben haben.
Leider ist es auch Mock nicht gelungen, neue Schriftquellen zu den von Ernst beauftragten
Künstlern zu erschließen, so dass neben den bereits oben genannten einzig der in Halle tätige Goldschmied Hans Huiuff benennbar ist; und vielleicht war auch, wie Sibylle Harksen schon 1967 vermutete, der ab 1491 für Friedrich den Weisen in Wittenberg tätige Schnitzer und Bildhauer Claus Heffner 1504/05 am Bau der halleschen Morizburg beteiligt.
Zweifelsohne ist Mocks Arbeit ausgesprochen verdienstvoll. Allerdings verraten weder ihr
Titel noch das Vorwort, dass sich die Untersuchung in erster Linie Ernsts Handeln als Spross des sächsischen Herzogshauses der Wettiner nachgeht. Und wenn auch die Konzentration auf die Projekte in Halle und Magdeburg bedingt nachvollziehbar ist, verwundert es schon, dass man nur am Rande erfährt, dass Mocks Protagonist noch eine ganze Reihe weiterer Kirchen, Kapelle und Burgen hat neu bauen bzw. modernisieren und auch neu ausstatten lassen, etwa die Burg in Calbe oder die Burgkapelle in Wolmirstedt. Wer ein umfassenderes Bild von Ernst als Auftraggeber erhalten möchte, sollte daher auch Markus Leo Mocks Aufsätze zu diesen beiden Projekten lesen. Doch auch einen von Ernst gestifteten prachtvollen Ornat im Halberstädter Domschatz (vorhanden sind ein Pluviale, eine Kasel und drei Dalmatiken) ließ Mock unberücksichtigt.
Letztlich sei noch ein eigener Gedanke zu dem »Kleinen Chor« im Magdeburger Dom erlaubt. Es ist sicher richtig, dass Ernst ganz bewusst seine Grablege in eine Achse mit den Gräbern von Kaiser Otto I. und dessen Gemahlin Ed[g]ith einrichtete, sich so, die Idee der im Westen an den Meißner Dom angebauten Grablege der Wettiner weiterentwickelnd, unmittelbar auf Otto bezog, und dass sein Bruder Friedrich mit der im Westen an das Langhaus der Wittenberger Schlosskirche angebauten Memorialkapelle wiederum an Ernst anknüpfte. Gleichwohl evoziert die Bezeichnung »Kleiner Chor« die Idee, Ernst habe mit seiner Grabkapelle, immerhin Heimstatt eines neuen Stifts, einen »Westchor« eingerichtet, wie es auch schon Sven Hauschke formuliert hat. Hiervon ausgehend scheint es durchaus überlegenswert, ob nicht mit dieser Zweichörigkeit auch bewusst an die Tradition historischer Domkirchen im Heiligen Römischen Reich angeknüpft wurde, wie etwa jener in Worms, Mainz, Bamberg oder Naumburg.
Natürlich ist es leicht, im Nachhinein zu kritisieren. Wichtiger ist, dass einmal mehr die konzentrierte Kontextualisierung den Blick auf die Frage schärft, warum Kunst so ist, wie sie letztlich ist. Darüber hinaus bildet diese Untersuchung eine ideale Basis für die weitere Forschung.
Andreas Hornemann in: »Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands« Bd. 54 (2008)

 

Die vorliegende Publikation der von der TU Berlin 2005 angenommenen Dissertation ist ein wichtiger Forschungsbeitrag: Dabei lässt sich dieser in seinem Wert kaum auf eine einzelne Bedeutung beispielsweise für die regional gefasste mitteldeutsche Forschung oder die Architekturgeschichte oder die allgemeine kulturgeschichtliche Betrachtung und Spätgotikforschung einschränken. Schon der kurz gefasste Titel, der ohne jede Untertitelei auskommt, deutet an, dass sich der Autor von jeglicher Selbstbeschränkung löst und eine von kunsthistorischen Kategorien, Gattungen und Methodenzwängen befreite Betrachtung wagt. Dieser Ansatz setzt Maßstäbe und richtet vor allem den typologisch und stilgeschichtlich geschulten Blick stärker auf die Intentionen, Entstehungen, inneren Zusammenhänge und äußeren Wirkungen der »Gesamtkunstwerke«. Der hohe Anspruch birgt Risiken, denn für die Analyse der architektonischen und bildkünstlerischen Konglomerate muss ein wesentlich breiteres methodisches Instrumentarium angewendet werden, so dass in Einzelfällen eine geringere Tiefenschärfe zu befürchten ist.
Mock stellt die Kunst im Umfeld des Erzbischofs Ernst von Magdeburg an drei großen Projekten vor: der Moritzburg in Halle, der Grablege im Magdeburger Dom und der Maria-Magdalenen-Kapelle der Moritzburg in Halle. Die Trennung des ersten und dritten Projektes scheinen aus Sicht der baulichen Einheit wenig sinnvoll, doch wurde diese Teilung mit Bedacht gewählt: Zum einen werden die Abfolge der Tätigkeiten und Stiftungen in eine chronologische Entwicklung gestellt, zum anderen aufgrund einer Gruppierung nach Sinn und Zweck die Betrachtung separater Zusammenhänge erleichtert.
