Auf jeweils der letzten Seite des Fachbuchjournals beantworten Verleger einen stets gleichlautenden Fragebogen. In der aktuellen Ausgabe 04/2017 durfte sich diesmal Frank Böttcher vom Lukas Verlag äußern. Das »Interview« findet man auf den Fachbuchjournal-Seiten als WebPaper sowie als PDF. Sie dürfen es aber auch hier nachlesen:
Unser Fragebogen
Antworten von Dr. Frank Böttcher, Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, Berlin
Was ist Ihre Erinnerung an Ihr erstes Buch? Um welches Buch handelt es sich?
Gelesen hatte ich immer schon, aber ein schmaler Insel-Band mit Novellen von Stefan Zweig eröffnete mir eine ganz neue Welt. Ein unangepasster Lehrer hatte mich, den Sechzehnjährigen, auf diese zutiefst »bürgerliche« Literatur, die im Lehrplan der sozialistischen Volksbildung nicht vorkam, gezielt gestoßen.
Ihre drei Lieblingsbücher sind ...
Die Frage ist natürlich unbeantwortbar. Zuletzt hat mich Juli Zehs »Unterleuten« begeistert. Die klug beobachteten menschlichen Querelen in einem fiktiven Dorf in der Prignitz spiegeln die Dramen, wie sie das ländliche Ostdeutschland seit einem Vierteljahrhundert überall erschüttern. Im besten Sinne ein Jahrhundertroman.
Würden Sie Ihre Lieblingsbücher auch als eBook lesen?
Solange ich sie gedruckt in den Händen halten kann, gewiss nicht.
Entspannen Sie beim Lesen oder was sind Ihre Mittel gegen Stress?
Lesen ist nicht Wellness. Zum Entspannen gehe ich angeln, spaziere über brandenburgische Felder, tanze zu irgendwelchen Rhythmen. Lesen hingegen ist immer interessegeleitet und erfordert Konzentration. Ein Buch, nach dessen Lektüre ich nicht klüger oder weiser bin als zuvor, ist für mich sinnlos.
Traumjob VerlegerIn? Beruf oder Berufung?
Man sollte diese Tätigkeit nicht überhöhen. Aber es stimmt schon, sie ist enorm vielschichtig und von daher stets fordernd und interessant. Es paart sich hier der reine Geist mit dem schnöden Merkantilen, man muss mit oft sehr eigensinnigen Menschen zurechtkommen, benötigt aber auch viele praktische Fähigkeiten und Erfahrungen. Ich muss die Kommaregeln begriffen haben, kämpfe mit dem Finanzamt, bin der Systemadministrator für die PCs meiner Kollegen, entscheide über Manuskripte, berate mich mit der Druckerei über Papierqualitäten und versuche eine halbe Stunde später einen Journalisten zu überzeugen, einen unserer Titel zu besprechen. Diese Vielfalt an Aufgaben hält einen wach, kann aber auch unglaublich schlauchen. Der Burn-out steht immer Gewehr bei Fuß.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Nach der »Wende« war ich ein arbeitsloser junger Akademiker und alleinerziehender Vater meiner kleinen Tochter. Ich war offen, was meine berufliche Zukunft betraf, schrieb Kunstkritiken für Zeitungen oder half bei bauhistorischen Recherchen für ein Architekturbüro. Eines Tages vermittelte mich eine Bekannte an den Inhaber eines winzigen Verlages in Kreuzberg. Bei ihm lernte ich das Geschäft von der Pike auf. Doch nach fünf Jahren war klar, in so einem kleinen Unternehmen kann es keine zwei Könige geben. Ich meldete meinen eigenen Verlag an, arbeitete aber nebenher noch eine Weile für meinen alten Chef weiter.
Gibt es für Sie ein Vorbild aus der Welt der VerlegerInnen?
Ich kenne recht wenige Kollegen, über die ich mir wirklich ein Urteil anmaßen könnte, und schätze sie alle auf je eigene Weise. So habe ich großen Respekt vor Christoph Links, der es seit fast drei Jahrzehnten schafft, wichtige Bücher zu realisieren und den Lebensunterhalt seiner Mitarbeiter zu ermöglichen. Wobei ich hier einzig und allein die wirklich unabhängige Verlagsszene im Auge habe. Verleger, die mit schicken Büchern lediglich ein Erbe durchbringen, um so ihr Ego aufzuwerten, oder leitende Angestellte einer riesigen Büchermaschine interessieren mich nicht.
Wie beginnt ein guter Tag als VerlegerIn?
Wenn in den ersten anderthalb Stunden das Telefon nicht klingelt.
Und wie sieht ein schlechter Tag aus?
Wenn Libri oder KNV für über tausend Euro Bücher remittieren.
Was war das spannendste Ereignis in Ihrem Berufsleben?
Als ich 2004 quasi pleite war. Als Günther Jauch im Frühjahr 2005 eines unserer Bücher in die Kamera hielt und dieses dann auf der Spiegel-Liste stand. Als uns 2009 ausgerechnet die Bürgerrechtlerin Katja Havemann verklagte und ich über den gewonnenen Prozess genauso traurig war als wenn ich ihn verloren hätte. Als mein eigenes Buch »Unerkannt durch Freundesland« recht erfolgreich war. Als ich 2015 unser fünfbändiges, fünfzehn Kilogramm schweres Mammutwerk »Die Gärten und Parke in Brandenburg« vorstellen durfte.
In einem FAZ-Interview stellte Felicitas von Lovenberg Verlegern diese Frage: Wenn Sie eine einzige Veränderung am Buchmarkt bestimmen könnten – welche wäre es?
Die Rückkehr zur bewährten Praxis der Tantiemenaufteilung zwischen Verlagen und Autoren bei den Verwertungsgesellschaften Wort und Bild-Kunst. Dass der Furor des Martin Vogel, des Michael Kohlhaas im Buchwesen, vor den Gerichten Erfolg hatte, ist ein Desaster, dessen Folgen noch lange nicht bewältigt sind.
Wie viel Prozent seines Umsatzes wird Ihr Verlag im Jahr 2020 durch elektronische Informationen erwirtschaften?
Kaum mehr als heute: zwischen ein und zwei Prozent.
Und die große Frage am Schluss: Wie wird sich die Verlagslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern?
Zum schlechteren. Das Medium Buch ist ganz klar in der Defensive.