Ich muss da mal was loswerden betr. den Berliner Verlagspreis:
Am deprimierendsten ist ja immer dieser als generöser Trost gemeinte, aber nur gedankenlos dahingeplapperte Satz, es sei wirklich großartig, mit welchem Idealismus man seinen Verlag, sein Programm betreibe – um damit nur die Auffassung zu bemänteln, wie bescheuert man doch eigentlich sei, wenn bei all diesen Klimmzügen nicht wenigstens ein geringer Wohlstand herauskommt. Dass man als Unabhängiger reinsten Wassers mit seinem Tun nie jemals reich werden würde, war natürlich von Beginn an klar, kein Problem. Willkommener Balsam für den Seelenfrieden und fürs Konto könnten nun aber Buch- oder Verlagspreise sein: gleichsam ein Zwitter aus finanzieller und ideeller Anerkennung. (Der Lukas Verlag galt in 23 Jahren übrigens noch nie als preiswürdig.) Als im Frühjahr bekanntgegeben wurde, es würde ab sofort ein hervorragend dotierter Berliner Verlagspreis nur für Unabhängige vergeben, fand ich das eine wunderbare Nachricht für uns alle.
Das Resultat der ersten Runde ist nun aber ernüchternd:
Denn wenn erst drei oder gar nur zwei Jahre lang existierende Häuser mit lediglich acht bzw. fünfzehn Titeln (Korbinian bzw. Das kulturelle Gedächtnis), deren Programme also noch kaum mehr als Behauptung denn Realität sind, wenn die es sofort auf die Shortlist schaffen, der eigene Laden aber mit inzwischen über 500 Titeln, von denen etliche unbestritten eine gewisse Relevanz und „Nachhaltigkeit“ besitzen, selbstverständlich mal wieder keine Chance bei den Juroren hat, nur weil denen die von uns behandelten Themen vermutlich zu anstrengend und das Design nicht neumodern genug sind, dann tut das schon weh.
Ja, ich bin sehr wohl der Meinung, dass auch der Lukas Verlag den Berliner Verlagspreis unbedingt verdient hätte. Und nein, auf die 35.000 Euro Preisgeld habe ich natürlich nicht ernstlich spekuliert – so realistisch bin ich durchaus. Aber bei 75 Bewerbern zumindest die Shortlist zu erreichen, das hätte ich schon okay gefunden. Bzw. ich hätte auch die Nichtnominierung wie immer demütig und achselzuckend hingenommen, wenn unter den acht Nominierten deutlich mehr Kollegen gewesen wären, bei denen ich respektvoll und gerne beiseitetreten könnte. Aber so? Mit Ausnahme eigentlich nur von Wagenbach (Wagenbach geht immer, aber das ist inzwischen auch irgendwie langweilig) und dem Verlagshaus Berlin (Lyrik und schwarze Klamotten) und gerne auch Reprodukt ist die Shortlist nach meinem Dafürhalten inakzeptabel und verspricht leider wenig Gutes für die Zukunft. Guggolz machen gute Bücher, müssen sich aber auch erst noch beweisen (ihr KWS-Förderpreis ging völlig in Ordnung); Jacoby & Steward sind de facto nicht einmal unabhängig, sondern hängen an einem französischen Konzern.
Nach meinem Dafürhalten sind die Entscheidungen der Juroren lebensfern. Ihr Votum honoriert nicht solide, kontinuierliche Arbeit, sondern lässt sich mehr oder weniger blenden von aufmerksamkeitsheischendem, zeitgeistigem Aktivismus. Das aber ist überaus schade und für "normale" Independents wie uns frustrierend. Und es widerspricht auch dem eigens formulierten Anspruch, den kulturellen Reichtum und die thematische Vielfalt der Szene zu würdigen. Ich überlege ernsthaft, mich im nächsten Jahr nicht wieder zu bewerben, es sei denn, die Auslober bekennen sich bis dahin zu modifizierten Präferenzen.
Nachtrag 11.11.2019
Soeben wurden die Preisträger des Berliner Verlagspreises verkündet. Ja, die Wahl geht sehr in Ordnung – ein herzlicher Glückwunsch also an Wagenbach, ans Verlagshaus Berlin und an Reprodukt! Meine neulich geäußerte harsche Kritik an der missratenen Shortlist bleibt indes davon unbetroffen. Denn wäre aus dieser Shortlist am Ende auch nur ein einziges anderes als eines der drei Unternehmen prämiert worden, hätte ich das als zutiefst ungerecht empfunden und hätte dies leider den neuen Berliner Verlagspreis gleich zu Beginn schwer diskreditiert.