Als Einführung in die Thematik werden Ernst und dessen Amtszeit als Erzbischof von 1476 bis 1513 chronologisch vorgestellt. Auf anschauliche und farbenfrohe Weise treten dem Leser die Wahl und die frühen Jahre des Erzbischofs durch die Einbeziehung zahlreicher unpublizierter Quellen vor Augen. Mock beschreibt nicht nur ein statisches biographisches Gerüst, sondern eine Person mit fester Rolle in einem Geflecht aus Stand, Amt und persönlichen Interessen. Mit der Darstellung der historischen und machtpolitischen Konstellation um 1476 referiert er die intensiven machtpolitischen Strategien des sächsischen Fürstenhauses.
Als erstes »Kunstwerk« des Erzbischofs stellt Mock die Moritzburg in Halle vor. Als Zitadelle errichtet, stärkte Ernst seine landesherrliche Machtposition gegenüber der Stadt, wohl wissend den Streit zwischen Salzpfännern und Rat ausnutzend. Die Stärkung des territorialen Gewichtes der Wettiner band sich damit einmal mehr an die wirtschaftlichen Grundlagen und finanzstarken Metropolen. Ausführlich werden familiäre Einflussnahmen der Wettiner, die Finanzierung, die Planungs- und Baugeschichte anhand kritischer quellen- und literaturorientierter Beschreibungen vorgestellt. Dabei wird nicht nur soweit möglich die Rekonstruktion der ursprünglichen Baugestalt herausgearbeitet, sondern auch auf Veränderungen des baulichen Bestandes durch Zerstörungen im dreißigjährigen Krieg, durch Umnutzungen und Wiederaufbaumaßnahmen des 19. Jahrhunderts und Ausbauten des 20. Jahrhunderts hingewiesen. Der gesamte Abschnitt zur Moritzburg ist baumonographisch aufgebaut und wertet umfassend das zur Verfügung stehende Material an Baubefunden, Schrift- und Bildquellen aus und berücksichtigt Fragen zur bauplastischen Ausgestaltung ebenso wie den Diskurs zur Wehrfunktion und Raumdisposition und -ausstattung.
Im Vergleich mit sächsischen Residenzen erfolgt eine Beschreibung der Albrechtsburg als Vorbild für landesherrliche Residenzen und Bischofspaläste, aber auch für Adelsburgen. Mock benennt Leitmotive (Vorhangbogen, Treppenturm etc.). Vor allem mit Blick auf die Vorbildwirkung des wettinischen Schlossbaus präferiert Mock die Albrechtsburg als unmittelbare Vorlage für die Moritzburg. Da die meißnischen Formen allerdings nur als versatzstückhafte Applikationen in der Moritzburg vorliegen, Raumstrukturen wenn überhaupt nur ansatzweise, Wandpfeilerarchitekturen und raumformende Zellengewölbe nicht zu finden sind, kann diese direkte Orientierung Ernsts nur mühsam nachvollzogen werden. Überzeugender sind die Parallelen zum Bischofschloss in Meißen und die Bedeutung von Johann von Weißenbach, Begleiter Erzbischof Ernsts und seit 1476 Bischof von Meißen. Eventuell wäre auch der in versachlichter Architektur unter Konrad Pflüger errichtete Flügel D des Schlosses Har-tenfels in Torgau in Betracht zu ziehen. Durch den Fokus auf die Albrechtsburg kommen die Gemeinsamkeiten zu Torgau, zum Bischofschloss in Meißen oder auch zum Wittenberger Schloss nur am Rande zur Sprache. Gerade die Kubatur, die baulichen Relikte der wehrtechnischen Einrichtungen und die mehr oder minder direkten Formzitate weisen doch stärker auf den Residenzbau der Ära Konrad Pflügers (ab 1482) als auf den Bau der Albrechtsburg unter Arnold von Westfalen.
Die Beschreibung der mit dem Bau verbundenen erzbischöflichen Repräsentation wird anschaulich in den architektonischen Bestand und die chronikalischen Überlieferungen eingebettet. Darauf fußend kann die Bedeutung der Moritzburg als Mittelpunkt erzbischöflicher Repräsentation und politischer Manifestation gewürdigt werden. Weiterführend sind die Überlegungen zur Rekonstruktion der Anlage und ihrer Ausstattung. Soweit möglich werden Einzelstücke des überlieferten Inventars exemplarisch vorgestellt: Darunter beispielsweise ein Tischbrunnen, zu dessen Identifizierung eine Federzeichnung Albrecht Dürers herangezogen wird.
