Mi., 03.04.2019

Unsere Auslieferung hat nun die wegen der KNV-Pleite uneinbringbaren Forderungen aus den eigentlich "guten" Monaten November und Dezember 2018 verrechnet mit den saisonüblich sowieso bescheidenen März-Umsätzen. Fazit: Der Lukas Verlag muss allein im März ein fettes Minus von über 3000 Euro verkraften (bei rund 12.000 Euro an fixen Kosten). Und im April wird sich dieses Spiel noch einmal wiederholen, denn dann schlagen ja noch der ebenfalls von der Pleite betroffene Januar und der halbe Februar zu Buche. Ja, ich will und werde auch diesen ganz und gar unverschuldeten schlimmen Tiefschlag wohl irgendwie verkraften, aber es ist das alles wirklich unendlich bitter, man möchte doch heulen und manchmal auch einfach alles hinwerfen. Einzig die Loyalität und Verantwortung gegenüber den vielen Autoren und Projektpartnern hält mich davon ab, ernsthaft so zu denken. Und vielleicht sind wir ja im Oktober einer der sechzig Glücklichen, die den dann erstmalig vergebenen Deutschen Verlagspreis erhalten? Falls ja: Das Grütter’sche Preisgeld würde gerade mal so den KNV-Ausfall kompensieren. Falls nicht (wovon realistischerweise auszugehen ist): So tun, als ob alles okay ist. Und weiter hoffen: auf eine grandiose Rezension in einem der paar verbliebenen Leitmedien, auf irgendein anderes Preisgeld, auf ein Wunder halt. So etwas in der Art wie vor vierzehn Jahren, als Günther Jauch das Emmi-Bonhoeffer-Buch ein paar Minuten lang in die Kamera hielt und wir es daraufhin zwanzigtausend Mal verkauften und ich alle meine Schulden begleichen konnte. Aber das war eine Zeit, als das Wünschen noch half.

Mi., 20.02.2019

Jörg Sundermeier von der Kurt Wolff Stiftung und vom Verbrecher Verlag erklärt im Deutschlandfunk  besonnen und gründlich, was los ist. Dafür bin ich ihm zutiefst dankbar. Allerdings muss er mir erst noch erklären,

woher er seine Zuversicht nimmt, "wir alle werden unser Geld bekommen". Schön wär's ja, allein mir fehlt der Glaube. Leider wird wohl doch Torsten Casimir recht behalten, der heute morgen im Börsenblatt schrieb: "Realistischerweise wird man davon ausgehen müssen, dass die Verlage einen Großteil ihrer offenen Forderungen an KNV in den Wind schreiben können." In unserem Fall geht es um 15.000 Euro. Bei anderen sind es sechsstellige Beträge, bei einigen sollen sie sogar siebenstellig sein. Solche Ausfälle steckt KEIN (unabhängiger) Verlag einfach so weg, da mag er groß oder klein sein. In unserer Branche ist immer alles sehr auf Kante genäht. Im freundlichsten Fall bedeutet der heftige Liquiditätsverlust: weniger Mitarbeiter und weniger riskante, also interessante Buchprojekte. Gestern rief mich jemand an und fragte, ob er bei uns eine Volontariatsstelle haben könne. Er tat mir aufrichtig leid – einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte er für sein Ansinnen nicht wählen können.

Di., 19.02.2019 – nicht ganz ernst gemeint, aber doch den Ernst der Lage widerspiegelnd:

Es klingt vielleicht gaga, aber die verratzte Situation erzeugt halt auch solches Kopfkino: Wir unabhängigen Verleger sollten uns vor den Erfurter KNV-Toren anketten und in den Hungerstreik treten, oder meinetwegen auch an unsere Messestände in Leipzig, so wie ’93 die Kalikumpel in Bischofferode, nur eben nicht mit Helmen, sondern in unseren ewigen schwarzen Leinenjacketts (und die Damen im Blazer), haha, damit uns endlich mal jemand zuhört und glaubt, dass es weniger darum gehen muss, ein dann auf unseren Knochen entschuldetes Logistikunternehmen irgendwie fortzuführen, sondern dass es vor allem darum gehen muss, uns, die von dessen Pleite am empfindlichsten getroffenen vielen kleinen KNV-Gläubiger, uns, die guten Verlage, denen nun der Verlust von überlebensnotwendigen enormen Umsätzen ins Haus steht – dass es jetzt und hier darum gehen muss, UNS zu retten! Mal sehen, ob dann aus dem wohlfeilen Gerede von Branchensolidarität und Schulterschluss helfende Taten erwachsen. Die ganz, ganz einfache Wahrheit ist für uns diese: Wir benötigen das uns zustehende Geld unverzüglich und vollständig auf dem Konto, woher und von wem auch immer, andernfalls könnten schon bald einige von uns die Nächsten sein, die dichtmachen müssen, und dies dann naturgemäß ohne jede Chance, mithilfe irgendwelcher Investoren oder Insolvenzverwalter auf Start zurückkehren zu können.

Di., 19.02.2019

Eine Presseerklärung der Kurt Wolff Stiftung zur Insolvenz von KNV beschreibt und analysiert die dramatische Lage der Branche und hier insbesondere der unabhängigen Verlage. So glasklar und ohne jedes Geschwurbel war bisher nirgends zu lesen, was uns seit Tagen umtreibt und schlaflose Nächte beschert. Deshalb bitte unbedingt weiterverbreiten!

Sa., 16.02.2019:

Damit es mal jemand mit der brutalstmöglichen Klarheit offen ausspricht: Seit dem Schwarzen Donnerstag, dem 14. Februar 2019, also seit vorgestern, haben wir es mit der schlimmsten Krise des deutschsprachigen Verlagswesen seit Bestehen der Bundesrepublik zu tun. Sofern mir nicht ein Denk- oder Rechenfehler unterlaufen ist, bedeutet die KNV-Pleite, über deren eigentlichen Verursacher und Nutznießer unsereins nach wie vor nur mutmaßen kann, dass den deutschen Verlagen – konservativ gerechnet – um die 100 Millionen Euro an Liquidität entzogen werden dürfte, nämlich den Umsatz von bis zu drei Monaten aus Geschäften mit KNV. Bei 5000 KNV-Lieferanten wären das im Schnitt 20.000 Euro pro Verlag. Es kann also gar nicht anders sein, als dass unter dieser enormen, völlig unverhofft sie ereilenden Belastung einige Verlage demnächst das Handtuch werfen müssen und dass ALLE Verlage, kaum haben sie das VG-Wort- und VG-Bild-Kunst-Desaster einigermaßen weggesteckt, ihren Titelausstoß deutlich reduzieren müssen. Dies wiederum wird sich zwangsläufig auch auf den Buchhandel und überhaupt auf den Literaturbetrieb empfindlich auswirken. Ich verstehe nicht, dass die hochdramatische Situation beispielsweise der Tagesschau noch keine einzige Meldung wert war.