Die Gedanken sind nicht frei.
     

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Georg Steinmeyer

Die Gedanken sind nicht frei.

Coaching: eine Kritik

Klappenbroschur, 284 Seiten, 158 x 235 mm
Juni 2018
sofort lieferbar
ISBN 978-3-86732-307-9

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Settings, in denen der Klient durch gezielte Fragen und Interventionen eines Coachs lernen soll, Probleme oder Konflikte selbständig zu lösen, um leistungsfähiger zu werden oder eigene Ziele besser erkennen und umsetzen zu können, erleben einen beispiellosen Boom. Dabei nehmen Coachings längst nicht mehr nur die berufliche Situation in den Blick, sondern bieten sich als Hilfe in nahezu jeder Lebenslage an. Die Methoden und deren Risiken sind indes den meisten, die sich darauf einlassen, kaum bekannt.

Der Politikwissenschaftler Georg Steinmeyer hat Websites und Selbstzeugnisse von Coachs ausgewertet, Befragungen durchgeführt, Lehrbücher von Ausbildern studiert und Publikationen von Dachverbänden analysiert. Drei derzeit dominierende Coaching­techniken werden im Detail untersucht: Das Neurolinguistische Programmieren (NLP), die umstrittene »Positive Psychologie« sowie »The Work of Byron Katie«. Das beunruhigende Ergebnis: Coachings erfolgen nach wie vor ohne wissenschaftliche Fundierung. Statt von Methoden sollte man besser von Ideologien sprechen. Dies gilt oft auch für Angebote, die sich als seriöser Flügel der Branche ausweisen. Viele Coachings basieren auf Wertesystemen, die esoterische, demokratiefeindliche, sozialdarwinistische, gewaltverharmlosende oder geschichtsrevisionistische Elemente enthalten. Deshalb ist ihr unhinterfragtes Vordringen in systemrelevante Bereiche wie Bildungseinrichtungen, Behörden, Unternehmen, Gesundheitseinrichtungen, Parteistiftungen, ehrenamtliche Initiativen und Kirchen auch von politischer Relevanz.

Denn das Ziel all dieser Ideologien ist, wie Steinmeyer zeigt, die Schaffung eines neuen Menschentypus, der sein Denken und seine Sichtweisen nach Maßgabe ökonomischer Verwertbarkeit »programmiert«. Der grundrechtlich geschützte Kern jeder Persönlichkeit aus individuellen Erfahrungen, Erinnerungen, Einstellungen, Charakterzügen, Glaubensvorstellungen, Gedanken und Gefühlen wird zum »Psychologischen Kapital« umgedeutet, von dessen »Flexibilisierung« und »Optimierung« die soziale und gesellschaftliche Teilhabe abhängt. Das aber läuft auf eine Gesellschaft hinaus, in der die Gedanken nicht mehr frei sind: Coachings erweisen sich als Instrument einer Entdemokratisierung des Denkens und eines totalitären Anspruchs des Ökonomischen auf das Menschliche.

Georg Steinmeyer

Georg Steinmeyer

Georg Steinmeyer, 1972 in Krefeld geboren, aufgewachsen in Kempen am Niederrhein, 1982 Umzug mit der Familie nach Bamberg, dort 1992 Abitur, seit 1993 in Berlin. Studium der Politikwissenschaft und Germanistik an der Technischen Universität Berlin, 2006 Promotion mit einer Arbeit über den Soziologen und Journalisten Siegfried Kracauer. 2010 IHK-Qualifikation zum Gästeführer in Potsdam, danach zeitweise Tätigkeit als Betreuer der Heilandskirche Sacrow.

Erfahrungen als Klient in Coachings weckten 2014 das Interesse an einer tiefergehenden Untersuchung der dort eingesetzten Techniken und der dahinterstehenden Wertesysteme.

Veröffentlichungen:

  • Berlin Schlossplatz – Anmerkungen zu einer Debatte (2002, Selbstverlag).
  • Siegfried Kracauer als Denker des Pluralismus – eine Annäherung im Spiegel Hannah Arendts (2008, Lukas Verlag).
  • Eisenbahn und Sinnlichkeitsverlust. Zur Angleichung der Verkehrsträger im 21. Jahrhundert (2009, in: Ästhetik&Kommunikation, Heft 144/145). 
  • Siegfried Kracauer und Theodor W. Adorno: Freundschaft und Distanz. Ihre Einschätzung des Nationalsozialismus. (2010, Vortrag in der Charlottenburger Galerie „Fantom“).
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