Der zweite Komplex ist der erzbischöflichen Grablege im so genannten Kleinen Chor des Magdeburger Domes gewidmet. Als Ort der mit einem Kollegiatstift ausgestatteten Stiftung wurde letztlich der Raum zwischen den Westtürmen eingerichtet. Die Beschreibung der Stiftung und ihrer Festivitäten aus den Quellen ist untersetzt durch die Darstellung der Stiftungsgeschichte und ihrer historischen Zusammenhänge. Ihr folgen die Baugeschichte zur Vollendung der Westtürme und die Bau- und Ausstattungsphasen der Grablege. Im Zuge der Analyse ihrer Bestandteile sucht Mock nach Analogien. Während er die Fürstenkapelle des Meißner Domes als konzeptionelles Vorbild würdigt, bleiben im Detail mitunter Parallelen verborgen; so die Gestaltung des Gitters im Vergleich zur Meißner Kapelle oder auch der lettnerartigen Chorschranke der Kapelle im Schloss Mansfeld. Ebenso wird sehr ausführlich die Geschichte und Restaurierung der Gewölbemalerei dargelegt und nach Vergleichen gesucht. Dabei bleibt der Aspekt unberührt, dass mit der Malerei die bestehende Architektur »modernisiert« werden sollte, um den Anschluss an jüngere architektonische Entwicklungen zu erreichen. Bemerkenswert erscheint dabei, dass nicht auf den allerneuesten Stand der Gewölbeformen kurz vor 1500, sondern auf die vorbildlichen Maßwerkwölbungen der Zeit um und vor 1450 zurückgegriffen wird, was einmal mehr die direkte Wirkung der Meißner Fürstenkapelle betont. Die bloße Bewertung der Ausmalung als Malerei, nicht als Illusion von Architektur, blendet die Umsetzung des hohen Repräsentationsanspruches durch reiche Gewölbebildungen und aufwendige heraldische Programme aus; ebenso die zeitgleichen Beispiele, die sich nicht allein (wie das Maßwerkgewölbe der Fürstenkapelle Meißen auch) auf fürstliche Stiftungen beschränken, sondern einen größeren gesellschaftlichen Kontext belegen: z.B. Turmhallengewölbe Saalfelder Johanniskirche, Nordkapelle mit Maßwerkgewölbe Stiftskirche Chemnitz-Ebersdorf (um 1465, mit christologischer Symbolik), Pirna Turmhalle (um 1470), Turmraum Michaeliskirche Jena (1494), Westjoche der Herzberger Stadtkirche (um 1500), Turmhalle Merseburger Dom (ab 1535). Wohl zu Recht hält sich Mock weniger mit den formalen Vorbildern auf und konzentriert sich stärker auf die ikonographischen Inhalte und Konzepte. Dabei gelingt es ihm, die Kapelle und ihre einstige Ausstattung zu rekonstruieren, die Bedeutung der Einzelstücke für sich, aber vor allem auch im programmatischen Zusammenhang herauszustellen. Tief dringt Mock in die Diskurse zu Ausmalung, Tumba, Leuchter, Retabel und Kelch etc. als Teile eines Gesamtprogramms ein und stellt die jeweilige Forschungslage vor. Die hervorragende Bündelung der Erkenntnisse und die wichtigen eigenen Bewertungen erfolgen vor dem Hintergrund der konzeptionellen Einheit der bischöflichen Stiftung. Dies gelingt nicht allein durch konzise Beschreibungen der Einzelstücke, bei denen auf für den Leser an­genehme Weise die Probleme der Zuschreibungen, Datierungen und Werkgeschichte vorgestellt werden, ohne sich in langen Argumentationen zu verstricken, stattdessen werden die Bandbreite der Thesen referiert und im Hinblick auf ihre Tauglichkeit geprüft. Mock bündelt auf diese Weise alle Aspekte, die Erzbischof Ernst als Stifter zur Orientierung gedient haben. Betont werden vor dem Hintergrund von örtlicher Tradition und Potenz, öffentlichem Amt und persönlicher Frömmigkeit die zahlreichen Verbindungen zur Stiftertätigkeit der wettinischen Familie, die letztlich in der Würdi­gung des Kleinen Chores als »Fürstenkapelle« mündet.

Als drittes Zeugnis stellt der Autor die Maria-Magdalenen-Kapelle der Moritzburg in Halle vor. Wieder werden Stiftungs-, Werk- und Nutzungsgeschichte lebendig vorgeführt. Die Bau- und Restaurierungsgeschichte wird mit ihren Veränderungen umfänglich baumonographisch abgehandelt. Hinsichtlich der Bautypologie wägt Mock zwischen den Bezugnahmen auf spätgotische Emporensäle adäquat obersächsischer Hallenkirchen und den Backsteinkapellen Wolmirstedt und Ziesar ab und hebt die Bedeutung der Wittenberger Schlosskirche hervor. Anstatt diese gut angesetzte Analyse zu vertiefen, schwenkt er auf das pauschalisierende Modell des zeitgemäß modifizierten Typus der Ste-Chapelle Paris als Inkunabel spätgotischer Schlosskapellen und stellt die hallische Kapelle in die Tradition höfischer Kapellen: Allerheiligenkapelle Prag, Schlosskirche Altenburg etc. Dabei unterschätzt er den in der baulichen Umsetzung viel stärker an der obersächsischen Baukunst orientierten Modus: z. B. die Übernahme der komplexen Baustruktur der Meißner Albrechtsburg für die Anlage des Grundrisses, der Substruktion, der Wehranlagen, der Wand- und Raumbildung; die Modifi­zierung bzw. Synthetisierung des Wandpfeilerprinzips des Freiberger Domes und der Raumbildung der Wittenberger Schlosskirche; das Spektrum der zahlreichen Formzitate die mit individueller Prägung im allgemein üblichen Bautypus verschmolzen wurden. Auch die Frage nach der Beteiligung und Urheberschaft Konrad Pflügers hätte an dieser Stelle neu belebt werden können.
