Einige unabhängige, kleine bis kleinste Verlage haben sich öffentlich mit beträchtlichem Aplomb gegen die Vergabekriterien und/oder die Gewinner des erstmalig vergebenen Deutschen Verlagspreises gewandt. Sie unterstellen ungerechtfertigten Lobbyismus und sogar Schiebung. Die Vorwürfe richten sich gegen die Schirmherrin des Preises, vor allem aber gegen die Kurt Wolff Stiftung als Kooperationspartner.

Ich widerspreche hiermit allen Kollegen, die solche Vorwürfe kundgetan haben, entschieden.

Vorab: Mein eigenes Unternehmen existiert seit nahezu einem Vierteljahrhundert und vertritt ein anspruchsvolles kultur- und zeitgeschichtliches Programm mit über 500 Titeln. Seinen guten Ruf verdankt der Lukas Verlag wichtigen Sach- und Fachbüchern über den Widerstand gegen das NS-Regime, zum Alltag in der DDR, zur Kunst- und Architekturgeschichte seit dem Mittelalter sowie zur Kulturgeschichte Berlins und Brandenburgs. Gelegentlich widmen wir uns auch philosophischen und musikgeschichtlichen Fragestellungen, der Fotografie oder der zeitgenössischen bildenden Kunst. Ungeachtet dieser verlegerischen Kontinuität und Kraft saßen im Büro selbst in den besten Zeiten nie mehr als drei Personen. Wir gehören nach wie vor zu den sehr Kleinen der Branche und sind in jeder Hinsicht in einem Maße unabhängig, dass es an Vogel- und Narrenfreiheit grenzt.

Obgleich wir das Geld stets dringend gebraucht hätten, sind wir noch niemals! mit einem der einschlägigen Verlagspreise bedacht worden: weder mit dem Preis der KWS noch mit dem Berliner Verlagspreis, und jetzt auch nicht mit dem Deutschen Verlagspreis. Dabei hätten wir zumindest die beiden letzteren, soviel Selbstbewusstsein muss sein, genauso verdient wie die allermeisten unter den glücklicheren Kollegen. Natürlich bin ich traurig und missgestimmt darüber, dass der Lukas Verlag mit seinen wenig glamourösen, eher trockenen Sachbüchern für Jurys regelmäßig offenbar zu unsexy ist, obwohl doch zweifellos auch wir für den intellektuellen Diskurs im Lande verdammt viel und nachhaltig tun. Doch nicht im Traum würde mir einfallen, den Anregern, Ermöglichern, Stiftern, Organisatoren und Juroren all dieser Preise in einer Art ans Bein zu pinkeln und so die Preise insgesamt zu diskreditieren, wie es die eingangs erwähnten Kollegen getan haben.

Deren Vorwürfe zielen, von ein paar zusätzlichen Petitessen abgesehen, in zwei Richtungen: zum einen gegen das Engagement der Kurt Wolff Stiftung und gegen die Dominanz an Preisträgern aus deren Umfeld, und zum anderen wird der Jury eine unzulässige professionelle Verquickung mit den Gewinnern unterstellt. Beide Vorwürfe sind aus meiner Sicht inakzeptabel, was ich im Folgenden erläutern möchte.

Ich gründete meinen Verlag Ende 1995. Drei Jahre später, da hatte ich etwa zwanzig lieferbare Titel, unterschrieb ich Verträge mit den Barsortimenten. Es war dies ein wirtschaftlich vernünftiger Schritt, denn nur so waren meine Bücher einigermaßen sicher und unkompliziert im Buchhandel auffindbar. Bis ich mich entschloss, sie über eine Auslieferung zu vertreiben, brauchte es noch einmal zwei Jahre und ungefähr dreißig weitere Titel. Frühestens jetzt, um das Jahr 2000, empfand ich mich als »richtiger« Verleger, verdiente ich mein Geld nicht länger mit externen Brotjobs, war der Lukas Verlag ein ordentliches Unternehmen und nicht mehr nur die bloße Behauptung eines Verlages. Dazu passte schließlich auch, dass ich ab 2003 mein zweifellos »schwieriges« Programm mit Hilfe von Vertretern im Sortiment unterzubringen versuchte. Dass ich mich ungeachtet dessen lange damit schwertat, Mitglied des Börsenvereins zu werden, sei nicht verschwiegen. Zu schwerfällig schien mir dieser Tanker, zu hoch waren mir die Beiträge. Ich trat ihm erst 2010 bei, also fünfzehn Jahre nach Gründung meines Hauses. Und noch etwas länger brauchte es, bis ich endlich auch an die Kurt Wolff Stiftung andockte. Erst jetzt nämlich fand ich, dass der Lukas Verlag ohne Wenn und Aber in den Kreis der darin versammelten Qualitätsverlage gehört. Dass man mich dort von Beginn an akzeptierte und schätzte, macht mich stolz. Was ich mit alldem sagen will: Ein paar Bücher machen kann jeder, einen Verlag beim Gewerbeamt anmelden auch, aber deshalb ist man in meinen Augen längst nicht automatisch ein richtiger Verleger. Diese Bezeichnung muss man sich erst über die Jahre hinweg verdienen. Und schon gar nicht gehört man qua Selbstermächtigung einfach so zur KWS. Ich finde es von den Kritikern des Deutschen Verlagspreises mehr als anmaßend, wie sehr sie sich unsubstantiiert aus dem Fenster lehnen und eine Beachtung einfordern, die sie womöglich überhaupt noch nicht verdient haben. Etwas Bescheidenheit stünde ihnen gut zu Gesicht. Nie und nimmer hätte ich mich vor zwanzig oder selbst noch vor fünfzehn Jahren getraut, meinen Hut in den Ring eines Deutschen Verlagspreises – hätte es ihn damals schon gegeben – zu werfen oder gar mich über dessen Bedingungen zu mokieren.