Von großer Dichte sind die Überlieferungen und Ausführungen zur Heiligenverehrung der Wettiner im Allgemeinen und des Erzbischofs im Speziellen. Deutlich wird dieser Aspekt nicht nur durch die Rekonstruktion der Ausstattung der Maria-Magdalenen-Kapelle oder ihre bauliche Fassung (auch beispielsweise des Oratoriums), son­dern auch durch deren Kontextualisierung. Hier führt Mock zahlreiche Werke und Befunde zusammen, stellt Vergleiche zu anderen Heiltumssammlungen her, wertet die Inventare aus und veranschaulicht den Reichtum und die Gesamtheit der Stiftung. Durch den Vergleich der Ausstattung mit anderen Stiftungen, insbesondere der Wittenberger Schlosskirche, wird der Stellenwert der Anlage deutlich. Darüber hinaus gelingt es den Stellenwert einzelner Objekte innerhalb der Sammlung als herausragende Selbstzeugnisse des Erzbischofs vorzuführen und entsprechend neu zu würdigen. Die Ausführungen werden durch die anschaulichen Beschreibungen zum Tod, zur Bestattung und zur Nachfolge abgerundet.
Unbestritten wird mit den Untersuchungen die dynastische Ausrichtung des Programms der Stiftungen deutlich. Dabei ist der Fokus zu Recht auf die Werke der Wettiner gerichtet, doch hätte ein Abgleich der Verhältnismäßigkeit zu anderen fürstlichen, adligen oder bürgerlichen Stiftungen der Zeit deren Stellenwert betont.
Als besondere Leistung der Arbeit ist die Bündelung des sehr umfangreichen und heterogenen Materials, das, ohne die komplexen und komplizierten Forschungsdiskurse außer Acht zu lassen, zu einer Gesamtschau vereint und auf angenehme und aussagekräftige Weise in Text und Bild dem Leser präsentiert wird.
Stefan Bürger in Neues Archiv für sächsische Geschichte 79 (2008)

 

 

Nach dem Buch von Maria Deiters liegt nun innerhalb von recht kurzer Zeit mit der Dissertation von Markus Mock eine zweite Arbeit vor, die sich mit dem spätmittelalter­lichen Magdeburg aus kunsthistorischer Sicht befasst. Beide Autoren verfolgen eine ähnliche Herangehensweise, indem sie primär nach Stiftern und Auftraggebern der Kunstwerke fragen. Dabei kann sich Mock, der sich einen Zeitraum um 1500 gewählt hat, auf eine weitaus größere Quellenbasis stützen als Deiters, die die Kunst um 1400 bearbeitete. Er kann die Kunststiftungen nicht nur durch Indizienketten wahrschein­lich machen, sondern konkret durch Schriftzeugnisse belegen. In der akribischen Aus­wertung eines enormen Schriftquellenbestandes, wie er von der Kunstgeschichte im­mer wieder gefordert, doch nur selten ernsthaft praktiziert wird, liegt – dies sei vorweggenommen – auch das große Verdienst und die Bedeutung der Arbeit von Markus Mock. Die Quellen werden in einem Anhang mitgeliefert, teilweise in Erstedition.

Der Titel des Buches suggeriert vielleicht, dass die Kunst in Magdeburg (also die Magdeburger Kunst) zu Zeiten Erzbischof Ernsts von Wettin (geb. 1464, gest. 1513, im Amt seit 1476) behandelt werden könnte, doch sei angemerkt, dass es in dem Buch (fast) nur um wirklich von ihm veranlasste Aufträge geht. Es ist also eine selektive Auswahl; d. h. all diejenigen, die eine Bearbeitung der Kunst in Magdeburg um 1500 erwarten, werden dies vorerst auch weiterhin tun müssen. Dafür wird in fesselnder und biographischer Weise das Bild eines Magnaten nachgezeichnet, für den die Re­präsentation durch Bau- und Kunstwerke einen großen Stellenwert hatte. Dabei scheint durch, dass es nicht allein um Repräsentation gegangen sein kann, sondern auch um Liebhaberei und Kunstgenuss, oder anders ausgedrückt: nur ein Auftrag­geber, der einen Sinn für Kunst hatte, konnte sie zur Repräsentation auch angemessen und glaubwürdig nutzen. Es ist erstaunlich, dass Mock nur auf vereinzelte Vorarbei­ten zurückgreifen konnte. Die Forschung hat sich bisher eben immer mehr für den Bruder Ernsts, Friedrich den Weisen von Wettin bzw. für seinen Nachfolger im Amt, Kardinal Albrecht von Brandenburg, interessiert.

Die Vielfalt der Aufträge reicht von der Errichtung einer neuen Residenz, der Moritzburg in Halle, über die Konzeption der Grabstätte zwischen den Westtürmen des Magdeburger Doms (die sog. Ernstkapelle) über die überschwängliche Ausstat­tung einer Kapelle in der Moritzburg. Für seine Aufträge gewann Ernst hervorragen­de, oftmals namentlich greifbare und führende Künstler, darunter Hans Baldung Grien für Retabel in der Moritzburger Kapelle (heute in der Berliner Gemäldegalerie bzw. im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg), Peter Vischer d.Ä. für seine Grabtumba oder Albrecht Dürer, der den Entwurf für einen Tischbrunnen lieferte. Mit der Residenzburg in Halle stellte sich der Bauherr in die Tradition der sächsi­schen Residenzburg des Baumeisters Arnold von Westfalen in Meißen, einem weg­weisenden Palastbauwerk in Mitteleuropa. Markus Mock stellt die Hintergründe die­ser Stiftungen und Aufträge detailliert dar, widmet sich aber auch der stilistischen und ikonographischen Untersuchung. Er muss sich gerade in den besagten Fällen mit einer umfangreichen Forschungsliteratur auseinandersetzen. Hier ist es nicht im­mer möglich, über das bisher Geschriebene hinauszugehen. Neben den auch heute noch anerkannten »Größen« der Kunst um 1500 beschäftigte Ernst aber auch Künst­ler, deren Namen nicht überliefert wurden, so einen bedeutenden Maler, der das Re­tabel für die Ernstkapelle (heute in St. Petri/Hohenmölsen) schuf und aus dessen Werkstatt noch zwei weitere Retabel in Sachsen – nämlich für die Burgkapelle (heute im Freiberger Stadtmuseum) und die Pfarrkirche zu Sachsenburg bei Chemnitz. Nach diesen Werken wird er bereits seit längerer Zeit als »Meister der Sachsenburger Altäre« geführt. Seine nürnbergische Schulung ist immer wieder angenommen wor­den, ebenso vermutete man, dass er in Sachsen (Freiberg, Meißen oder Leipzig?) an­sässig gewesen sei, ohne dass man für die jeweiligen Vermutungen überzeugende Gründe anführen konnte. Auch in der vorliegenden Arbeit gelingt es nicht, hier we­sentlich voranzukommen. Mit ähnlichen Ungewissheiten behaftet ist die Einordnung des Skulpturenschmucks der qualitätvollen Steintumba für die englische Prinzessin Edgith (Gemahlin von Otto dem Großen) im Chorumgang des Magdeburger Doms, die Mock als Pendant der Grabtumba Ernsts ansieht und die jener als Monu­ment mit Denkmalcharakter errichten ließ. In diesen Fällen dürfte jedoch das letzte Wort noch nicht gesprochen sein und der Durchbruch wird vermutlich erst gelingen, wenn in größerem Rahmen die Kunst in und um Magdeburg – ja Mitteldeutschlands insgesamt – gesichtet und an Grundlagenforschungen vergangener Tage angeknüpft wird, eine heute nur noch selten praktizierte Aufgabe. Das Buch von Markus Mock bietet aber zahlreiche Anregungen, richtet den Blick auf ein von der Kunstgeschichte lange vernachlässigtes Gebiet und lädt zu weiteren Forschungen ein. Es gehört darü­ber hinaus zu den raren kunsthistorischen Studien, die sich packend lesen und die man gern von vorn bis hinten »durchackert«. Dies ist vom Autor auch geschickt so angelegt: Er beginnt seine Schilderung mit der Wahl Ernsts, lässt die bewegten Statio­nen in seinem Leben folgen und beschließt das Buch folgerichtig mit dessen Ableben und dem Begräbnis.

Peter Knüvener in »Journal für Kunstgeschichte«, Jg. 11, Heft 4, 2007

 

Vorliegende Arbeit fügt sich ein in die in jüngster Zeit verstärkte Forschung und Ausstellungs­tätigkeit zur mitteldeutschen Spätgotik und Frührenaissance, insbesondere zum Wirken Kar­dinal Albrechts von Brandenburg in seiner Residenzstadt Halle (Saale), das die Ausstellung »Der Kardinal Albrecht von Brandenburg, Renaissancefürst und Mäzen« im Jahre 2006 ein­drucksvoll belegte und mit zwei Ausstellungsbänden dokumentierte. Grundlage dafür sind vor allem der Tagungsband und der Ausstellungskatalog – 1990 und 1991 anlässlich des 500. Geburtstages Albrechts erschienen – sowie die Sammelbände der drei Moritzburg-Tagungen in Halle in den Jahren 2003, 2004 und 2006.
Im Unterschied zu Kardinal Albrecht und auch zu Kurfürst Friedrich dem Weisen ist die Herr­schaftszeit von Albrechts Vorgänger, Erzbischof Ernst von Magdeburg (1476–1513), bislang weniger umfassend untersucht worden, obwohl zahlreiche Einzelstudien vorliegen. Sehr verdienstvoll ist deshalb die 2005 an der Technischen Universität Berlin abgeschlossene Dissertation von Markus Leo Mock, die Ernsts Politik und künstlerische Auftragstätigkeit vor dem Hintergrund seiner Zugehörigkeit zur Dynastie der Wettiner untersucht. Der Verfasser wertet dazu schriftliche, zum großen Teil bisher unpublizierte Quellen (vor allem im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, im Ernestinischen Gesamtarchiv des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar und im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg) aus. Einige dieser Quellen sind im Anhang ab­gedruckt.