Die kleine KWS tut für unabhängige Verlage meiner Überzeugung zufolge viel mehr als der gesamte Börsenverein mit seinem großen Apparat. Ich bewundere sehr den uneigennützigen, ehrenamtlichen Einsatz ihres Vorstandes – ein Einsatz übrigens, von dem beileibe nicht nur die der KWS angeschlossenen Unternehmen selbst profitieren, sondern an vielen Stellen auch die breite Szene der Unabhängigen insgesamt. Jawohl, ein Gutteil der mit dem Deutschen Verlagspreis Ausgezeichneten ist im Umfeld der KWS angesiedelt. Wer denn sonst, bitte sehr, wenn nicht sie?! Abgesehen davon sind aber auch die Leistungen etlicher anderer gestandener Qualitätsverlage mit viel Geld dotiert worden. Ein Geld übrigens, welches ohne das Engagement der rührigen KWS nie und nimmer in die krisengeschüttelte Branche hineingepumpt worden wäre. Jeder unabhängige Verlag, sei er Preisträger oder nicht, sei er bei der KWS oder nicht, sollte ihr also auf Knien dankbar sein für das, was sie erreicht hat, anstatt herumzumosern. Und sollte verdammt noch mal bedenken, was er an mühsam Erreichtem (und meinetwegen auch Verbesserbarem) mit seiner Kritik jetzt eventuell kaputtmacht, noch ehe es sich überhaupt richtig etabliert hat!

Kommen wir noch kurz zum ehrenrührigen Vorwurf der Kungelei von Jury und Preisträgern. Wer diese äußert, möge doch bitte mit einem qualifizierten Vorschlag um die Ecke kommen, wie eine Jury denn konkret besetzt sein soll, sofern sie unser aller Arbeit und Leistung einigermaßen gerecht und sachkundig beurteilen soll? Wer von uns möchte in einer solchen Jury irgendwelche branchenfremden Schöngeister oder Großkopferten oder Publikum aus RTL II-Nachmittagssendungen sitzen haben? Ist es denn nicht erst einmal toll, dass beim Deutschen Verlagspreis zwei Literaturkritiker, ein Vertriebs- und Marketing-Spezialist, eine Buchgestalterin und Herstellerin, zwei Übersetzer und ein Buchhändler und Blogger, also nur wirklich buchaffine Menschen mit einschlägiger Branchenkenntnis beraten und entscheiden? Und jawohl, unsere Branche ist klein, fast jeder kennt jeden, man arbeitet mal mit diesem, mal mit jenem, und natürlich kann die daraus resultierende Binnensicht schon einmal auch zu einer gewissen Befangenheit führen. Ich selbst bin übrigens zumindest in einem Fall, das möchte ich nicht verhehlen, der Auffassung, dass die professionelle Nähe eines bestimmten Jurymitglieds zu einem bestimmten Preisträger besser hätte von vornherein vermieden werden sollen. Aber ich habe auch erfahren, dass jegliche Debatte und Preisvergabe völlig regelkonform verlaufen sei: Sobald nämlich einer der Juroren halbwegs in die Nähe zum diskutierten Verlag stand, habe er sich der Stimme enthalten oder gar den Raum verlassen. Wenn dem so war, dann ist doch alles wieder gut.

Ich wünsche dem Deutschen Verlagspreis, egal ob der Lukas Verlag ihn jemals erhalten wird oder nicht, ein langes Leben, gratuliere von Herzen all den glücklichen Gewinnern dieses Jahres, danke den Ermöglichern des Preises und fordere alle neidischen und querulatorischen Kollegen zum Luftanhalten auf!

Berlin, 28. September 2019   Frank Böttcher