Das einleitende Kapitel widmet sich der Einführung des erst zwölfjährigen Ernst von Sachsen als Erzbischof von Magdeburg im Jahre 1476 und zeigt auf, wie seine Familie, die kursächsischen Wettiner, langfristig seine Wahl zum Nachfolger Johannes' von der Pfalz (ei­nes Witteisbachers) vorbereitet und unterstützt hat, um Macht und Einfluss auf das benach­barte Erzstift Magdeburg auszudehnen. Mit der Ernennung Ernsts zum Administrator des Bistums Halberstadt zwei Jahre später baute Kursachsen seinen Machtbereich weiter aus. Seit 1485 ging allmählich der politische Einfluss Sachsens auf Ernst zurück, und er gewann an Selbstständigkeit bis zu seiner Konsekration zum Magdeburger Erzbischof im Jahre 1489. Die engen Verbindungen Ernsts zu seiner sächsischen Familie und deren Einfluss werden auch deutlich bei der gewaltsamen Einnahme der Stadt Halle durch erzstiftische Truppen am 21. Sep­tember 1478 und beim anschließenden Bau der Moritzburg, der vor allem gegen die nach Unabhängigkeit strebende Stadt gerichtet war, aber auch die Macht des Erzbischofs im wirtschaftlich ertragreichen Südterritorium des Erzstifts mit der finanzkräftigen Salzstadt Halle stärken sollte. Zur Wahl des Bauplatzes, zu Baugestalt und Baugeschichte der kastenförmigen Anlage mit vier runden Ecktürmen, die im wesentlichen zwischen 1484 (Fundamentierungsarbeiten It. Mock vielleicht bereits 1481 begonnen) und 1503 errichtet wurde, werden zahlreiche Quellen genannt, diese aber nicht mit Bauforschung verbunden, so dass eine genaue Bauge­schichte der Moritzburg weiterhin ein Desiderat bleibt. Ausführlich werden die Funktionen der Moritzburg als landesherrliche Residenz dargestellt: Sie diente der Verwaltung des Erzstifts, Wohnzwecken des Landesherrn, seiner erzbischöflichen und reichsfürstlichen Repräsentation und nicht zuletzt der militärischen Sicherung. In den Bauformen lässt die Moritzburg – ebenso wie das Wittenberger Schloss Kurfürst Friedrichs des Weisen – das Vorbild der Albrechtsburg in Meißen, des Urbilds der sächsisch-wettinischen Residenzen, erkennen, was der Verfasser als architektonischen Ausdruck der »Einigkeit der Regierenden« und des Machtanspruchs der Wettiner auf das Erzstift Magdeburg deutet. Außer auf den Neubau der hallischen Moritzburg erstreckte sich Ernsts rege Bautätigkeit auf den weiteren Ausbau mehrerer Burgen und Schlösser wie Wolmirstedt, Calbe oder Groningen, die zwar keine bedeutenden Residen­zen wurden, aber die Macht des Bauherrn demonstrieren sollten.
Das zweite große Projekt Erzbischof Ernsts ist die Einrichtung seiner prunkvollen Grable­ge im Magdeburger Dom im Jahre 1494, und zwar im »Kleinen Chor«, zu dem die Vorhalle zwischen den Westtürmen umgewidmet wurde. Die hier erstmals untersuchte Gesamtkonzeption der Grablege mit ihrer reichen künstlerischen Ausstattung – der Raumfassung, der hervorragenden Bronzetumba des Erzbischofs von Peter Vischer d. Ä. (1495), dem großen siebenarmigen Bronzeleuchter (1494), zwei schmiedeeisernen Radleuchtern, dem Abschlussgitter zum Schiff hin (1498), dem Altarretabel (seit 1664 in der Pfarrkirche Hohenmölsen), ehemaligen liturgischen Gewändern und Geräten – und mit ihrem Bezug auf die Grabmäler Kaiser Ottos des Großen, des Gründers des Erzbistums, und seiner ersten Ge­mahlin Edgith lässt den hohen machtpolitischen Rang und Anspruch des Erzbischofs Ernst im Reich (als Primas Germaniae) und innerhalb seiner Dynastie erkennen, zeigt ihn aber auch als kunstsinnigen und theologisch gebildeten Kirchenfürsten. Seine exponierte Stellung und seine wettinische Herkunft veranschaulichen auch das heraldische Programm, ferner die Vor­bildwirkung der Grablege der Wettiner in der Fürstenkapelle des Doms zu Meißen und mittel­bar das Vorbild der Schlosskapelle in Altenburg.
Bau und Ausstattung der Maria-Magdalenen-Kapelle auf der Moritzburg in Halle stellen das dritte große Projekt Erzbischof Ernsts dar. Im östlichen Teil des Nordflügels gele­gen und teilweise in die fortifikatorische Anlage der Burg eingebunden, sollte die Residenzkir­che ein (erst unter Erzbischof Albrecht von Brandenburg verwirklichtes) Kollegiatstift aufneh­men und als Aufbewahrungsort eines Heiltums dienen. Offen bleibt nach wie vor die Frage, wie die zweimalige Weihe der Kapelle – eine erste Teilweihe oder vorläufige Abschlussweihe durch Erzbischof Ernst vermutlich 1509 und eine zweite, feierliche Schlussweihe 1514 durch seinen Nachfolger Albrecht von Brandenburg – zu erklären ist. Auch die Herleitung der Bauform der Kapelle – ein Saalraum mit dreiseitigem Ostschluss und umlaufenden steiner­nen Emporen – scheint mir noch nicht sicher und überzeugend: ob nämlich das Innere formal nicht doch in der Tradition des obersächsischen spätgotischen Sakralbaus steht (ohne natür­lich dem Bautyp der großen Hallenkirchen direkt zu folgen) und ob die Beziehung zu der 1243 geweihten Sainte-Chapelle in Paris, der vorbildhaften Palast- und Heiltumskirche, als »Para­phrase«, »ohne den Zwang zu direktem formalen Anschluss« (Peter Findeisen) zu verstehen ist. Eindeutig lehnt sich die Maria-Magdalenen-Kapelle in Lage, Baugestalt und Funktion an den größeren Bau der Schloss- und Stiftskirche seines Bruders Friedrich des Weisen zu Wittenberg (erbaut 1496/97–1506) an. Die hier und an anderen Stellen demonstrierte Brüderlichkeit zwi­schen Ernst und seinen Brüdern Friedrich und Johann in künstlerischer wie auch in politischer Beziehung war indes nicht ungetrübt, wie der Verfasser aufgrund seiner umfangreichen Lite­ratur- und Quellenkenntnis genau belegt.
Die Heiligenverehrung und das Kunstverständnis Erzbischof Ernsts spiegelt die reiche, in zwei Inventaren (1513,1608) überlieferte ehemalige Ausstattung seiner Schlosskapelle mit Tafeln, Ornaten, liturgischem Gerät, Reliquiaren sowie vor allem dem repräsentativen Dreikönigsretabel (heute Gemäldegalerie Berlin) und dem mehr »privaten« Sebastiansretabel (heute Germa­nisches Nationalmuseum Nürnberg) von Hans Baidung Grien (1506/07) wider. Insbesondere wird natürlich die kostbare umfangreiche Reliquiensammlung Ernsts behandelt, die sein Nach­folger weiter vermehrte und in dem gedruckten Heiltumsbuch (1520) und dem Aschaffenburger Codex (1526/27) katalogartig dokumentieren ließ. Ebenso wie der Bau der Maria-Magdalenen-Kapelle typologisch, wie erwähnt, der Wittenberger Schloss- und Stiftskirche folgt, so stimmt auch ihre Ausstattung mit der des Wittenberger Vorbilds im Programm überein, auch wenn sie nicht deren Umfang erreichte, wie Markus Leo Mock überzeugend nachweist.
Ein Personen- und Ortsregister erschlie
ßt den profunden Band, der einen bedeutenden Bei­trag zur mitteldeutschen Kunst und Geschichte der Zeit um 1500 sowie zur fürstlichen Memoria darstellt und damit den Anstoß geben könnte, Erzbischof Ernst von Magdeburg anlässlich seines 500. Todestages im Jahr 2013 zu würdigen.
Irene Roch-Lemer in »Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt. Mitteilungen der Landesgruppe Sachsen-Anhalt der Deutschen Burgenvereinigung e. V.«, Heft 16, 2007

 

 

Erzbischof Ernst von Magdeburg (1464–1513) gehörte lange zu den eher wenig beachteten Fürsten der mitteldeutschen Geschichte: Im Schatten seines Vaters Ernst von Sachsen, seines Bruders Friedrich den Weisen und seines Amtsnachfolgers Albrecht von Brandenburg stehend, rückte lange Zeit kaum jemand Leben und Herrschaft des Wettiners ins Zentrum des wissenschaftlichen Untersuchungsfeldes. Das in den 1990er Jahren angestiegene Interesse an der Kirchen-, Herrschafts- und Kulturgeschichte des mitteldeutschen Raumes hat hier jedoch einen Wandel eingeleitet. Mit Markus Leo Mocks 2005 an der Technischen Universität Berlin abgeschlossener, soeben im Druck vorgelegter Dissertation wird nun erstmals die kunsthistorische Bedeutung des Ernestiners sogar monographisch gewürdigt.
Im Mittelpunkt des Buches stehen drei herausragende Zeugnisse seiner Herrschaft im Erzstift Magdeburg: Die Moritzburg in Halle, seine Grablege im Magdeburger Dom sowie die in der hallischen Burg gelegene Maria-Magdalenen-Kapelle. Vorgeschaltet ist der Unter­suchung dieser Hauptgegenstände noch eine Schilderung der politischen und kirchen­rechtlichen Schritte zur Übernahme des Bischofsstuhles im Jahr 1476 durch den noch sehr jungen Fürsten.
Das ausführliche Kapitel über die Moritzburg beginnt mit einer kurzen Erläuterung der po­litisch-militärischen Ereignisse und Konstellationen, die den Kontext des Burgenbaus er­hellen. Hierbei schließt sich Mock der mittlerweile sehr einheitlich vertretenen Deutung an, die in der Errichtung der Anlage ein Instrument der Absicherung der 1478 erfolgten Unterwerfung der durch Salzförderung und Handel wirtschaftlich für das Erzstift besonders bedeutenden, zuvor sehr autonom geführten Stadt Halle sieht. Die günstige Gelegenheit, kommunale Autonomie angesichts scharfer innerstädtischer Konflikte brechen zu können, sei hier mit dem Streben nach einer intensivierten Herrschaftspräsenz im südlichen Teil des Erzstiftes zusammengefallen, die zugleich geostrategischen, dynastischen und ökonomischen Erwägungen folgte. Sodann werden Baugeschichte und frühe Baugestalt der Moritzburg in Wort und Bild ausführlich vorgestellt, wobei auch die zum Teil erheblichen Probleme und Defizite in Überlieferung und bisheriger Forschung deutlich werden. Verluste an Bausubstanz durch Zerstörung, Umbauten und Verfall, Einbußen im Bestand der wichtigen Schrift- und Bildquellen, aber auch die zuweilen unbefriedigende Dokumentation früherer Forschungstätigkeit lassen manche Frage über Bauprozesse, Baugestalt und Baunutzungen ungeklärt. Anschließend stellt Mock die hallische Moritzburg in den Kontext wettinischer Herrschaftsarchitektur der Jahrzehnte um 1500. In Übereinstimmung mit anderen Bauhisto­rikern entdeckt er hier Merkmale spezifisch wettinischer Bauweise und Symbolsprache, in welcher der Anspruch dieses Fürstenhauses auf das Erzstift zu erblicken sei. In der Sache mag er hier recht haben, doch methodisch überzeugt seine Argumentation nicht restlos, stützt sie sich doch nur auf einen Vergleich der hallischen Anlage mit ausgewählten Leitbauten der Wettiner. Streng genommen ist aber nicht unbedingt typisch wettinisch, was sich gehäuft an wettinischen Bauten nachweisen läßt, sondern erst solches, was sich bei Wettinern, nicht oder nur selten jedoch an der Architektur anderer Dynastien beobachten lässt. Dass die aufgezeigten Parallelen nicht schlicht allgemein modische, zeittypische Ausdrucksformen sind, sondern dynastiespezifische, hätte hier deutlicher vorgeführt werden können. Ausführungen über die Funktionenvielfalt und den hohen repräsentativen Rang der Ausstattung schließen den Ab­schnitt über die Moritzburg ab.
Danach wendet sich Mocks Blick nach Magdeburg. Die Errichtung der Grablege und weiterer kleinerer Baumaßnahmen im Inneren des dortigen Domes als Kathedrale des Erz­bistums stehen hier im Blickpunkt. Stiftung, Architektur, Ausstattung und Bildprogramme werden detailliert vorgestellt. Der Autor gelangt auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, darin ein »politisches Manifest« des Erzbischofs Ernst erblicken zu dürfen, mit dem nicht nur die fürstliche Herkunft und familiären Bindungen verdeutlicht, sondern darüber hinaus die Ansprüche der Magdeburger Bürgerschaft auf Reichsunmittelbarkeit ab­gewiesen und zugleich ein Vorrang gegenüber den anderen geistlichen und weltlichen Fürsten des Reiches einschließlich der eigenen Verwandtschaft reklamiert wurden.
Hiernach kehren die Untersuchungen von der Elbe zurück an die Saale. Die in die hallische Moritzburg integrierte, der trutzigen Erscheinung der Gesamtanlage angepasste Maria-Magdalenen-Kapelle wird als letztes wichtiges Bauwerk eingehend beleuchtet. Nach Erläuterungen von Baugestalt, Funktion sowie den letztlich gescheiterten Bemühungen um die Etablierung eines Stiftes an der Kapelle, werden Vergleiche mit ungefähr zeitgleich errichteten Schlosskapellen der Region angestellt. Dabei zeigen sich besonders enge Bezüge zur Wittenberger Schlosskapelle als ebenfalls ernestinischen Sakralbau. Ferner bietet der Abschnitt ausführliche Vorstellungen der Raumausstattungselemente und des liturgischen Zubehörs. Mock interpretiert die Befunde auch hier vor allem als Ausdruck eines ausge­prägten Strebens nach Repräsentation, deren Details überdies unmittelbare Bezüge zu politischen wie persönlichen Entwicklungen erkennen lassen, so etwa die Verschlechterung der Beziehungen zum Bruder Friedrich oder die gesundheitlichen Probleme des Erzbischofs.
Mit einer knappen Schilderung der Bestattung des Erzbischofs und der Nachfolgeregelung sowie einem ebenfalls kurzen Schlusswort klingt die Darstellung aus. Am Ende des Buches findet der Leser neben dem obligatorischen Quellen- und Literaturverzeichnis noch eine nützliche Edition zentraler Quellenstücke zu Leben und Herrschaft des Magdeburger Erzbischofs. Auch ein Orts- und Personenregister wurde dem Band beigegeben, auf ein Sach­register jedoch verzichtet.
Der Autor deutet die drei untersuchten Bauwerke als Ausdruck eines ausgeprägten Be­mühens um fürstliche Repräsentation, mit der zugleich die Darstellung eines hohen geistlich-fürstlichen Ranges und die dynastische Zugehörigkeit angestrebt wurde. Die Argumentation stützt sich vor allem auf die Ausdeutung von heraldischen und ikonographischen Pro­grammen sowie meist regional beschränkten Vergleichen von Architektur und Ausstattung. Die komparatistischen Teile hätten an Überzeugungskraft noch weiter gewonnen, wenn ein weiteres Vergleichsspektrum berücksichtigt worden wäre. Auch wird bei der aufgezeigten dynastischen Selbstkontextualisierung des Erzbischofs möglicherweise noch nicht hinreichend zwischen den unterschiedlichen Bezugsebenen »wettinisch« und »ernestinisch« unterschieden: gäbe es markante Differenzierungen, wären diese deutlicher herauszuarbeiten, fehlten sie, böte dies Anlass, intensiver über die fürstliche Identitätsbildung nachzudenken.
Gleichwohl bietet das Buch ein Bild des Magdeburger Erzbischofs, für das die recht weit gestreuten Mosaiksteine an einem Ort vereinigt, Fehlendes ergänzt und die Teile insgesamt überzeugend zu einem Ganzen zusammenfügt wurden. Es fällt durch diese Arbeit nun ganz sicher genügend Licht auf Ernsts Kunstpolitik, um sie aus den Schatten der prominenteren Verwandten und seines unmittelbaren Amtsnachfolger ein deutliches Stück hervortreten zu lassen.
Matthias Meinhardt in »Mitteilungen der Residenzen-Komission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen«, Jahrgang 17 (2007), Nr. 2